Ig-Nobelpreise 2013: Sternchen sehen
Man sollte immer wissen, wo's langgeht. Und wer es nicht weiß, fragt seine Navi. Was aber macht ein afrikanischer Dungkäfer, der sich gerade erfolgreich im Kotkügelchenkampf behauptet hat, nächtens, im Dunkeln, ganz ohne Mond und ganz ohne technisches Gerät? Er richtet sich nach dem hellen Band der Milchstraße, haben schwedische Forscher herausgefunden: "Dungkäfer blicken in die Sterne" (wir berichteten). Schlaues Insekt (was macht es eigentlich bei Wolken?). Und ein hervorragendes Beispiel dafür, dass Wissenschaft alles andere als knochentrocken ist. Solche Forschungsarbeiten der besonderen Art geraten alljährlich kurz vor den eigentlichen Nobelpreisen ins Rampenlicht: wenn die Verleihung der Ig-Nobelpreise ansteht – für Kurioses mit durchaus ernstem Hintergrund. Marie Dacke und ihre Kollegen jedenfalls ehrt die Jury dieses Jahr für ihre Käfererkenntnisse mit dem Ig-Nobelpreis für Astronomie und Biologie.
Tierisches im Blick hatten auch die Gewinner des Ig-Nobel-Wahrscheinlichkeitsforschungspreises: Bert Tolkamp und Kollegen beschäftigten sich mit der Auswertung von Kuhstandzeiten, die sich nutzen lassen sollen für Vorhersagen bezüglich Östrogenstatus, Krankheiten und sonstigem Wohlergehen. Zwei Hypothesen überprüften die Forscher, eine davon erwies sich als falsch: So steigt die Wahrscheinlichkeit des Aufstehens erwartungsgemäß mit der vorangegangenen Liegezeit, doch umgekehrt legen sich schon lange stehende Kühe nicht zwangsläufig eher hin als solche, die sich eben erst auf alle Viere gehievt hatten – Knobelinterpretationsstoff de luxe für weitere Publikationen.
Noch mehr Tierisches findet sich im Ig-Nobelpreis für Medizin, der die Erkenntnis ehrt, dass Musik von Verdi und Mozart die Heilung von Herztransplantierten fördert (Mäusen, wohlgemerkt), während sich Enya als nicht hilfreich erweist. Außerdem starteten Forscher mit Hilfe einer gekochten, ausgeweideten, zerteilten, aber nicht zerkauten Spitzmaus den heroischen Selbstversuch, welche Knochen in welchem Umfang eigentlich im menschlichen Verdauungstrakt angegriffen werden – anhand der eigenen Ausscheidungen: Der Ig-Nobelpreis für Archäologie war ihnen dafür sicher.
Nicht nur für Psychologen gut zu wissen: Wer zu tief ins Glas schaut, überschätzt die eigene Attraktivität – selbst wenn er mit Placeboalkohol geprellt wurde. Und wer im Zuge eines solchen Manövers davon träumt, über Wasser zu gehen, sollte einfach eine Tour zum Mond einplanen, gegebenenfalls allerdings mit vorheriger Diät: Rein rechnerisch könnten dort Personen von weniger als 73 Kilogramm dieses Kunststück bewältigen. Auf der Erde macht ihnen schlicht die Schwerkraft einen Strich durch die Rechnung.
Auch ein Sicherheitsingenieur wurde dieses Jahr bedacht, dessen Errungenschaft wie so mancher eigentliche Nobelpreis schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hat: 1972 meldete Gustano Pizzo in den USA ein Patent an für ein System, das Flugzeugentführern den Plan vereitelt: Im Flugzeug verteilte Falltüren sollten die Verbrecher von den Füßen holen, dann werden sie als Paket verschnürt und mit einem Fallschirm versehen zur Erde geschickt, wo sie die Polizei gezielt aufsammeln kann. Sollte derjenige allerdings in Weißrussland zu Boden gehen, sind sämtliche Augenzeugen angehalten, ja keinen Applaus zu spenden: Öffentlichen Beifall hatte Präsident Alexander Lukaschenko nämlich für illegal erklärt. Dafür bekommt er den Ig-Nobelpreis für Frieden – zusammen mit seinen Sicherheitskräften, die im Zuge des neuen Gesetzes einen einarmigen Mann verhaftet hatten.
Den Preis für Frieden verdient hätten sicher auch jene Mediziner, die sich um die beste Methode kümmerten, mit denen ein abgetrennter Penis wieder anzunähen ist – immerhin bekamen sie die Auszeichnung für öffentliche Gesundheit, was auch irgendwie stimmt. Wieso sie sich mit diesem Thema befassten? Thailand erlebte wohl Anfang der 1980er Jahre Entmannungen epidemischen Ausmaßes – ausgeführt von verärgerten Ehefrauen an ihren untreuen Ehemännern. Bereits damals sprachen die Wissenschaftler davon, das Ganze sei wieder eingedämmt. Die Erkenntnisse jedoch bleiben von anhaltendem Wert, sicherlich.
Weit alltagsnäher hingegen sind die Chemie-Ig-Nobelpreisträger mit ihrem Forschungsgegenstand: der tränenfreien Zwiebel. Im Jahr 2002 charakterisierten sie das dafür elementare Enyzm, die Lachrymatory-factor-Synthase (LFS). Und wie ein kurzer Blick in die wissenschaftliche Literatur zeigt, hat dies durchaus die Entwicklung der tränenfreien Zwiebel gefördert. Mal sehen, wann sie auf den Markt kommt.
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