Gravitation: Dunkle Materie in der Krise?
Die Schwerkraft im Universum stammt scheinbar nicht allein von sichtbarer Materie. Sind verborgene Teilchen wirklich die Erklärung oder stimmt doch etwas nicht mit Einsteins Gravitationstheorie?
"Warum sollte man an etwas glauben, das man nicht sehen, fühlen oder messen kann?" Was klingt wie die übliche Frage von Atheisten an Theologen, könnte auch einem Astrophysiker gelten, der gerade über die geisterhafte Dunkle Materie spricht. Seine Antwort würde lauten: "Wir sehen die Wirkung ihrer Schwerkraft!" Über große Entfernungen zieht ihr Einfluss scheinbar Sterne und Galaxien aufeinander zu – viel stärker als es deren eigene Gravitation könnte, die von ihrer sichtbaren Masse ausgeht. Zwei mögliche aber gleichsam unbequeme Lösungen dieses Problems konkurrieren seit Jahren miteinander: Entweder stimmen die bekannten Gesetze der Schwerkraft nicht und müssen erweitert werden oder im Universum verbirgt sich tatsächlich in unsichtbarer Form sechsmal mehr Masse als bis jetzt bekannt.
Die meisten Astronomen gehen heute von ihrer Existenz aus, spekulieren zugleich jedoch noch immer über mögliche Kandidaten für die verborgene Quelle der Schwerkraft: Kalter Staub, kleine Sterne, schwarze Löcher und Neutrinos waren letztendlich keine brauchbaren Lösungen, denn sie alle könnten bei Weitem nicht genug Masse aufbringen. WIMPs, Weakly Interactive Massive Particles, stehen derzeit hoch im Kurs. Doch diese Teilchen mit großer Masse, die kaum mit normaler Materie oder Strahlung interagieren, tauchen bisher nur in einigen neuen Theorien der Quantenphysik auf. Gäbe es sie tatsächlich, könnte das Universum in der Tat mit ihnen angefüllt sein, ohne das wir es bemerken.
Seltsame Zufälle
Derartige "Absprachen" zwischen sichtbarer und Dunkler Materie sind nicht völlig neu. Seit den 1990er Jahren bereiten kleine, diffuse Galaxien dem Modell der Zusatzteilchen Probleme. Denn auch sie rotieren viel zu schnell und müssten beinahe ausschließlich aus unsichtbarer Materie bestehen, um dies zu erklären. Warum gerade alle diese kleinen Sternsysteme so viel von ihr besitzen sollten, ist jedoch ungeklärt.
Tatsächlich scheint die Dunkle Materie immer nur dort in Erscheinung zu treten, wo die sich anziehenden Massen sehr klein oder weit entfernt sind. Massereiche Systeme wie der innere Bereich der Milchstraße bis zur Bahn unserer Sonne passen problemlos zu den bekannten Gesetzen der Gravitation und scheinen frei von versteckter Materie. Famaey und seine Kollegen untersuchten dies genauer und zeigten, dass Dunkle Materie in allen Sternsystemen nur ab derjenigen Entfernung vom Zentrum auftaucht, bei der die Anziehung der inneren Massen einen bestimmten Grenzwert unterschreitet. Dies spricht für Famaey stark dafür, dass nicht unser Wissen um den Inhalt des Universums unvollkommen ist, sondern unsere heutigen Theorien der Gravitation. Zwar stimmt: Je weiter zwei Massen voneinander entfernt sind, umso schwächer ziehen sie sich an. Aber offenbar geht es nicht unbegrenzt so weiter. Bei sehr großen Entfernungen von tausenden Lichtjahren nimmt dieser Rückgang womöglich langsam ab, so dass sich Massen dann stärker anziehen als bisher bekannt. Das würde die Beobachtungen erklären, auch ohne dass eine rätselhafte neue Art von Materie nötig wäre.
Das Puzzle passt nicht zusammen
Ein besseres Gravitationsgesetz zu erfinden, klingt einfacher als es ist. Schon im Jahr 1983 veröffentlichte Mordehai Milgrom eine Gleichung, welche die Bewegungen innerhalb von Galaxien inklusive der diffusen Zwergsysteme beschreiben konnte. Sie funktioniert jedoch wiederum nicht für die Vorgänge in Galaxienhaufen. Auch weiterentwickelte Versionen dieser Theorie und neue Ansätze aus der Quantengravitation konnten bis jetzt nicht alle Beobachtungen erklären.
Wären tatsächlich die Gesetze der Schwerkraft selbst für all diese Phänomene verantwortlich, so hätte die Physik sie noch lange nicht verstanden; eine entsprechende Theorie wäre sicherlich sehr kompliziert. Auf der anderen Seite müssten auch die Fürsprecher der Dunklen Materie erst noch beweisen, dass die vorgeschlagenen Teilchen existieren und wie sie einerseits so wenig und andererseits so präzise mit unserer sichtbaren Welt verbunden sind. Vielleicht ist die letztliche Lösung sogar eine Mischung aus beiden Ansätzen. Bis dahin ist die Existenz Dunkler Materie wohl mehr denn je eine Frage des Glaubens.
Der Astronom Fritz Zwicky stieß im Jahr 1932 erstmals auf die übergroße Anziehung, ohne die er nicht erklären konnte, was Galaxien trotz ihrer schnellen Bewegung in Gruppen zusammenhält. Wirklich beachteten Astronomen das Phänomen jedoch erst, als Vera Rubin in den späten 1960er Jahren zeigte, dass die Außenbereiche aller Scheibengalaxien sich deutlich schneller drehen als berechnet. Dies wäre nur durch eine starke, nach innen gerichtete Kraft möglich. Um das jedoch mit Schwerkraft zu erklären, müsste zum Beispiel die Milchstraße rund 20- mal mehr Masse besitzen, als in Form von Sternen, Gas und Staub sichtbar ist. Da diese Masse also offenbar kein Licht aussendet, erhielt sie den Namen Dunkle Materie.
Die meisten Astronomen gehen heute von ihrer Existenz aus, spekulieren zugleich jedoch noch immer über mögliche Kandidaten für die verborgene Quelle der Schwerkraft: Kalter Staub, kleine Sterne, schwarze Löcher und Neutrinos waren letztendlich keine brauchbaren Lösungen, denn sie alle könnten bei Weitem nicht genug Masse aufbringen. WIMPs, Weakly Interactive Massive Particles, stehen derzeit hoch im Kurs. Doch diese Teilchen mit großer Masse, die kaum mit normaler Materie oder Strahlung interagieren, tauchen bisher nur in einigen neuen Theorien der Quantenphysik auf. Gäbe es sie tatsächlich, könnte das Universum in der Tat mit ihnen angefüllt sein, ohne das wir es bemerken.
Seltsame Zufälle
Das Problem der WIMPs ist jedoch, dass es der Theorie nach keinen Grund gibt, warum die nur lose über die Schwerkraft mit der sichtbaren Materie verbunden Teilchen immer wieder in gleichen Mischverhältnissen mit ihr auftauchen. Genau dies zeigte nun jedoch eine internationale Gruppe von Astronomen um Benoit Famaey von der Université de Strasbourg. In zahlreichen Galaxien verschiedener Größe stellten sie eine stets gleiche Beziehung zwischen der Dichte sichtbarer Masse im Zentrum und der weiter außen rechnerisch benötigten Dunklen Materie fest. [1] "Die Dunkle Materie scheint irgendwie viel zu genau zu wissen, wie die sichtbare Materie verteilt ist", kommentiert Famaey.
Derartige "Absprachen" zwischen sichtbarer und Dunkler Materie sind nicht völlig neu. Seit den 1990er Jahren bereiten kleine, diffuse Galaxien dem Modell der Zusatzteilchen Probleme. Denn auch sie rotieren viel zu schnell und müssten beinahe ausschließlich aus unsichtbarer Materie bestehen, um dies zu erklären. Warum gerade alle diese kleinen Sternsysteme so viel von ihr besitzen sollten, ist jedoch ungeklärt.
Tatsächlich scheint die Dunkle Materie immer nur dort in Erscheinung zu treten, wo die sich anziehenden Massen sehr klein oder weit entfernt sind. Massereiche Systeme wie der innere Bereich der Milchstraße bis zur Bahn unserer Sonne passen problemlos zu den bekannten Gesetzen der Gravitation und scheinen frei von versteckter Materie. Famaey und seine Kollegen untersuchten dies genauer und zeigten, dass Dunkle Materie in allen Sternsystemen nur ab derjenigen Entfernung vom Zentrum auftaucht, bei der die Anziehung der inneren Massen einen bestimmten Grenzwert unterschreitet. Dies spricht für Famaey stark dafür, dass nicht unser Wissen um den Inhalt des Universums unvollkommen ist, sondern unsere heutigen Theorien der Gravitation. Zwar stimmt: Je weiter zwei Massen voneinander entfernt sind, umso schwächer ziehen sie sich an. Aber offenbar geht es nicht unbegrenzt so weiter. Bei sehr großen Entfernungen von tausenden Lichtjahren nimmt dieser Rückgang womöglich langsam ab, so dass sich Massen dann stärker anziehen als bisher bekannt. Das würde die Beobachtungen erklären, auch ohne dass eine rätselhafte neue Art von Materie nötig wäre.
Das Puzzle passt nicht zusammen
Ein besseres Gravitationsgesetz zu erfinden, klingt einfacher als es ist. Schon im Jahr 1983 veröffentlichte Mordehai Milgrom eine Gleichung, welche die Bewegungen innerhalb von Galaxien inklusive der diffusen Zwergsysteme beschreiben konnte. Sie funktioniert jedoch wiederum nicht für die Vorgänge in Galaxienhaufen. Auch weiterentwickelte Versionen dieser Theorie und neue Ansätze aus der Quantengravitation konnten bis jetzt nicht alle Beobachtungen erklären.
Vor allem sprechen inzwischen nicht mehr nur die Bahnen von Objekten für unsichtbare Massen im All. Da die Schwerkraft auch Lichtstrahlen beeinflusst, verzerren nahe Objekte mit ihrer Anziehung die Bilder entfernter Galaxien und geben so indirekt die Form ihres Gravitationsfelds preis. Mit immer besseren Teleskopen erstellen Astronomen so sehr genaue Karten der Schwerkraft im Universum, in denen sich sämtliche sichtbare Materie offenbar tatsächlich mit einem weiten Saum unsichtbarer Zusatzmasse umgibt. Einige Kollisionszonen von Galaxienhaufen zeigen sogar Raumgebiete gänzlich ohne sichtbaren Inhalt, die trotzdem ein Schwerefeld besitzen, was bis heute als bester Beweis für unsichtbare Massen gilt.
Wären tatsächlich die Gesetze der Schwerkraft selbst für all diese Phänomene verantwortlich, so hätte die Physik sie noch lange nicht verstanden; eine entsprechende Theorie wäre sicherlich sehr kompliziert. Auf der anderen Seite müssten auch die Fürsprecher der Dunklen Materie erst noch beweisen, dass die vorgeschlagenen Teilchen existieren und wie sie einerseits so wenig und andererseits so präzise mit unserer sichtbaren Welt verbunden sind. Vielleicht ist die letztliche Lösung sogar eine Mischung aus beiden Ansätzen. Bis dahin ist die Existenz Dunkler Materie wohl mehr denn je eine Frage des Glaubens.
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