Archäologie: Graben auf dem Pulverfass
Im Herbst 2021 sorgte eine 2700 Jahre alte Latrine weltweit für Schlagzeilen. Nicht etwa weil sie besonders raffiniert konstruiert wurde, sondern weil sie in Jerusalem zu Tage gekommen war, der Heiligen Stadt dreier Weltreligionen, dem Brennpunkt des Nahostkonflikts. Aktuell laufen ein Dutzend oder mehr Grabungsprojekte in der expandierenden Metropole. Kein anderer Ort erregt mit archäologischen Funden so viel Aufmerksamkeit in den Medien – egal wie alltäglich die Entdeckungen auch sein mögen. Allein eine antike Latrine in Jerusalem vermag die Fantasie von Millionen Menschen zu beflügeln.
Seit den 1830er Jahren strömten Schatzsucher, religiöse Schwärmer und Gelehrte nach Jerusalem. Auf der Suche nach Gräbern und Reichtümern legten sie die Grundlagen der Biblischen Archäologie – des einzigen Forschungszweigs, der mit der Absicht entstanden war, die Heiligen Schriften mit den Werkzeugen der Wissenschaft zu belegen und so den christlichen Glauben zu stärken. Inzwischen treiben weniger Frömmigkeit oder Schätze die Forscher und Forscherinnen an, sie halten jedoch immer noch die Bibel für eine legitime und authentische Quelle.
Dieser Ansatz ist Segen und Fluch zugleich. Denn trotz mehr als anderthalb Jahrhunderten Forschung gibt es eklatante Wissenslücken über die Anfangszeit der Stadt, aber vor allem über die späteren, nicht biblischen Phasen unter persischer, hellenistischer und arabischer Herrschaft. Ebenso wirft der Alltag der einstigen Bewohner noch viele Fragen auf. Wie war es um deren Gesundheit bestellt, was aßen sie, mit wem in der Welt des Altertums knüpften sie Kontakte? …
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