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Klimapolitik: Der laue Kompromiss von Doha

Das Kyoto-Protokoll wurde bis 2020 verlängert - das einzig wirklich greifbare Ergebnis der Klimaschutzverhandlungen von Doha. Der Rest ist heiße Luft. Auch und gerade die Europäer haben keinen guten Eindruck während des Gipfeltreffens in Katar hinterlassen.
Daniel Lingenhöhl

Man hätte sich gewünscht, dass Abdullah Bin Hamad al-Attija früher zum Hämmerchen gegriffen und das Vertragsprotokoll von Doha durchgehämmert hätte. Erst am Samstagnachmittag nahm der katarische Gipfelpräsident dieses Werkzeug in die Hand und peitschte damit das verhandelte Gesamtpaket durch das Plenum der versammelten Weltgemeinschaft – allen restlichen Widerständen zum Trotz. Im Prinzip hätte al-Attija jedoch auch schon vor einer Woche den Hammer in die Hand nehmen und damit den Delegierten wie dem internationalen Publikum eine zähe Woche der Dauerverhandlungen ersparen können. Der laue Kompromiss von Doha wurde auch durch die letzten sieben Tage nicht substanzieller.

Denn wirklich zählbare Ergebnisse kamen in den zweiwöchigen Verhandlungen in Katar nicht heraus. Am wichtigsten scheint noch die Verlängerung des Kyoto-Protokolls zu sein, dessen Laufzeit eigentlich zum 31. Dezember endet. Nun haben die Vertragsstaaten beschlossen, dass es darüber hinaus bis zum Jahr 2020 gilt – andernfalls wäre die Weltgemeinschaft völlig ohne Klimaschutzabkommen dagestanden und jeder hätte auch offiziell zur unkontrollierten Freisetzung von Treibhausgasen zurückkehren können.

Tatsächlich bleiben die Auswirkungen des Abkommens jedoch begrenzt: 37 Industriestaaten haben sich darin auf die Reduzierung ihres Kohlendioxidausstoßes festgelegt, darunter die 27 EU-Staaten. Insgesamt verantworten sie jedoch weniger als ein Sechstel der weltweiten CO2-Emissionen. Die beiden Kohlendioxidgiganten China und die USA haben entweder das Protokoll nicht ratifiziert oder mussten keine Verringerungsziele einhalten. Russland, Kanada, Japan und Neuseeland beteiligen sich zudem nicht an der Verlängerung.

Den Wirkungsgrad der Vereinbarung schränkt außerdem ein neuer Zank zwischen den europäischen Partnern weiter ein: Viele europäische Länder wollten die EU auf verschärfte Einsparungsziele festlegen, da die bisher gültige Marke von 20 Prozent weniger CO2-Emissionen bis 2020 verglichen mit 1990 bereits heute erreicht ist und die Staaten die kommenden acht Jahre für eine weitere Reduktion auf 30 Prozent nutzen wollten. Vergebens: Am Widerstand Polens scheiterten diese Bemühungen, da hier der Zwang zur typischen, lähmenden Einstimmigkeit der EU ein ambitionierteres Vorgehen verhinderte.

Sperrfeuer aus Europa

Polen und später dann auch Russland sowie die Ukraine blockierten die Verlängerung zudem noch durch eine zweite Forderung: Durch den Zusammenbruch ihrer Schwerindustrie nach der politischen Wende Anfang der 1990er Jahre besitzen sie noch so genannte CO2-Verschmutzungsrechte: Sie haben mehr Kohlendioxid "eingespart" als nötig, weil ihre großen Erzeuger dichtmachen mussten. Diese Emissionsrechte aus der Zeit vor dem Abkommen – auch "Heiße Luft" genannt – wollten sie weiter nutzen und unter bestimmten Einschränkungen auch an andere Länder verkaufen, die mehr Kohlendioxid produzieren, als sie laut Abkommen eigentlich dürften. Nun dürfen diese Staaten ihre Zertifikate weiter handeln, auch noch nach dem Jahr 2020: ein Freibrief für Verschmutzer. Bis 2014 sollen die 37 Teilnehmer des verlängerten Kyoto-Protokolls außerdem darüber verhandeln, ob sie doch noch ihre Ziele verschärfen.

Ambitioniert ist außerdem das Vorhaben, bis 2015 ein tatsächlich neues Abkommen zu erarbeiten, das die gesamte Weltgemeinschaft inklusive der Kohlendioxidgiganten USA, China oder Indien mit einschließt und das 2020 in Kraft treten kann. Angesichts der zähen Fortschritte von Klimagipfel zu Vertragsstaatenkonferenz und wieder zurück steht es sehr in Frage, ob dies erreicht werden kann. Die Vereinigten Staaten beispielsweise zeigten selbst direkt nach der Wiederwahl von Barack Obama – der nun keinen Wahlkampf mehr fürchten muss – kaum Engagement, um sich stärker in den Klimaschutz einzubringen. Und angesichts des neuen Rohstoffreichtums der USA (aus Schiefergasvorkommen), der eine billige, unabhängige Versorgung vorerst sichert, dürfte das Land als Antreiber hin zu erneuerbaren Energien weiterhin kaum in Erscheinung treten.

Wenig Zählbares kam außerdem bei den finanziellen Hilfen für die Entwicklungsländer heraus, die gerade die ärmsten Nationen beim Übergang zu einer kohlendioxidarmen Ökonomie und bei der Anpassung an den bereits unvermeidlichen Klimawandel unterstützen soll. 100 Milliarden US-Dollar sollten diesen Ländern ab 2020 jährlich zur Verfügung stehen – um ihren Regenwald zu schützen, höhere Deiche zu bauen oder in Solaröfen zu investieren. Woher das Geld stammt? Bleibt vorerst unklar. Einige Europäer wie Großbritannien oder Deutschland versprachen, ihre Zuwendungen zu erhöhen, doch insgesamt liefert die EU für 2013 nur sieben Milliarden Dollar. Was danach kommt oder wie das Gesamtziel erreicht werden könnte, soll nun eine weitere Arbeitsgruppe erörtern. Auch für bereits entstandene oder nicht mehr vermeidbare Schäden der Erderwärmung ("Loss and Damage") gibt es zunächst keine Kompensation. Stattdessen soll weiter geforscht werden, ob eine Verbindung zwischen Erderwärmung und Extremwetter existiert und welche Folgen dies hat. Die Details für den potenziellen Hilfsmechanismus diskutieren die Delegierten wiederum beim nächsten Mal.

Dennoch letzte Ausfahrt Europa?

Ebenfalls im Klein-Klein erstickt wurden die Verhandlungen zum Waldschutz REDD+: der Reduzierung von Emissionen durch Rückgang von Entwaldung und Degradierung der Urwälder. Kurz gesagt bezahlen hier Staaten, die reichlich Treibhausgase produzieren, andere Länder dafür, dass sie ihren Wald als Kohlenstoffsenke schützen. Ein Sechstel bis ein Fünftel der globalen CO2-Emissionen geht auf gebrandschatzte Tropenökosysteme in Brasilien oder Indonesien zurück. Wie dies finanziert werden könnte und wie man Missbrauch verhindert, blieb wieder ergebnislos. Die Teilnehmer verpflichteten sich erneut nur darauf, dies bis Ende des nächsten Jahres lösen zu wollen. Auch hier also "Business as usual".

Für etwas Zuversicht sorgt, dass zwei der drei nächsten Klimakonferenzen in Europa tagen – dem Kontinent, der noch am ehesten etwas für den Klimaschutz tut. Doch bis es so weit ist, müssen auch die EU-Europäer wieder lernen, mit einer Stimme zu sprechen und ihre eigenen Zweifler wie die Polen überzeugen. In einem zweiten Schritt gilt es dann Allianzen mit Staaten wie Australien, Norwegen oder der Schweiz zu schmieden, die momentan ebenfalls auf einer Linie mit den Klimaschutzvorreitern liegen. Nur wenn das gelingt und die Europäer – vor allem die Franzosen, die womöglich den entscheidenden Vorbereitungsgipfel ausrichten – gut organisiert und kraftvoll vorangehen, kann es 2015 gelingen, ein neues und vor allem weltweit gültiges Klimaabkommen zu verabschieden. Wenn nicht, hilft auch kein noch so kräftiges Hämmern mehr.

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