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Lexikon der Chemie: Polysiloxane

Polysiloxane, Silicone, Abk. SI, makromolekulare siliciumorganische Verbindungen, die den Grundbaustein -Si(R)2O- enthalten, wobei R vorrangig CH3-Gruppen sind. In ihrem Aufbau ähneln die P. den natürlich vorkommenden Silicaten. Die Hauptkette wird dabei nicht aus C-Atomen, sondern aus Si- und O-Atomen gebildet. Die der Bildung der P. zugrunde liegende Reaktion ist die säure- und basekatalysierte Kondensation der Silanole zu Siloxanen gemäß



wobei R = H, Halogen, organischer Rest, OSiR3. Die Kondensation führt bei Einsatz von Silandiolen zu kettenförmigen Polymeren und ermöglicht im Falle der Silantriole den Aufbau zwei- oder dreidimensional vernetzter P. Die Silanole werden durch Hydrolyse entsprechender Alkylchlorsilane gewonnen und üblicherweise ohne Isolierung in die Polymeren übergeführt, z. B.



Abhängig von den Hydrolysebedingungen enthält das Produktgemisch neben langkettigen Verbindungen auch bestimmte Anteile cyclischer Polysiloxane, vor allem Hexamethylcyclotrisiloxan -[(CH3)2SiO-]3 und Octamethylcyclotetrasiloxan -[(CH3)2SiO-]4. Trimethylchlorsilan (CH3)3SiCl (im Chlorsilangemisch enthalten), das nur monofunktionell reagieren kann, bewirkt den Kettenabbruch. Das Konzentrationsverhältnis Dimethyldichlorsilan/Trimethylchlorsilan bestimmt folglich die Länge der Polysiloxankette und damit in entscheidendem Maße die Eigenschaften des Polymeren. Enthält das zu hydrolysierende Chlorsilangemisch Methyltrichlorsilan CH3SiCl3 oder sogar Siliciumtetrachlorid SiCl4, so resultieren entsprechend vernetzte P. (Abb. 1) Werden im Gemisch mit den Methylchlorsilanen andere Chlorsilane, z. B. Phenylsilane, eingesetzt, so führt das zum Einbau dieser Substituenten in die Polysiloxankette und zu einer weitgehenden Modifizierung von deren Eigenschaften.



Polyosiloxane. Abb. 1: Vernetzte Polysiloxane.

Herstellung und Verarbeitung. Die technische Gewinnung der monomeren Methylchlorsilane erfolgt in einer Direktsynthese nach dem Müller-Rochow-Verfahren, indem Methylchlorid in Gegenwart eines Kupferkatalysators bei 250 bis 300 °C mit Silicium umgesetzt wird. Aus dieser Reaktion resultiert ein in seiner Zusammensetzung von den konkreten Arbeitsbedingungen abhängiges Produktgemisch, das durch sorgfältige, infolge der nahe beieinanderliegenden Siedepunkte der Komponenten aufwendige Fraktionierung getrennt wird. Durchschnittlich erhält man dabei 80 % Dimethyldichlorsilan, (CH3)2SiCl2, Kp. 70,2 °C. Für die nachfolgende Hydrolyse wird üblicherweise reines Dimethyldichlorsilan eingesetzt und ein OH-Endgruppen enthaltendes Polykondensat gewonnen, das entweder direkt der Weiterverarbeitung zu Siliconölen oder Siliconkautschuk zugeführt wird, oder es werden zunächst die Cyclopolysiloxane destillativ abgetrennt und isoliert.

Je nach Wahl der Ausgangsstoffe und Zwischenprodukte sowie nach der Art der Weiterverarbeitung entstehen flüssige (ölartige), feste (harzartige) und elastische (kautschukartige) P. Allen P. gemeinsam ist neben ihrem wasserabweisenden Verhalten, ihrer Beständigkeit gegen viele Chemikalien und ihrer guten elektrischen Isolierfähigkeit die Unveränderlichkeit ihrer Eigenschaften innerhalb eines sehr großen Temperaturbereiches. Die Temperaturbeständigkeit der P. nimmt mit steigender Kettenlänge der organischen Reste ab. Die verhältnismäßig gute Resistenz gegenüber Säuren, Laugen und sonstigen angreifenden Substanzen läßt sich auf die Umhüllung der Siloxanketten mit den organischen Substituenten zurückführen. Da in den meisten Fällen die Substituenten alkanähnliche Gruppen sind, erklärt die Umhüllung auch das wasserabweisende Verhalten der P.

Siliconöle (Mr 1000 bis 150000) sind wasserklare, geruch- und geschmacklose Flüssigkeiten, die sich in Benzol, Benzin, Kohlenstofftetrachlorid und anderen organischen Lösungsmitteln lösen und in reiner Form im Bereich von etwa -70 bis +250 °C stabil sind. Sie sind chemisch inaktiv, neutral und wasserabweisend. Von Interesse sind besonders die Methylsiliconöle und die Methylphenylsiliconöle. Die Methylsiliconöle (Abb. 2a) weisen eine besonders geringe Abhängigkeit ihrer Viskosität von der Temperatur auf und zeigen sehr gute Komprimierbarkeit. Darauf beruht ihre Eignung als Brems- und Hydraulikflüssigkeit. In Form von Lösungen und wäßrigen Emulsionen dienen sie als Trenn- und Entformungsmittel in der kunststoff- und gummiverarbeitenden Industrie. Daneben werden sie als Zusatzstoffe für Polituren, Lackfarben und Anstrichmittel (Hammerschlageffekt), in der Medizin, Pharmazie und Kosmetik verwendet. Von Bedeutung ist ihr Einsatz als Imprägnierungsmittel für Textilien, Leder und Papier. Bei Textilien wird die Imprägnierung meist mit einer Knitterfestausrüstung verbunden. Die Methylphenylsiliconöle (Abb. 2b) liefern Hoch- und Tieftemperaturschmiermittel und nach Füllung mit Lithiumstearat eine Grundlage für Siliconschmierfette. Ferner verwendet man Siliconöle als Transformatoren- und Schalteröle, als Betriebsflüssigkeit in Diffusionspumpen, als Antischaum- und Flotationsmittel, als schmutzabstoßenden Zusatz zu Polier- und Fensterputzmitteln sowie als Wärme- und Kälteübertragungsflüssigkeiten. Durch Einarbeitung verdickend wirkender Komponenten (fein verteilte Kieselsäure, Talkum, Graphit, Metallseifen) erhält man Siliconfette, die vor allem als spezielle hochtemperaturbeständige Dichtungs- und Schmiermittel verwendet werden. Zur weiteren Verbesserung der Schmiereigenschaften kann Molybdän(IV)-sulfid zugefügt werden. Siliconharze sind Einbrennharze, die bei Temperaturen von etwa 250 °C ausgehärtet werden. Infolge ihrer guten Isolationseigenschaften sind sie besonders zum Vergießen und Einkapseln elektrischer und elektronischer Bauelemente geeignet. Einige Produkte, wie Vinyltrichlorsilicone und Vinyltriethoxysilicone, werden bei der Herstellung von glasfaserverstärkten Kunststoffen, und zwar als Bindemittel zwischen Glasfasern und organischen Harzen, eingesetzt. Aufgrund ihrer chem. Konstitution sind sie mit dem Glas und auch mit den organischen Harzen verwandt und können deshalb mit beiden eine enge Bindung eingehen. Vorstufen der Siliconharze, die Alkalialkylsiliconate, dienen als Bautenschutzmittel. Konz. Lösungen dieser Harze eignen sich zum Imprägnieren von Ziegeln, Beton und Mauerwerk; durch sie werden Eindringen von Wasser, Ausblühen von Salzen auf dem Mauerwerk und auch Schädigungen durch Frost verhindert. Große Bedeutung haben Siliconharz-Einbrennlacke (Lösungen von Siliconharzen in Toluol, Xylol und anderen Lösungsmitteln). Sie eignen sich als Isolierlacke (z. B. in Elektromotoren, Transformatoren und in der keramischen Industrie), als Bindemittel für Lackfarben und zur Herstellung wärmebeständiger Dämmstoffe in Verbindung mit Glasfasern. Durch Vulkanisation linearer Dimethylpolysiloxane mit Kettenlängen von 6000 bis 7000 Siloxaneinheiten (Mr bis 500000) erhält man Siliconkautschuk (Kautschuk).



Polysiloxane. Abb. 2: Siliconöle. R = CH3: Methylsiliconöl, R = C6H5: Methylphenylsiliconöl.

Das Überziehen von Oberflächen mit einem dünnen Siliconfilm bezeichnet man als Siliconisieren.

  • Die Autoren
Dr. Andrea Acker, Leipzig
Prof. Dr. Heinrich Bremer, Berlin
Prof. Dr. Walter Dannecker, Hamburg
Prof. Dr. Hans-Günther Däßler, Freital
Dr. Claus-Stefan Dreier, Hamburg
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Dr. Andreas Fath, Heidelberg
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Dr. Rudolf Friedemann, Halle
Dr. Sandra Grande, Heidelberg
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Dr. Günter Kraus, Halle
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Fachkoordination:
Hans-Dieter Jakubke, Ruth Karcher

Redaktion:
Sabine Bartels, Ruth Karcher, Sonja Nagel


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