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Das andere Ägypten: Die Pyramiden der schwarzen Pharaonen

Alljährlich befördert eine florierende Tourismusindustrie Tausende Bildungshungriger zu den großartigen Ruinen ägyptischer Vergangenheit. Doch während sich die Pyramiden von Gizeh und das Tal der Könige großer Beliebtheit erfreuen, wissen nur wenige Reisende um die Grabmäler der Schwarzen Pharaonen im heutigen Sudan.
Dort lag einst das in der Bibel Kush genannte afrikanische Königreich. Ägypter nannten es Ta-seti; das bedeutet „Bogenland“ und spielt auf die Fertigkeiten seiner Schützen an. Der griechische Geograph Strabon prägte vor rund zweitausend Jahren schließlich den heute gebräuchlichen Namen »Nubien«. Seine Geschichte war Jahrtausende lang eng mit der Ägyptens verknüpft, wie „Abenteuer Archäologie“ in seiner Erstausgabe berichtet. Noch heute gibt das am Oberlauf des Nil, zwischen dem ersten und vierten Katarakt gelegene Land den Forschern Rätsel auf.

Nubien verfügte über große Goldvorkommen und zog Gewinn aus seinen Handelswegen nach Zentralafrika. Immer wieder schickten die Pharaonen deshalb Truppen gen Süden, bis Thutmosis III.. (1479 – 1426 v. Chr.) ganz Nubien erobert hatte. Doch obwohl Ägypten das Land ausplünderte, bot es doch auch Vorteile: Viele Nubier verdingten sich dort als freie Arbeiter oder dienten im Heer. Die Pharaonen entwickelten zudem eine rege Bautätigkeit in ihrer afrikanischen Provinz, allen voran Ramses II. (1279 – 1213 v. Chr.), dessen Felstempel von Abu Simbel weltweit Berühmtheit erlangt haben. Die „Ägyptisierung“ ging soweit, dass in Ta-seti ägyptische Götter wie Amun verehrt wurden.

Doch wann immer die militärische Macht des Pharaonenstaates schwand, entwickelte Nubien Unabhängigkeit. Mehr noch: Anfang des achten Jahrhunderts vor Christus brachte der nubische König Piye Ägypten unter seine Kontrolle und begründete die 25. Dynastie der Schwarzen Pharaonen. Nach Ansicht von Experten sahen sich diese Herrscher tatsächlich als rechtmäßige Erben der Pharaonen und trugen diesen Titel. So mag es nicht verwundern, dass sie die Tradition des Pyramidenbaus für Nubien wieder entdeckten. Doch entstanden dort keineswegs getreue Kopien der berühmten Bauwerke von Gizeh und Dahschur: Die nubischen Varianten sind sehr viel steiler, maximal rund 50 Meter hoch und sie stehen in dichten Gruppen beieinander. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden sie archäologisch untersucht. Dabei zeigte sich ein weiterer Unterschied zu den ägyptischen Pyramiden: Die nubischen Monumente enthielten keine Grabkammern! Diese waren vielmehr in den Felsen darunter eingehauen worden. Offenbar dienten diese Pyramiden als überdimensionale Grabsteine, errichtet zu Ehren verstorbener Herrscher.

Deren Lebens- und Regierungszeiten geben den Archäologen noch viele Rätsel auf. Die meisten Herrschernamen kennt man nur von beschrifteten Beigaben in ihren Gräbern. Häufig machen diese Texte Angaben zur Erbfolge wie „Sohn von..“ Mitunter lassen sich Namen auf die pharaonische Geschichte oder gar auf Berichte römischer Historiker beziehen, was exakte Jahreszahlen ermöglicht. Doch eine Rekonstruktion der Herrscherabfolge wird immer wieder auch durch neue Funde in Frage gestellt.

Wer die nubischen Pyramiden kennen lernen will, hat die Wahl zwischen vier Hauptorten. Drei davon befinden sich im Umfeld des Gebel Barkal, des “Reinen Berges”, mehr als tausend Kilometer stromaufwärts von Assuan. Sein einzigartiges Merkmal ist eine eindrucksvolle, rund 75 Meter hohe Felsnadel. Der vierte Ort, Meroe, kennzeichnet den Niedergang der 25. Dynastie. Gegen Ende des sechsten Jahrhunderts vor Christus war erneut ein ägyptisches Herrschergeschlecht an die Macht gekommen und hatte die Schwarzen Pharaonen vertrieben. Daraufhin verlegten die nubischen Könige ihre Hauptstadt und etwa um 270 v. Chr. auch ihre Grabstätten weiter Richtung Süden. In Meroe sollte die Tradition des Pyramidenbaus für mehr als 700 Jahre fortdauern.

Abdruck honorarfrei bei Quellenangabe: epoc, 1/2004
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