Energiepolitik: Energiewende in der Sackgasse?!
Zwei Jahre nach der abrupten Wende der deutschen Energiepolitik beginnen die Zweifel an der Umsetzbarkeit dieser Herkulesaufgabe zu wachsen. Während die Ziele prinzipiell noch unterstützt werden, halten die Bundesbürger und noch stärker die Wirtschaft laut Umfragen die bisherigen Ergebnisse für mangelhaft. "Hohe Kosten und geringen Nutzen", mahnt beispielsweise Peter Löscher, der Vorstandsvorsitzende von Siemens, der lange die Energiewende unterstützt hat. Viele Bundesbürger befürchten weiter steigende Strompreise, die Bundesnetzagentur sieht die Versorgungssicherheit in Gefahr, der Chef der Deutschen Energie-Agentur Dena plädiert sogar für die Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG).
Was war geschehen? Die Ursache der Widersprüche liegt in zwei politischen Entscheidungen. Die eine geht auf die Verabschiedung des "Erneuerbare-Energien-Gesetzes" im Jahr 2000 durch die rot-grüne Mehrheit zurück. Es ist das Musterbeispiel eines planwirtschaftlichen Gesetzes: Um den Stromerzeugern aus Wind und Sonne ein geregeltes und sicheres Einkommen zu verschaffen, erfand der Bundestag eine neue Art der Subvention. In diesem Geschäft zwischen Politik sowie Solar-und Windstromunternehmen wurden die Kosten nicht dem Bundeshaushalt, sondern direkt dem Verbraucher auferlegt – ein Geschäft zu Lasten Dritter. Dem Strom aus Wind- und Solaranlagen wurde die Abnahme im Netz zu einem hohen Preis für 20 Jahre garantiert; die Eispeisung dieses Stroms ist "prioritär" und unabhängig vom Bedarf. Die idealen Bedingungen dieser Subvention führten zu einem explosionsartigen Ausbau der Solar- und Windanlagen, deren Betreiber im Jahr 2012 mit 20 Milliarden Euro Einspeisungsgebühr entlohnt wurden. Der so erzeugte Strom erbringt jedoch beim Verkauf an der Strombörse lediglich etwas mehr als fünf Milliarden Euro. Die Differenz trug der Verbraucher mit 5,3 Cent pro Kilowattstunde im letzten Jahr, vermutlich steigt diese Last im nächsten Jahr auf 7 Cent pro Kilowattstunde. Doch nicht nur die privaten Stromverbraucher, sondern auch die energieintensiven Industriezweige sind betroffen. Sie werden im Augenblick noch entlastet, werden ihre Produktion aber ins Ausland verlegen müssen, wenn die EEG-Kosten auch auf sie umgewälzt werden, wie es manche Parteien fordern.
Die zweite Entscheidung war der Beschluss des Bundestags, innerhalb einer sehr kurzen Frist von zehn Jahren auf die Nutzung der Kernenergie zu verzichten. Die Ethikkommission, deren handverlesene Mitglieder überwiegend aus Theologen, Soziologen, Philosophen, Risikoforschern, Juristen und Politikern, aber ohne Experten für Energieversorgung oder die volkswirtschaftlichen Folgen einer solchen Wende bestand, hatte diese zu kurze Frist für den Umbau unserer gesamten Energieversorgung empfohlen. Sie folgte so dem Wunsch der Politik. Die Sicherheit der Versorgung könne durch den Betrieb der bestehenden und der 22 neu geplanten Kohle- oder Gaskraftwerke gewährleistet werden. Die Kosten eines solchen gewaltigen Umbaus wurden nicht betrachtet, ebenso wenig die Emission von Kohlendioxid aus diesen Quellen.
Diese beiden Grundsatzentscheidungen passen nicht zusammen. Denn durch das EEG werden die bestehenden fossilen Kraftwerke gezwungen, um die Mittagszeit im Sommer, wenn es genügend Solarstrom gibt, die Kohle- und Gaskraftwerke abzuschalten, um sie dann wieder anzufahren, wenn keine Sonne scheint oder Windstille herrscht. Die hohe Effizienz dieser Kraftwerke wird so schlagartig auf null reduziert, was sicher keinen Beitrag zur effizienten Nutzung der Ressourcen darstellt. Auch die Fixkosten der Kraftwerke bleiben, so dass viele davon nicht mehr rentabel arbeiten können und abgeschaltet werden sollen. Die Welle der beabsichtigten Stilllegungen würde die Versorgungssicherheit im Winter akut gefährden, so dass die Bundesnetzagentur mit einem Gesetz droht, das den Unternehmen verbietet, die unrentablen Kraftwerke abzuschalten. Das muss deshalb sein, weil Wind und Sonne an vielen Tagen in den Winter- und Frühlingsmonaten unter Umständen wenig zur Stromversorgung beitragen.
Elektrischer Strom muss in dem Augenblick verwendet werden, in dem er erzeugt wird. Durch die neuen Stromquellen Windkraft und Fotovoltaik ändern sich die Verhältnisse. Windkraftwerke lieferten im Jahr 2012 ihre volle Nennleistung nur während durchschnittlich 4,6 Stunden am Tag und Fotovoltaikzellen während 2,3 Stunden am Tag. Andererseits muss der Strom aus diesen Quellen wegen des EEG-Gesetzes prioritär abgenommen werden.
Da die Erzeugung des Stroms aus Wind- und Solarenergie nicht mit dem zeitlichen Verlauf des Bedarfs übereinstimmt, wäre es notwendig, die überschüssige elektrische Energie wenigstens für die Dauer eines Tages zu speichern. Alternativ muss der Strom an die Nachbarstaaten verschenkt oder die Anlagen müssen abgeschaltet werden, gleichzeitig bekommen sie aber trotzdem die Gebühr für den nicht abgenommenen Strom.
Mit hoher Effizienz kann elektrischer Strom zurzeit nur in Pumpspeicherkraftwerken gespeichert werden. Die Kapazität der Anlagen in Sachsen, Bayern und im Schwarzwald reicht nur aus, um ein Fünftel des maximalen Tagesertrags aus Wind und Sonne zu speichern. Als alternative zukünftige Speichermöglichkeit wird daher die Elektrolyse von Wasser und die Umwandlung des erzeugten Wasserstoffs zu Methan sowie dessen Speicherung im existierenden Rohrleitungssystem und Verbrennung in einem Gaskraftwerk diskutiert. Diese Methode ("power-to-gas-to-power") ist allerdings sehr ineffizient; nur ein Drittel der eingesetzten Windkraftenergie steht am Ende als Elektrizität wieder zur Verfügung. Die technische Umsetzung steckt zudem noch in den Kinderschuhen.
Für die nächsten zehn Jahre wird es also keine Möglichkeit geben, relevante Mengen elektrischer Energie über mehrere Tage effizient zu speichern. Es bleibt bei der fluktuierenden Einspeisung der Wind- und Solarenergie nur die Möglichkeit, fossile Kraftwerke als regelbare Schattenkraftwerke zu betreiben, die bei überschüssiger Energie aus Wind- oder Solarkraft heruntergefahren werden und bei deren Ausfall als Reserve zur Verfügung stehen. Diese Betriebsweise der fossilen Kraftwerke ist ineffizient und unwirtschaftlich.
Was muss getan werden, um ein Scheitern der Energiewende zu vermeiden? Zum einen muss bald die prioritäre Einspeisung von Wind- und Solarstrom ins Netz im EEG beseitigt werden. Dies kann allerdings nur für neue Anlagen gelten. Die Stromnetze müssen entlastet werden, indem man die Betreiber von Solaranlagen verpflichtet, ihre am Tag gesammelte elektrische Energie selbst zu speichern und dezentral zu verwenden. Die geplanten Stromtrassen von der Nord- und Ostseeküste nach Süden müssen beschleunigt gebaut werden, und in den Industrieländern Bayern und Baden-Württemberg, die derzeit keine ausreichende Kapazität an fossilen Grundlastkraftwerken haben, gilt es, den Bau von Gas- und Kohlekraftwerken zu forcieren. Alternativ bleibt in zehn Jahren nur der Import von Strom aus Tschechien und Frankreich. Ohnehin wäre ein europäischer Stromverbund eine gute Möglichkeit, die Gefahren der Energiewende abzumildern.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.