Lexikon der Biologie: Hefen
Hefen, Hefepilze, Sproßpilze, mikroskopisch kleine, saprophytische oder parasitische Pilze, die vorwiegend einzellig vorkommen und deren vegetative Vermehrung durch Knospung (Sprossung) erfolgt (Ausnahme: Sterigmatomyces und Schizosaccharomyces). Die Hefen ( vgl. Abb. ) sind eine heterogene Gruppe von Pilzen, die nicht immer eindeutig von anderen Pilzgruppen abgrenzbar sind; ca. 600 Arten bekannt. Nach der Ausbildung der Sporangien (Meiosporangien) im sexuellen Entwicklungsgang können die Hefen unterteilt werden: 1) ascosporogene Hefen (Echte Hefen), die Asci ausbilden und den Schlauchpilzen zugeordnet werden; 2) basidiosporogene Hefen, hefeartige Pilze mit Basidiosporen (Ständerpilze: Leucosporidium,Rhodosporidium); 3) ballistosporogene Hefen, hefeartige Pilze, die den Ständerpilzen nahestehen oder ihnen zugeordnet werden müssen und deren Sporen als Ballistosporen ausgebildet werden (Familie Sporobolomycetaceae = Sporidiobolaceae); 4) imperfekte Hefen(anascospore, asporogene oder aspore Hefen), von denen keine geschlechtliche Vermehrung bekannt ist (z.B. Candida). Viele Hefen haben für die ungeschlechtliche und die geschlechtliche Form unterschiedliche Namen – besonders Arten, die sich hauptsächlich ungeschlechtlich vermehren. – Hefen finden sich überall in der Natur, da sie durch ihre Kleinheit leicht vom Wind ausgebreitet werden. Sie kommen vor allem auf zuckerhaltigen Substraten vor (z.B. Blutungssaft von Holzpflanzen, Nektar); bestimmte Arten können aber auch Methanol (Methylalkohol), Kohlenwasserstoffe, Phenol und weitere nicht-zuckerhaltige Substrate verwerten; außerdem gibt es Stämme, die Schwermetalle akkumulieren. Hefen haben große wirtschaftliche Bedeutung in der Nahrungs- und Genußmittelherstellung – meist speziell optimierte Zuchtrassen, besonders von Saccharomyces cerevisiae (Saccharomyces; Echte Hefen, Backhefe, Eiweißhefe, Bier, Wein, Teepilz) sowie in der Biotechnologie (Einzellerprotein). Bei den Hefen (Saccharomyces) wurde zum ersten Mal bewiesen, daß Gärungen biologische Stoffumwandlungen sind (alkoholische Gärung). Hefen sind auch Nahrungsmittelverderber (Nahrungsmittelvergiftungen) und Erreger gefährlicher tier- und humanpathogener Mykosen(Candida). – Einige Hefen, wie z.B. Saccharomyces cerevisiae oder Schizosaccharomyces pombe, werden aufgrund ihrer geringen Komplexität (geringe Genomgröße) und einfachen Handhabbarkeit (analog den Arbeiten mit Escherichia-coli-Kulturen [Escherichia coli]: u.a. einfache Anzucht großer Mengen von Zellen in definierten Medien, Klonierung von [fremder] DNA möglich [Hefeplasmid], selektionierbare Markergene (Markiergen) verfügbar) als Modellsysteme für eukaryotische Zellen bei molekularbiologischen Arbeiten eingesetzt. Die Expression heterologer eukaryotischer DNA in Hefen ist z.B. dadurch relativ einfach möglich, daß – anders als in prokaryotischen Systemen – Signale für die Transkription und Translation erkannt, Intronen ausgeschnitten und die synthetisierten Fremdproteine in der Regel korrekt prozessiert und modifiziert (z.B. glykosyliert) werden. Eine Hefe (Saccharomyces cerevisiae) war der erste Eukaryot, dessen Genom (1997) vollständig sequenziert wurde (13 Millionen Basenpaare; Genomprojekt). – Nach molekulargenetischen Untersuchungen werden die meisten Echten Hefen in die Ordnung Saccharomycetales (Knospende Hefen) eingeordnet. Ihnen werden in der Gruppe mitosporische Saccharomycetales die wichtigen Gattungen der imperfekten Hefen Brettanomyces und Candida zugeordnet. Die imperfekten Hefen der heterogenen Gattung Cryptococcus werden als mitosporische Hymenomycetes den Hymenomycetes (Ständerpilze) zugeordnet. Die Gattungen Leucosporidium und Rhodosporidium sowie die Ballistosporen-bildenden Sporobolomyces-Arten werden in die Klasse Urediniomycetes der Ständerpilze gestellt. Die Spalthefe Schizosaccharomyces wird in eine eigene Klasse (Schizosaccharomycetes) der Schlauchpilze eingeordnet. Als „hefeartige Pilze“ können auch sprossende Pilzstadien bezeichnet werden, die bei anderen Pilzgruppen, z.B. den Taphrinales oder Mucorales, auftreten. Buchner (E.), Hansen (E.C.), Hefeplasmid, Hefevektoren; Pilze I.
G.S.
Hefen
Mikroskopische Aufnahmen von Hefen. 1 Hefe kopulierend und Ascosporen bildend; 2 zitronenförmige Apiculatus-Hefe (Spitz-Hefe) in Sporenbildung; 3 Kahmhefe im Sproßverband
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