Serie Rohstoffe: Wie lang reicht die Kohle?
Braun- und Steinkohle gehören zu den wichtigsten Energieträgern. Und doch könnten die nutzbaren Reserven früher erschöpft sein als gedacht, warnen manche Experten. Andere sehen den Förderpeak dagegen erst in einigen hundert Jahren.
Pro Woche geht in China mindestens ein Kohlekraftwerk ans Netz – die Staatsregierung setzt stark auf das "schwarze Gold": Es soll den rasch wachsenden Energiebedarf der aufstrebenden Wirtschaftsmacht decken und die Industrialisierung vorantreiben. Bis 2020 möchte das Reich der Mitte deshalb mehr als 400 große Kohlekraftwerke mit jeweils 1000 Megawatt Leistung errichten. Mit diesen Plänen bleibt Kohle auch mittelfristig der wichtigste Energieträger Chinas – womit die Nation weltweit bei Weitem nicht allein steht. "Insgesamt lieferte Kohle im Jahr 2008 ein knappes Drittel des weltweiten Primärenergieverbrauchs, womit sie die zweite Stelle hinter Erdöl einnahm. Bei der Stromerzeugung bildete die Kohle mit einem Anteil von mehr als 40 Prozent sogar den wichtigsten Energierohstoff", meint Sandro Schmidt, Wirtschaftsgeologe bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover.
Geschrumpfte Reserven
Laut ihrer Studie, welche die Forscher auch dem Deutschen Bundestag vorgelegt haben, seien die bekannten und in wirtschaftlich vertretbarem Rahmen abbaubaren Kohlevorkommen also deutlich kleiner als bislang angenommen. Eine Fehleinschätzung, die auf früheren, völlig überhöhten Schätzungen beruhe, so Zittel: "Durch die Öffnung nach Asien und Russland beispielsweise wurden bessere Daten verfügbar: Indien etwa hat seine Reserven um die Hälfte reduziert. Aber auch in Deutschland oder Polen wurden die Vorräte drastisch zusammengestrichen – hier zu Lande im Jahr 2002 um ganze 99 Prozent, was mit dem Kohleausstiegsbeschluss begründet wurde. Deshalb seien in die Statistik nur die Mengen übernommen worden, die bis zum Stichtag durch die Förderung erreichbar sind."
Eine Ansicht, der sich auch der Energieforscher Mikael Höök von der Universität in Uppsala anschließt: "Viele wichtige Kohleförderregionen befinden sich bereits in einer Phase des Produktionsrückgangs, weil die Vorkommen erschöpft sind. Oder sie stehen zunehmend Beschränkungen und anderen negativen Faktoren gegenüber, die die Erschließung neuer Lagerstätten erschweren." Dazu gehören Umweltgesetze, die beispielsweise landschaftsraubende Tagebaue untersagen, oder mangelnder Zugang zu Märkten wie im Fall einer großen Lagerstätte in Sibirien. "Von dort lässt sich die Kohle nur per Eisenbahn nach Europa transportieren, was verglichen mit Schiffen sehr kostspielig ist", bestätigt Ralf Littke von der RWTH Aachen.
Chancen für die deutsche Kohle?
Insgesamt sieht der Aachener Geologe die Situation bei der Kohle jedoch in einem deutlich rosigeren Licht und widerspricht den Pessimisten: "Es gibt keine Probleme mit den Vorkommen. Wir verfügen weltweit über sehr große Vorräte, deren statistische Reichweite in einer Größenordnung von mehreren hundert Jahren liegt. Wir sind aus meiner Sicht deshalb weit von einem Peak der Kohleproduktion entfernt." Sandro Schmidt von der BGR ergänzt dies: "Bezogen auf den Energiegehalt sind die bekannten Mengen weit größer als das gemeinsame Potenzial konventioneller Erdöl- und Erdgasressourcen. Eine in wenigen Jahren bevorstehende Krise durch eine geologisch bedingte physische Verknappung der Kohlevorräte können wir ausschließen. Gemessen am derzeitigen Verbrauch reichen allein die heute bekannten wirtschaftlich gewinnbaren Kohlevorräte weit über 100 Jahre."
Doch Chinas Energiehunger hat seinen Preis – national wie global. Denn die Förderung im Land selbst reicht nicht mehr aus, um den Binnenmarkt zu versorgen. "China ist an der Grenze: Das Land muss jetzt bereits mehr Kohle importieren, als es exportiert. Diesen Winter litten manche Regionen schon unter Kohlenot. Einige Kraftwerke verfügten nur noch über Reserven für zwei, drei Tage", merkt Werner Zittel von der Ludwig-Bölkow-Stiftung an. Ein Versorgungsengpass, der in das Bild passt, das der Wissenschaftler zusammen mit der Energy Watch Group für die Kohle entworfen hat: "Wir erwarten, dass bereits um das Jahr 2030 das Maximum der Kohleförderung erreicht wird, da sich die als Reserven berichteten Kohlevorräte während der letzten 20 Jahre halbiert haben – weit mehr, als es dem Verbrauch entsprechen würde."
Geschrumpfte Reserven
Laut ihrer Studie, welche die Forscher auch dem Deutschen Bundestag vorgelegt haben, seien die bekannten und in wirtschaftlich vertretbarem Rahmen abbaubaren Kohlevorkommen also deutlich kleiner als bislang angenommen. Eine Fehleinschätzung, die auf früheren, völlig überhöhten Schätzungen beruhe, so Zittel: "Durch die Öffnung nach Asien und Russland beispielsweise wurden bessere Daten verfügbar: Indien etwa hat seine Reserven um die Hälfte reduziert. Aber auch in Deutschland oder Polen wurden die Vorräte drastisch zusammengestrichen – hier zu Lande im Jahr 2002 um ganze 99 Prozent, was mit dem Kohleausstiegsbeschluss begründet wurde. Deshalb seien in die Statistik nur die Mengen übernommen worden, die bis zum Stichtag durch die Förderung erreichbar sind."
In den Vereinigten Staaten, dem zweitgrößten Erzeuger und weltgrößten Reservehalter, sei der Peak sogar schon erreicht, meint Werner Zittel: "Bis 2002 hat dort die Produktion zugenommen, seitdem nimmt sie ab. Die guten Zeiten sind also vorbei, und es wird immer schwieriger, qualitativ gute Kohle zu marktfähigen Preisen abzubauen." Zurückgegangen ist demnach vor allem die Förderung von Anthrazit und Steinkohle, die beide sehr hohe Energiegehalte haben, während die qualitativ schlechtere Braunkohle noch verstärkt gewonnen wird. Weitere Länder könnten bald folgen: "Dazu gehört zum Beispiel Südafrika, ein wichtiges Exportland, das seit drei Jahren die Ausfuhren trotz gestiegener Preise nicht mehr erhöhen konnte. Als Nächstes folgt Indonesien, wo es auch kaum mehr Spielraum nach oben gibt und wo in den nächsten fünf Jahren wohl die Exporte schrumpfen werden. Dabei ist das Land nach Australien der zweitgrößte Exporteur."
Eine Ansicht, der sich auch der Energieforscher Mikael Höök von der Universität in Uppsala anschließt: "Viele wichtige Kohleförderregionen befinden sich bereits in einer Phase des Produktionsrückgangs, weil die Vorkommen erschöpft sind. Oder sie stehen zunehmend Beschränkungen und anderen negativen Faktoren gegenüber, die die Erschließung neuer Lagerstätten erschweren." Dazu gehören Umweltgesetze, die beispielsweise landschaftsraubende Tagebaue untersagen, oder mangelnder Zugang zu Märkten wie im Fall einer großen Lagerstätte in Sibirien. "Von dort lässt sich die Kohle nur per Eisenbahn nach Europa transportieren, was verglichen mit Schiffen sehr kostspielig ist", bestätigt Ralf Littke von der RWTH Aachen.
Chancen für die deutsche Kohle?
Insgesamt sieht der Aachener Geologe die Situation bei der Kohle jedoch in einem deutlich rosigeren Licht und widerspricht den Pessimisten: "Es gibt keine Probleme mit den Vorkommen. Wir verfügen weltweit über sehr große Vorräte, deren statistische Reichweite in einer Größenordnung von mehreren hundert Jahren liegt. Wir sind aus meiner Sicht deshalb weit von einem Peak der Kohleproduktion entfernt." Sandro Schmidt von der BGR ergänzt dies: "Bezogen auf den Energiegehalt sind die bekannten Mengen weit größer als das gemeinsame Potenzial konventioneller Erdöl- und Erdgasressourcen. Eine in wenigen Jahren bevorstehende Krise durch eine geologisch bedingte physische Verknappung der Kohlevorräte können wir ausschließen. Gemessen am derzeitigen Verbrauch reichen allein die heute bekannten wirtschaftlich gewinnbaren Kohlevorräte weit über 100 Jahre."
Steigen die Preise, wie während der letzten Rohstoffhausse, als der Preis für die Tonne Kohle zwischen 2006 und 2008 von 40 auf 160 US-Dollar in die Höhe schoss, rentiert sich zudem die Suche nach neuen Lagerstätten und deren Erschließung. Ralf Littke möchte nicht einmal ausschließen, dass die europäische Steinkohle eine Renaissance erlebt: "Sobald der Preis stimmt, das auch politisch gewollt ist und die Rahmenbedingungen passen, wäre das neuerliche Anfahren des Abbaus in Polen, Deutschland oder Großbritannien sehr gut möglich." Immerhin gab es während des letzten Booms durchaus Pläne, sogar in Deutschland ein neues Kohlebergwerk zu eröffnen – für Kokskohle im Ruhrgebiet: Sie ist qualitativ sehr hochwertig und ein stark nachgefragter Rohstoff in der Stahlerzeugung. Erst die nachfolgende Weltwirtschaftskrise ab 2008 sorgte dafür, dass dieses Ansinnen vorerst wieder aufgeschoben wurde. Mit dem Ende der Flaute und dem dann vor allem in China und Indien wieder stark ansteigenden Bedarf dürften fallende Preise jedoch bald der Vergangenheit angehören, und die Kohle dürfte teurer werden. Ob deutsche Steinkohle trotzdem jemals ohne Subventionen für die Stromproduktion konkurrenzfähig wird, muss sich erst noch zeigen. "Der Preis müsste sich nochmals verdoppeln, damit sich der Abbau im Ruhrgebiet wieder lohnt", schätzt Littke. Andernfalls ist 2018 hier zu Lande trotz der noch vorhandenen beträchtlichen Reserven Schluss.
Für Werner Zittel beschleunigen steigende Kosten aber wohl eher den Wandel weg von der Kohle in der Energieerzeugung: "Die Importstaaten werden große Probleme bekommen, da sie mit extrem steigenden Preisen zu kämpfen haben werden – und das erhöht den Zwang, sich nach Alternativen umzusehen. Mittlerweile sage ich schon: Jede Investition in fossile Energieträger ist Zeitverschwendung." Eine Meinung, der Ralf Littke vehement widerspricht: "Auch wenn die deutsche Sicht eine andere ist und hier Kohle als klimaschädliche CO2-Schleuder angesehen wird, weltweit baut man dagegen sehr viele neue Kohlekraftwerke. Zusammen mit anderen fossilen Energieträgern produzieren sie 85 Prozent des primären Weltenergieverbauchs.
Dieser Beitrag ist Teil einer Serie zur "Zukunft der Rohstoffe". Weitere Beiträge werden sich u.a. mit Uran, seltenen Metallen und dem Potenzial von Recycling befassen.
Außerdem können Sonne und Wind nicht zu allen Zeiten Strom erzeugen – für Flauten oder bedeckten Himmel muss man also konventionelle oder nukleare Kraftwerke vorhalten. Und das noch auf lange Sicht."
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