Mathematische Unterhaltungen: Rationale Zahlen zählen
Wie häkelt man einen unendlichen Topflappen? Jedenfalls nicht eine Reihe nach der anderen, so wie es üblich ist. Man würde ja schon mit der ersten Reihe nicht fertig, bevor man die zweite überhaupt angefangen hat.
Vielmehr muss man diagonal häkeln. Das heißt, man lässt den Topflappen in Gedanken schräg nach unten hängen, wie sein echtes Vorbild an der Schlaufe, und häkelt dann horizontale Reihen: eine sehr kurze aus einer einzigen Masche, die nächste aus zwei Maschen und so weiter.
Auf die Dauer entsteht ein immer größer werdender dreieckiger Lappen, und seinem Wachstum nach unten sind keine Grenzen gesetzt. Man kann mit einem einzigen – unendlich langen – Faden eine ganze – unendlich große – Fläche mit Maschen bedecken.
Selbstverständlich steht dahinter nicht das Ziel, einen unendlich großen Kochtopf, was immer das sein mag, verletzungsfrei anzufassen und zu transportieren. Vielmehr ist das Häkelrezept die Beweisidee für einen ehrwürdigen mathematischen Satz: Die Menge der rationalen Zahlen ist abzählbar. Es gibt gewissermaßen genauso viele Brüche mit natürlichen Zahlen im Zähler und im Nenner wie natürliche Zahlen überhaupt.
Ebenso klassisch wie der Satz ist die Verstörung, die er auslöst …
Erratum
Auf der Achsenbeschriftung des Aufmachers müsste es unter den orangen Kreisen richtigerweise heißen: 1/5, 2/5, 3/5 und so weiter. Zudem beträgt der Radius 1/(2q2) und nicht 1/(q2)
Die kreisähnlichen Auswüchse der Mandelbrot-Menge sind zwar in der Tat so angeordnet wie die Ford-Kreise, aber nicht so groß – in keinem Maßstab. Man kann sich das Intervall von 0 bis 1 um die zentrale Kardioide aufgewickelt vorstellen, aber es ist gleichsam nicht gleichmäßig strammgezogen. In der Nähe der Punkte 0 und 1 ist das Gummi weniger stramm, und die zugehörigen Kreise sind entsprechend kleiner. Für nahe benachbarte Kreise sind zumindest die Größenverhältnisse ungefähr korrekt.
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