Wissenschaftliches Rechnen: Die Wissenschaft von der menschlichen Bewegung
Haben Sie schon einmal einen Roboter auf zwei Beinen gehen sehen? Dann haben Sie sich wahrscheinlich gewundert, wie langsam und schwerfällig der ist. Und das liegt nicht an seinen Muskeln – die Stellmotoren bringen große Kräfte auf – und nicht an seinen mangelnden Sinnesfähigkeiten – seine Kameras und Kraftsensoren sind schneller und präziser als die entsprechenden Organe des Menschen. Es sind der Körperbau und das Gehirn, in denen der Maschinenmensch dem echten so himmelweit unterlegen ist.
Letzteres ist verwunderlich. Ein Computer ist doch so viel leistungsfähiger als das menschliche Gehirn. Wieso gelingt es nicht, ihn so zu programmieren, dass er läuft wie ein Mensch?
Solchen Fragen geht die Mathematikprofessorin Katja Mombaur vom Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) der Universität Heidelberg in einem groß angelegten Forschungsprojekt nach. Am Ende dieses Projekts steht vielleicht wirklich ein Roboter, der mit elegantem Schritt und ohne anzustoßen durch eine Menschenmenge läuft. Vom aktuellen, schon recht eindrucksvollen Stand der Forschung berichtet sie in der Juniausgabe von Spektrum der Wissenschaft.
Wenn man einen Roboter nach dem Ebenbild des Menschen programmieren wollte, müsste man zuerst wissen, wie ein Mensch geht. Und das ist überraschend schwierig. Sicher, man kann im Ganglabor mit Kameras und verschiedensten Sensoren jede Einzelheit der Bewegung präzise aufzeichnen. Nur kommt man damit nicht an die entscheidenden Daten, nämlich wann und mit welcher Kraft der Mensch welche Muskeln anspannt und wieder lockerlässt.
Katja Mombaur geht einen völlig anderen Weg. Sie unterstellt, dass der Mensch im Allgemeinen im Lauf der Evolution und jeder Mensch im Besonderen in seiner persönlichen Entwicklung Bewegungsformen gefunden hat, die in irgendeiner Weise optimal sind, zum Beispiel unter allen ähnlichen Formen den geringsten Energieaufwand erfordern. Diese optimale Bewegungsform zu finden ist eine Mathematikaufgabe von der Art, wie sie in der Abiturklausur gerne gestellt wird: Finde den Zaun, der bei vorgegebener Länge die maximale Fläche eingrenzt. Nur ist sie um Klassen schwieriger. Um auch nur einen Schritt bei der Lösung dieses Problems zu gehen, muss man ein anderes Problem lösen, und das immer wieder. Da hat der Computer eine Menge zu rechnen.
Aber er findet eine Lösung, und zwar ohne dass man ihm irgendwelche Erkenntnisse aus dem Ganglabor hätte mitteilen müssen. Es ist faszinierend: Wie von Zauberhand wählt der mathematisch modellierte Läufer dieselben Schrittlängen und Armbewegungen wie der echte, ohne dass er diesem je zugeschaut hätte. Die Bedingung "minimiere deinen Energieaufwand" reicht völlig aus. Das gilt auch für viel exotischere Bewegungsformen wie das Turmspringen. Man teilt dem "gedachten" Sportler nur mit, welchen Sprung (nach dem offiziellen Reglement) er ausführen soll, dazu Nebenbedingungen, die ein gerades und spritzfreies Eintauchen erzwingen und jede Berührung mit dem Sprungbrett – nach dem Absprung – verbieten. Und schon findet das Programm, dass der Springer in die Hocke gehen muss, damit durch das so verringerte Trägheitsmoment der Salto mit geringstmöglichem Energieaufwand gelingt.
Bis ein Roboter es den simulierten Menschen gleichtun kann, ist allerdings noch ein weiteres Problem zu lösen: das der Stabilität. Die Bewegung, die er ausführt, muss nicht nur energieoptimal, sondern auch robust gegen kleine Störungen sein; sonst fällt er um, weil er einen Kieselstein auf dem Weg übersehen hat. Der Mensch hat von Natur aus eine solche Stabilität. Diese ist allerdings nicht nur in seinen körperlichen Proportionen begründet, sondern auch in der Art und Weise, wie seine Muskeln durch die Nerven angesteuert werden.
Katja Mombaur befasst sich übrigens nicht nur theoretisch mit ihrem Thema. Wenn in Heidelberg mal wieder ein Halbmarathon angesagt ist, läuft sie nach Möglichkeit mit.
Solchen Fragen geht die Mathematikprofessorin Katja Mombaur vom Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) der Universität Heidelberg in einem groß angelegten Forschungsprojekt nach. Am Ende dieses Projekts steht vielleicht wirklich ein Roboter, der mit elegantem Schritt und ohne anzustoßen durch eine Menschenmenge läuft. Vom aktuellen, schon recht eindrucksvollen Stand der Forschung berichtet sie in der Juniausgabe von Spektrum der Wissenschaft.
Wenn man einen Roboter nach dem Ebenbild des Menschen programmieren wollte, müsste man zuerst wissen, wie ein Mensch geht. Und das ist überraschend schwierig. Sicher, man kann im Ganglabor mit Kameras und verschiedensten Sensoren jede Einzelheit der Bewegung präzise aufzeichnen. Nur kommt man damit nicht an die entscheidenden Daten, nämlich wann und mit welcher Kraft der Mensch welche Muskeln anspannt und wieder lockerlässt.
Katja Mombaur geht einen völlig anderen Weg. Sie unterstellt, dass der Mensch im Allgemeinen im Lauf der Evolution und jeder Mensch im Besonderen in seiner persönlichen Entwicklung Bewegungsformen gefunden hat, die in irgendeiner Weise optimal sind, zum Beispiel unter allen ähnlichen Formen den geringsten Energieaufwand erfordern. Diese optimale Bewegungsform zu finden ist eine Mathematikaufgabe von der Art, wie sie in der Abiturklausur gerne gestellt wird: Finde den Zaun, der bei vorgegebener Länge die maximale Fläche eingrenzt. Nur ist sie um Klassen schwieriger. Um auch nur einen Schritt bei der Lösung dieses Problems zu gehen, muss man ein anderes Problem lösen, und das immer wieder. Da hat der Computer eine Menge zu rechnen.
Aber er findet eine Lösung, und zwar ohne dass man ihm irgendwelche Erkenntnisse aus dem Ganglabor hätte mitteilen müssen. Es ist faszinierend: Wie von Zauberhand wählt der mathematisch modellierte Läufer dieselben Schrittlängen und Armbewegungen wie der echte, ohne dass er diesem je zugeschaut hätte. Die Bedingung "minimiere deinen Energieaufwand" reicht völlig aus. Das gilt auch für viel exotischere Bewegungsformen wie das Turmspringen. Man teilt dem "gedachten" Sportler nur mit, welchen Sprung (nach dem offiziellen Reglement) er ausführen soll, dazu Nebenbedingungen, die ein gerades und spritzfreies Eintauchen erzwingen und jede Berührung mit dem Sprungbrett – nach dem Absprung – verbieten. Und schon findet das Programm, dass der Springer in die Hocke gehen muss, damit durch das so verringerte Trägheitsmoment der Salto mit geringstmöglichem Energieaufwand gelingt.
Bis ein Roboter es den simulierten Menschen gleichtun kann, ist allerdings noch ein weiteres Problem zu lösen: das der Stabilität. Die Bewegung, die er ausführt, muss nicht nur energieoptimal, sondern auch robust gegen kleine Störungen sein; sonst fällt er um, weil er einen Kieselstein auf dem Weg übersehen hat. Der Mensch hat von Natur aus eine solche Stabilität. Diese ist allerdings nicht nur in seinen körperlichen Proportionen begründet, sondern auch in der Art und Weise, wie seine Muskeln durch die Nerven angesteuert werden.
Katja Mombaur befasst sich übrigens nicht nur theoretisch mit ihrem Thema. Wenn in Heidelberg mal wieder ein Halbmarathon angesagt ist, läuft sie nach Möglichkeit mit.
Abdruck honorarfrei bei Quellenangabe: Spektrum der Wissenschaft, Juni 2011
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