Essay: Die Vermessung des Glücks
Ökonomen haben eine ganz spezielle Sicht auf den Menschen. Sie unterstellen, dass wir uns in allererster Linie um uns selbst sowie unsere nahen Verwandten kümmern, dass wir dabei überwiegend rational vorgehen und fast ausschließlich an einer möglichst guten Versorgung mit materiellen Gütern interessiert sind. In der radikalsten Variante entsteht so als Produkt mathematischer Idealisierung der Homo oeconomicus – ein seelenloser Geselle, der konsequent rational und rücksichtslos nur sein eigenes materielles Wohlergehen im Auge hat.
Auf Menschen dieses Typus beruhen mindestens 90 Prozent aller wirtschaftswissenschaftlichen Modelle. Ökonomen benutzen sie weltweit, um Märkte zu analysieren oder der Frage nachzugehen, wie Gesellschaften zu gestalten sind, um ihre knappen Ressourcen effizienter zu nutzen. Trotz der Idealisierung sind diese Modelle gleichwohl hilfreich. Immerhin können sie viele reale Phänomene erstaunlich gut erklären; zudem zeigt sich, dass die Annahme, Menschen verhielten sich vor allem eigennützig, doch relativ weit trägt.
Dennoch ist das ökonomische Verhaltensmodell (fachlich: "Rationalmodell") aus zwei Richtungen unter Beschuss geraten. Zum einen fand die experimentelle Verhaltensökonomie heraus, dass sich Menschen im Labor oft nur eingeschränkt rational verhalten:
- Sie lassen sich nicht nur vom Eigennutz leiten, sondern auch von altruistischen Motiven.
- Sie zeigen Sinn für Fairness, agieren gerne reziprok, also gemäß dem Motto "Wie du mir, so ich dir".
- Sie versuchen meist, allzu große Ungleichheiten zu vermeiden ...
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