Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Serie Krebs (II) | Chemotherapie: Nano-Arzneitransporter

Konventionelle Chemotherapien haben mitunter schwere Nebenwirkungen. Nanopartikel bieten möglicherweise einen Ausweg: Sie können althergebrachte Wirkstoffe an neue Zielorte bringen und so das gesunde Gewebe schonen.
Arzneimitteltransporter

Wenn Joseph DeSimone Medikamente mittels Nanotechnik herstellt, vergleicht er sich gern mit einem Bäcker. Er mischt Pharmaka mit chemischem "Kuchenteig", füllt die Mixtur in winzige "Backformen", lässt sie aushärten und löst anschließend die fertigen Stücke aus der Fassung. Er kann ihnen verschiedenste Formen geben: Scheiben, Würfel, lange Stäbchen, Kringel oder auch eine pollen-, viren- oder erythrozytenähnliche Gestalt. Einen Unterschied gebe es jedoch zum Bäcker, sagt DeSimone, Chemieingenieur an der University of North Carolina in Chapel Hill: Sämtliche Partikel, die er in einem Fertigungsprozess herstelle, seien untereinander völlig identisch – unabhängig vom jeweiligen Rezept.

Materialwissenschaftler und Chemiker, die mit Nanotechnologie arbeiten, sind kreativ und pedantisch zugleich. Die Möglichkeit, Partikel nach beinahe beliebigen Vorgaben auf den millionstel Millimeter genau herzustellen, versetzt sie in die Lage, die Funktionen der Teilchen äußerst präzise zu kontrollieren. DeSimones vielgestaltige Partikel können sich beispielweise durch Blutgefäßwände quetschen oder ins Innere eines Tumors hineinbohren. Und die Form ist nur eine von vielen Eigenschaften, die sich exakt vorgeben lassen. Nanopartikel mit spezifischer stofflicher Zusammensetzung, Größe oder Oberflächenladung können Wirkstoffe an bisher nicht erreichbare Orte transportieren und sie damit für neue Anwendungen zugänglich machen. Solche Wirkstoffträger dringen hochselektiv in Tumorgewebe ein oder schützen ihre therapeutische Fracht davor, noch vor dem Erreichen des Ziels abgebaut zu werden.

Damit haben Medikamente auf Basis von Nanotechnik das Potenzial, eines der größten Probleme der Krebsmedizin zu lösen: hinreichende Mengen eines Arzneistoffs an die gewünschte Stelle im Körper zu bringen, und zwar möglichst ohne Nebenwirkungen oder Resistenzen hervorzurufen. Je mehr die Forscher über das Mikromilieu von Tumoren herausfinden und je besser sie lernen, Trägerpartikel im Nanometermaßstab zu entwickeln und herzustellen, desto näher kommen sie diesem Ziel. Dabei setzen sie manchmal Ansätze um, die bisher unrealisierbar schienen – etwa Wirkstoffe, die ihre Eigenschaften verändern, je nachdem, wo im Körper sie sich befinden. Oder Präparate, die auf ein Zielprotein wirken, das zuvor als pharmakologisch nicht beeinflussbar galt. Einige Labors arbeiten daran, Prinzipien aus der Robotertechnik und den Computerwissenschaften auf Medikamente zu übertragen. So sollen Nanopartikel mit Arzneimittelfracht untereinander kommunizieren, mit dem Ziel, dass sie sich stärker im Tumor anreichern.

Medizinische Verfahren auf Basis von Nanotechnologie haben sich in der Krebsmedizin bisher vor allem dadurch bewährt, dass sie potenziell giftige Wirkstoffe von gesundem Gewebe fernhielten, meint Rakesh Jain. Der Tumorbiologe arbeitet am Massachusetts General Hospital in Boston (USA) und ist an verschiedenen Pharmafirmen beteiligt. Viele Arzneien, erläutert Jain, seien zu giftig, um ...

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Ein langes Leben ist kein Zufall

Wie schafft man es, besonders alt zu werden und dabei fit und gesund zu bleiben? Die Altersforscherin Eline Slagboom weiß, welche Faktoren wir beeinflussen können - und welche nicht. Außerdem in dieser »Woche«: Wie Spannbetonbrücken einfach einstürzen können - und wie man das verhindern kann.

Spektrum - Die Woche – Warum bekommen so viele junge Menschen Krebs?

Krebs ist längst kein Altersleiden mehr. Die Zahl der Krebsdiagnosen bei jungen Menschen nimmt seit Jahren zu. Welche Gründe gibt es dafür? Wie weit ist die Forschung? Außerdem in der aktuellen »Woche«: Mit welchen Strategien es die Käfer schafften, so artenreich zu werden.

Spektrum Kompakt – Krebs verstehen

Mit zahllosen Arten und Behandlungsmöglichkeiten ist Krebs eine komplexe Erkrankung. Betroffene erhalten individuelle Therapiepläne, die an ihren jeweiligen Fall angepasst sind und stetig weiterentwickelt werden. In zukünftige Therapieansätze könnten jedoch auch Lösungen aus der Tierwelt einfließen.

  • Quellen

Douglas, S. M. et al.:A Logic-Gated Nanorobot for Targeted Transport of Molecular Payloads. In: Science 335, S. 831 – 834, 2012

Hrkach, J. et al.:Preclinical Development and Clinical Translation of a PSMA-Targeted Docetaxel Nanoparticle with a Differentiated Pharmacological Profile. In: Science Translational Medicine 4, 128ra39, 2012

Jain, R. K., Stylianopoulos, T.:Delivering Nanomedicine to Solid Tumors. In: Nature Reviews Clinical Oncology 7, S. 653 – 664, 2010

von Maltzahn, G. et al.:Nanoparticles that Communicate in vivo to Amplify Tumour Targeting. In: Nature Materials 10, S. 545 – 552, 2011

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.