Neurobiologie: Sein oder nicht sein

1998 wiesen dann Neurobiologen in den USA und Schweden auch bei Menschen eine solche "adulte Neurogenese" im Gehirn nach (siehe Spektrum der Wissenschaft 7/1999, S. 32). Um die Nervenzellneubildung bei Nagetieren zu untersuchen, injizieren Forscher ihnen eine Substanz namens Bromdesoxyuridin (BrdU). Das Molekül markiert die Erbsubstanz sich teilender Zellen, wodurch sich die betreffenden Zellkerne im Mikroskop sichtbar machen lassen. Solche Untersuchungen brachten an den Tag, dass im Hippocampus einer Ratte täglich zwischen 5000 und 10 000 neue Nervenzellen entstehen. Wie viele Neurone sich pro Tag im menschlichen Gehirn neu bilden, ist noch unbekannt, denn BrdU kann Mutationen verursachen und eignet sich daher nicht für Experimente mit gesunden Menschen.
Dieser Nachschub erfolgt nicht automatisch und gleichmäßig, sondern hängt von verschiedenen Umweltfaktoren ab. Alkoholkonsum bremst beispielsweise die Produktion an Neuronen; Sport und andere körperliche Aktivitäten hingegen steigern sie. Ratten und Mäuse, die regelmäßig in einem Laufrad rennen, bilden bis zu doppelt so viele neue Zellen wie ihre Artgenossen, die ein beschaulicheres Leben führen. Sogar der Verzehr von Heidelbeeren scheint einigen Studien zufolge die Erneuerung im Rattenhippocampus zu fördern.
Allerdings: Ein Großteil des Nachwuchses stirbt binnen weniger Wochen ab. Weshalb treibt das Gehirn dann überhaupt den beträchtlichen Aufwand, neue Zellen herzustellen, wenn diese doch so rasch wieder verloren gehen? Unseren Experimenten mit Ratten nach zu schließen entstehen die Zellen einfach für den Fall, dass sie gebraucht werden. Werden die Tiere geistig gefordert...
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