Tagebuch: Meerschweinchen sind anders
Als Doktorandin erzählte ich einem mir bekannten Ehepaar, ich würde über das soziale Verhalten von Meerschweinchen forschen. Die sympathische, kluge Frau lachte herzlich darüber. Heimlich war ich beleidigt.
Unter Meerschweinchen stellen sich die meisten Menschen Kuschelobjekte vor, aber nicht ernstzunehmende Tiere mit sozialen Bedürfnissen wie andere Säugetiere auch. Doch diese Nager sollte man nicht unterschätzen.
Auch ich strebte als Studentin zunächst an, später mit "richtigen" Tieren zu arbeiten, am liebsten mit Affen. Dann aber lernte ich durch meinen Doktorvater Hubert Hendrichs an der Universität Bielefeld, dass sich Hausmeerschweinchen ideal eignen, um grundlegende Zusammenhänge des sozialen Verhaltens von Säugern zu erforschen. Hendrichs versammelte damals eine größere Arbeitsgruppe um sich, die sich traute, diese recht komplexen Prozesse wissenschaftlich zu hinterfragen, manche von uns durch Studien an Haus- und später auch an Wildmeerschweinchen.
Hausmeerschweinchen, diese einst in Südamerika domestizierten Nager, sind naturgemäß in der Haltung weniger empfindlich als nicht domestizierte Tiere, so dass man an ihnen gezielt bestimmte soziale Konstellationen untersuchen oder auch begleitend physiologische Daten erheben kann. Zudem steht leichter eine größere Anzahl zur Verfügung, die man oft benötigt, um wissenschaftliche Befunde zu Verhaltenserscheinungen abzusichern.
Schon damals am Lehrstuhl für Verhaltensforschung der Universität Bielefeld staunten wir über manches von dem, was wir entdeckten. Zum Beispiel spielen junge Meerschweinchen, wenn es ihnen gut geht, viel: Sie hopsen und rennen etwa scheinbar unermüdlich mit komischen Körperverrenkungen herum. Aber wie eifrig sie das machen, wird in den ersten Lebenswochen eklatant von der sozialen Situation ihrer Mutter beeinflusst – und zwar nicht etwa einfach von deren Rang, sondern unter anderem davon, wie verlässlich sich zum Beispiel ein unterdrücktes Muttertier den Jungen zuwendet.
Oder die Sozialisation: Um als Erwachsene mit Artgenossen adäquat umgehen zu können und von ihnen akzeptiert zu werden, benötigen Männchen in der Jugend soziale Erfahrungen mit ihrerseits sozial kompetenten erwachsenen Männchen.
Heute bewerten er wie auch andere Forscher die Meerschweinchen als Modellorganismus, an dem sich grundlegende soziale Vorgänge gut untersuchen lassen – vor allem auch, wenn man das Zusammenspiel mit physiologischen Prozessen verstehen möchte, wie es etwa die Stressforschung anstrebt. Zusammen mit seiner Kollegin Sylvia Kaiser beschreibt Sachser jetzt in der Januar-Ausgabe von "Spektrum der Wissenschaft" (Meerschweinchen als Sozialstrategen) einige ihrer Hauptbefunde. Dabei kommen auch Wildmeerschweinchen nicht zu kurz: verschiedene Arten aus Südamerika, von denen eine die wilde Stammart unserer Hausmeerschweinchen ist.
Übrigens: Der Kontaktruf, mit dem Hausmeerschweinchen den Halter "begrüßen" – mit dem sie besser gesagt Futter herbeirufen – ist an sich der Ruf der Jungtiere nach ihrer Mutter.
Adelheid Stahnke
Redakteurin
Unter Meerschweinchen stellen sich die meisten Menschen Kuschelobjekte vor, aber nicht ernstzunehmende Tiere mit sozialen Bedürfnissen wie andere Säugetiere auch. Doch diese Nager sollte man nicht unterschätzen.
Auch ich strebte als Studentin zunächst an, später mit "richtigen" Tieren zu arbeiten, am liebsten mit Affen. Dann aber lernte ich durch meinen Doktorvater Hubert Hendrichs an der Universität Bielefeld, dass sich Hausmeerschweinchen ideal eignen, um grundlegende Zusammenhänge des sozialen Verhaltens von Säugern zu erforschen. Hendrichs versammelte damals eine größere Arbeitsgruppe um sich, die sich traute, diese recht komplexen Prozesse wissenschaftlich zu hinterfragen, manche von uns durch Studien an Haus- und später auch an Wildmeerschweinchen.
Denn alle Säugetiere, wahrscheinlich auch die höheren Wirbeltiere, teilen offenbar viele der grundlegenden Mechanismen, ob körperlich oder psychisch, die ihr Verhalten und Befinden bestimmen. Gerade die Säuger, auch die allein lebenden, richten sich stets auf Artgenossen hin aus und führen ein differenziert geregeltes, auf verschiedenen Ebenen fein gesteuertes Sozialleben, dass die Forscher bis heute nur teilweise verstehen.
Hausmeerschweinchen, diese einst in Südamerika domestizierten Nager, sind naturgemäß in der Haltung weniger empfindlich als nicht domestizierte Tiere, so dass man an ihnen gezielt bestimmte soziale Konstellationen untersuchen oder auch begleitend physiologische Daten erheben kann. Zudem steht leichter eine größere Anzahl zur Verfügung, die man oft benötigt, um wissenschaftliche Befunde zu Verhaltenserscheinungen abzusichern.
Schon damals am Lehrstuhl für Verhaltensforschung der Universität Bielefeld staunten wir über manches von dem, was wir entdeckten. Zum Beispiel spielen junge Meerschweinchen, wenn es ihnen gut geht, viel: Sie hopsen und rennen etwa scheinbar unermüdlich mit komischen Körperverrenkungen herum. Aber wie eifrig sie das machen, wird in den ersten Lebenswochen eklatant von der sozialen Situation ihrer Mutter beeinflusst – und zwar nicht etwa einfach von deren Rang, sondern unter anderem davon, wie verlässlich sich zum Beispiel ein unterdrücktes Muttertier den Jungen zuwendet.
Oder die Sozialisation: Um als Erwachsene mit Artgenossen adäquat umgehen zu können und von ihnen akzeptiert zu werden, benötigen Männchen in der Jugend soziale Erfahrungen mit ihrerseits sozial kompetenten erwachsenen Männchen.
Mein früherer Kommilitone Norbert Sachser hat heute am Institut für Neuro- und Verhaltensbiologie der Universität Münster eine Professur für Zoologie. Als Student wurde er auf die besonderen Beziehungsstrukturen aufmerksam, die Hausmeerschweinchen ausbilden, wenn sie in größeren Gruppen leben. Daraus ergaben sich bald weitere Forschungsprojekte, bei denen Sachser unter anderem Stressreaktionen der Tiere an Bluthormonen wie Cortisol untersuchte.
Heute bewerten er wie auch andere Forscher die Meerschweinchen als Modellorganismus, an dem sich grundlegende soziale Vorgänge gut untersuchen lassen – vor allem auch, wenn man das Zusammenspiel mit physiologischen Prozessen verstehen möchte, wie es etwa die Stressforschung anstrebt. Zusammen mit seiner Kollegin Sylvia Kaiser beschreibt Sachser jetzt in der Januar-Ausgabe von "Spektrum der Wissenschaft" (Meerschweinchen als Sozialstrategen) einige ihrer Hauptbefunde. Dabei kommen auch Wildmeerschweinchen nicht zu kurz: verschiedene Arten aus Südamerika, von denen eine die wilde Stammart unserer Hausmeerschweinchen ist.
Übrigens: Der Kontaktruf, mit dem Hausmeerschweinchen den Halter "begrüßen" – mit dem sie besser gesagt Futter herbeirufen – ist an sich der Ruf der Jungtiere nach ihrer Mutter.
Adelheid Stahnke
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