Alternative Energien: Aus Gas mach Sprit
Riesige Dampfwolken steigen aus den Schloten von Svartsengi auf, einem geothermischen Kraftwerk 50 Kilometer südwestlich von Reykjavik. "Dieser Dampf ist Gold wert", erzählt K-C Tran, der Vorstandschef von Carbon Recycling International (CRI) ohne einen Hauch von Ironie. Denn abgesehen von nach faulen Eiern riechendem Schwefelwasserstoff enthält der Dampf vor allem Kohlendioxid.
Doch das Treibhausgas ist tatsächlich ein brauchbares Rohmaterial, denn man könne es als Grundbaustein nutzen, um neue Treibstoffe zu erzeugen, erklärt Tran. Damit ließen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Auf der einen Seite reduziert man damit die CO2-Emissionen, die als wichtiges Treibhausgas zur Erderwärmung beitragen. Und gleichzeitig liefert die Technik womöglich einen Ausweg, um die drohende Verknappung fossiler Energieträger zu kompensieren.
CRI bemüht sich, beide Ziele mit einem wegweisenden Politprojekt zu erreichen: Es soll CO2 aus den Abgasen des Kraftwerks filtern und dann über Pipelines zur nahe gelegenen Produktionsanlage bringen. Die Fabrik besteht aus einem hässlichen Betonblock, der sich zwischen kahles Lavagestein duckt und kaum die Fläche eines Fußballplatzes bedeckt. Über ihm ragt ein Gewirr aus Stahlrohren auf. Doch genau in diesem Teil der Anlage wird das Treibhausgas in erneuerbares Methanol umgewandelt, indem es mit Wasserstoff synthetisiert wird: Kürzlich sprudelten die ersten Liter des Alkohols aus den Hähnen der Fabrik. Momentan kann CRI etwa zwei Millionen Liter Treibstoff pro Jahr produzieren, doch soll die Kapazität bald auf fünf Millionen Liter steigen.
Das Methanol-Rezept
Viele Jahre lang haben sich Forscher bis auf das Zahnfleisch daran abgearbeitet, um Kohlendioxid effizient in erneuerbare Treibstoffe umzuwandeln. Bislang hielten die Methoden dem Praxistest nicht stand, da sie enorme Energiemengen verschlingen. Laut Tran hat CRI nun aber eine ganze Reihe an technischen Problemen überwunden und einen Weg gefunden, diese Reaktion marktreif zu machen.
Zu Hilfe kam den Technikern die Natur: Zu den großen Vorteilen des isländischen Projekts gehört, dass das aufgefangene Kohlendioxid aus einer geothermischen Quelle stammt und daher fast völlig rein ist. Seinen einzigen Nachteil bildet der fünfprozentige Schwefelwasserstoffgehalt, doch lässt sich dieses Gas leicht durch Filtersysteme entfernen. Das Kohlendioxid selbst hat zudem die unvorteilhafte Eigenschaft, dass es sehr reaktionsträge ist und deshalb eine größere Energiezufuhr nötig ist, um es anzuregen. "Wir mussten erst einen effektiven Reaktionsweg entwickeln, um CO2 mit Wasserstoff zusammenzubringen und dann das Produkt zu komprimieren", erklärt Tran. Der Wasserstoff entsteht durch Elektrolyse aus geothermischem Wasser – was ebenfalls riesige Strommengen schluckt.
Das entstehende Synthesegas wird dann mit Hilfe eines Katalysators auf Kupferbasis zu Methanol weiterverarbeitet. Normalerweise wird Synthesegas aus Kohlenmonoxid hergestellt – im Fischer-Tropsch-Verfahren –, weshalb die gegenwärtigen Katalysatoren für diesen Reaktionsweg optimiert sind. Und deshalb hat CRI den neuen Reaktionsbeschleuniger entwickelt, der spezifisch auf CO2 angepasst ist, aber keine unerwünschten Nebenprodukte wie Methan freisetzt. "Das war die größte Herausforderung unserer Arbeit", so Tran, dessen Firma während der Entwicklungsphase unter anderem Unterstützung von George Olah bekam, dem Nobelpreisträger für Chemie 1994 – die neue Produktionsanlage trägt ehrenhalber seinen Namen.
Grün und billig
Gegenwärtig muss man für einen Kilometer Autofahrt 1,9 Megajoule Energie aufwenden, wenn man Benzin mit zehnprozentigem Methanolanteil verbrennt, bei Superbenzin mit einer fünfprozentigen Ethanolbeimischung – trotz E10 immer noch der gängigste Sprit in Deutschland – sind es dagegen 2,14 Megajoule. Und auch die CO2-Emissionen pro Kilometer fallen niedriger aus: Sie liegen bei 148 statt 164 Gramm. Allerdings ist auch die Energiedichte des Methanols geringer, weswegen sich auf die Gesamtfahrleistung bezogen ein etwas höherer Verbrauch ergibt. Da Erdöl zukünftig jedoch mehr und mehr aus problematischen Quellen wie der Tiefsee oder aus schmutzigen Teersanden gewonnen wird, dürfte sich die Ökobilanz dennoch zu Gunsten des Methanols verbessern, da sich der Energieaufwand für die Förderung von Erdöl zunehmend vergrößert.
Als weiterer Pluspunkt betreibt CRI die Fabrik mit Geothermie – eine sehr preisgünstige erneuerbare Energiequelle auf Island. Sorgsam ausgenutzt, bleibt das unterirdische Wärmereservoir lange Zeit aktiv und können heißes Wasser und Dampf über Jahrzehnte angezapft werden. Dabei gelangt zwar ebenfalls Kohlendioxid in die Umwelt, doch setzen isländische Geothermieanlagen sechsmal weniger Treibhausgas frei als die modernsten Kohlekraftwerke. Die Firma produziert daher ebenso grün wie kostengünstig. "Solange der Preis pro Barrel Rohöl über 55 Dollar liegt, ist unser Methanol konkurrenzfähig", freut sich Tran, dessen Arbeitgeber das Methanol zum gleichen Preis wie das Öl verkauft, da es dieses teilweise ersetzt.
Bemerkenswert ist auch, dass die Anlage ohne staatliche Subventionen errichtet werden konnte. Zwei isländische Risikokapitalgeber und 20 kleinere Investoren bezuschussten das 15 Millionen Dollar teure Bauvorhaben – darunter auch eine isländische Bank, die während der Finanzkrise zusammenbrach. Dennoch gelang die Finanzierung, auch wenn es schwierig war, wie Tran offen zugibt.Konstanter Nachschub
Kohlendioxid, das aufgefangen, in neuen Treibstoff umgewandelt wird und schließlich nach der Verbrennung wieder in die Atmosphäre gelangt, bleibt "im System": Es wird nicht der Atmosphäre entzogen und damit dessen Gehalt dort gesenkt. Indem es aber quasi wiederverwendet wird, um damit Treibstoffe herzustellen, sinkt die Menge an neu gefördertem Erdöl. Und das sorgt letztlich dafür, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre weniger stark steigt und im Idealfall sogar stabil bleibt.
"Immer mehr Staaten konkurrieren um die begrenzten Ölvorräte", konstatiert Tran, während schon wieder ein großer Geländewagen im Hintergrund vorbeifährt. "Der Ölpreis steigt daher weiter. Kohlendioxid dagegen ist ein stabil verfügbarer Rohstoff. Praktisch unsere gesamte industrielle Produktion setzt es frei und daher können wir überall darüber verfügen." Neben Kraftwerken erzeugen auch Ethanolhersteller, Brauereien oder Zementwerke das Gas, was sie alle zu geeigneten Zulieferern macht. Die Emissionen von Zementherstellern beispielsweise bestehen zu mindestens 20 Prozent aus CO2, was "großartig für unsere Technik ist". Denn bei kleineren Konzentrationen steigt der Energieverbrauch für die Umwandlung in verwendbares Rohmaterial in unrentable Dimensionen.
Große Ziele
Vor Ort auf Island kann Tran erst einmal erleichtert aufatmen: Nach zwei Jahren Planungs- und Bauzeit hat die erste Treibstofffabrik ihren Betrieb aufgenommen. Gegenwärtig nutzt sie zwar nur fünf Prozent des vom Svartsengi-Kraftwerk freigesetzten CO2, doch haben die Macher von CRI große Ziele. Sie wollen zwei weitere, größere Anlagen mit einer Kapazität von je 50 Millionen Litern Methanol jährlich aufstellen – beide in unmittelbarer Nähe von geothermischen Kraftwerken.
Und auch international soll das Konzept zum Einsatz kommen. Mittlerweile unterzeichneten die Manager unter anderem eine Kooperation mit dem australischen Unternehmen Altona Energy, an deren Ende ebenfalls eine Anlage mit einer Kapazität von 100 Millionen Liter stehen soll. Kohlendioxid und Wasserstoff stammen hier aus der Umwandlung von Kohle in Diesel. Und da die Elektrolyse von Wasser in diesem Fall nicht nötig ist, kostet die Erzeugung des Methanols auch weniger Strom.
Jedes Produkt benötigt jedoch auch seine Kunden. Im Fall von CRI nehmen ein isländischer Treibstoffhändler und eine Sicherheitsfirma den Stoff ab: Beide haben monatelang das Methanol als dreiprozentige Beimischung in ihren Fahrzeugen getestet. Solange es gesetzlich untersagt bleibt, mehr als diese drei Prozent unter den normalen Kraftstoff zu mengen, muss die Firma aber den zukünftigen Produktionszuwachs exportieren – etwa nach Großbritannien, wo ein großer Biotreibstoffhändler Interesse zeigt.
Technischer Fortschritt
Gleichzeitig soll der Herstellungsprozess weiter optimiert und verbessert werden: So könnte überschüssiger Strom aus Wind- und Solarkraft, der zu Spitzenzeiten der beiden Energieträger anfällt, in der Treibstoffherstellung eingesetzt werden. Bislang existieren keinerlei geeignete Speichermedien, weshalb dieser Überschuss entweder zu billig auf den Markt kommt oder durch Abschaltung der Anlagen eingedämmt wird.
Zusätzlich geht CRI auch das Problem übermäßig anfallender Biomasse an: Zurzeit prüfen die Ingenieure in einem Labor am Stadtrand von Reykjavik, wie sich das Material besser in ein Synthesegas umwandeln lässt, das aus Kohlenmonoxid, Wasserstoff und etwas Kohlendioxid besteht. Am Ende soll eine Reaktionskette stehen, die Biomasse und Kohlendioxid direkt in einer einzigen Anlage in Methanol überführt. Der gesamte Sauerstoff, der bei der Elektrolyse von Wasser austritt, dient dann der Vergasung der Biomasse. Bei der Weiterverarbeitung des auf Kohlenmonoxid basierenden Synthesegases zu Methanol entsteht CO2, das dann als weiteres Rohmaterial für eine zweite Synthese dient, aus dem erneut der gewünschte Alkohol erzeugt wird.
Momentan schweigt sich das Unternehmen noch zu den Details ihrer technischen Innovationen aus, bis die Massenproduktion beginnen kann. Tran hofft zudem auf Fahrzeuge, die flexibel betankt werden können und problemlos höhere Mengen an zugefügten Biokraftstoffen verkraften – bis zu 85 Prozent Beimischung Ethanol oder Methanol sollen dann möglich sein: "Für uns öffnet sich ein völlig neues Kapitel."
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