Tagebuch: Wissenschaft 2.0
Forscher kann man nicht sehen. Natürlich gibt es auch unter ihnen Selbstdarsteller, Entertainer der Wissenschaft, die von Talkshow zu Talkshow ziehen. Das sind aber nicht die Guten. Die nämlich haben sich ganz der Forschung verschrieben und frönen ihrer Leidenschaft weitgehend unsichtbar für die Öffentlichkeit in dunklen Labors. Bekannt werden sie allenfalls durch Zitate am Schluss von Fachartikeln. Der Wissenschaftler als Mensch bleibt ein Schemen.
Genau das versuchen die Initiatoren einer neuen Website jetzt zu ändern. Auf scivee.com wollen sie den Forschern dieser Welt ein Gesicht geben – mehr noch, eine Videoplattform. SciVee soll ein „YouTube für Wissenschaftler“ werden. YouTube, das sind heimlich gefilmte Mitbewohner unter der Dusche oder Videos von ausrastenden Neun-Live-Moderatoren. YouTube ist alles, aber keine Wissenschaft. Was also könnte aus SciVee werden? Hinter dem Projekt, das daherkommt wie eine typische Begleiterscheinung des allgemeinen Web 2.0-Hypes, stehen große Namen: Die National Science Foundation, eine der wichtigsten Organisationen zur Förderung der Wissenschaft in den USA, unterstützt SciVee ebenso wie die Public Library of Science, deren Fachzeitschriften hohes Ansehen genießen. Organisiert und programmiert wird die Plattform am Supercomputer Center der Universität in San Diego. Offiziell online ist die Internetseite seit dem 1. September, zwar erst als Alpha-Version, also in einem sehr frühen Stadium – trotzdem habe ich schon mal einen Blick riskiert.
Ein YouTube für Wissenschaftler?
Wie SciVee funktioniert, wird mir beim Besuch der Seite schnell klar: Wissenschaftler, die in einer der PLoS-Zeitschriften einen Artikel veröffentlicht haben, können auf der Plattform ein Video zu dieser Publikation hochladen. Darin erklären sie höchstselbst den Zuschauern, respektive der „scientific community“, was sie wie erforscht haben. Und hier versteckt sich, wie ich zähneknirschend zugebe, ein erster großer Pluspunkt. Wenn ein Forscher die Früchte seiner Arbeit in ein achtminütiges Video packen muss, wird ihm dabei vielleicht klar: Das geht nicht. Dann hat er verstanden, weshalb ich und viele andere geplagte Journalisten sein Arbeitsgebiet auf dreißig Zeilen nicht in voller Tiefe beleuchten können. Und dass wir seine Forschung damit nicht lächerlich machen wollen, sondern nur das erreichen, was er mit dem Video im Idealfall auch schafft: das Interesse beim Leser wecken, in seinem Fall beim Zuschauer. SciVee also als kleine Lektion für verbohrte Wissenschaftler?
Wohl kaum. Diejenigen unter den Forschern, die sich noch nie gerne mit der Außenwelt eingelassen haben, werden mit SciVee erst recht nichts anfangen können. Für alle anderen jedoch bietet die Plattform eine ganze Menge: Da finden sich Tipps für den ersten eigenen Videodreh. Und es gibt Rankings, mit deren Hilfe frisch aus der Taufe gehobene „Wissenschaftler 2.0“ die Qualität ihrer Filme einschätzen können. Wer will, gründet eine Gruppe zu einem Thema und trifft dort Gleichgesinnte, holt sich fachlichen Rat oder auch mal Kritik. Und das nicht nur als Wissenschaftler.
Weg vom Elfenbeinturm
Um den geht es nämlich erst in zweiter Linie, auch wenn das aus den Pressemitteilungen der Initiatoren nicht herauszuhören ist. SciVee, dieses Gefühl schleicht sich bei mir schon nach einer kurzen Weile auf der Website ein, ist vor allem ein Fortschritt für meine Leser. Die brauchen mich dann gar nicht mehr. Wenn alles gut geht, wecken statt mir bald die Forscher selbst ihr Interesse – und die lieben Ex-Leser und frisch gebackenen SciVee-Nutzer können nachhaken, löchern, diskutieren nach Herzenslust und schönster Web 2.0-Manier. Gelingt dieser Brückenschlag vom Forscher zum Bürger tatsächlich, bietet SciVee einen Weg aus dem oft beklagten Elfenbeinturm der Wissenschaft.
Denn viel zu viele betrachten Forscher immer noch als eine Art übermenschliches Wesen. Dass davon in den meisten Fällen keine Rede sein kann, zeigen die bereits vorhandenen Videos auf SciVee. Womit wir wieder beim Anfangsproblem wären. Wissenschaftler – kann man nicht sehen? Als ich das Video einer asiatischen Forscherin ansehe, die vor der Kulisse eines Blütenbusches unverständliches Englisch brabbelt, ist mein erster Gedanke: Vielleicht will ich sie gar nicht sehen. Zwei Tage später ist dieses Video allerdings verschwunden und hat fünf, sechs anderen „Pubcasts“ Platz gemacht, die hoffen lassen. Mit Wissenschaftlern, die aussehen wie ganz normale Menschen, die nicht mal Laborkittel tragen und locker-flockig von ihren Forschungsergebnissen berichten. In acht Minuten.
Ob SciVee mich und den Rest meines Berufsstandes bald arbeitslos machen wird, weiß ich nicht. Auch nicht, ob es stimmt, was die Initiatoren der Seite behaupten: Dass SciVee Wissenschaft interessant macht für die „Generation YouTube“, und dass diese Generation die führenden Wissenschaftler von morgen stellt. Nicht leugnen lässt sich jedoch die Erkenntnis, die mein kleiner Streifzug über die Seite gebracht hat:
Wissenschaftler kann man eben doch sehen.
Recht häufig, bitte – demnächst auf SciVee.
Josephina Maier
Genau das versuchen die Initiatoren einer neuen Website jetzt zu ändern. Auf scivee.com wollen sie den Forschern dieser Welt ein Gesicht geben – mehr noch, eine Videoplattform. SciVee soll ein „YouTube für Wissenschaftler“ werden. YouTube, das sind heimlich gefilmte Mitbewohner unter der Dusche oder Videos von ausrastenden Neun-Live-Moderatoren. YouTube ist alles, aber keine Wissenschaft. Was also könnte aus SciVee werden? Hinter dem Projekt, das daherkommt wie eine typische Begleiterscheinung des allgemeinen Web 2.0-Hypes, stehen große Namen: Die National Science Foundation, eine der wichtigsten Organisationen zur Förderung der Wissenschaft in den USA, unterstützt SciVee ebenso wie die Public Library of Science, deren Fachzeitschriften hohes Ansehen genießen. Organisiert und programmiert wird die Plattform am Supercomputer Center der Universität in San Diego. Offiziell online ist die Internetseite seit dem 1. September, zwar erst als Alpha-Version, also in einem sehr frühen Stadium – trotzdem habe ich schon mal einen Blick riskiert.
Ein YouTube für Wissenschaftler?
Wie SciVee funktioniert, wird mir beim Besuch der Seite schnell klar: Wissenschaftler, die in einer der PLoS-Zeitschriften einen Artikel veröffentlicht haben, können auf der Plattform ein Video zu dieser Publikation hochladen. Darin erklären sie höchstselbst den Zuschauern, respektive der „scientific community“, was sie wie erforscht haben. Und hier versteckt sich, wie ich zähneknirschend zugebe, ein erster großer Pluspunkt. Wenn ein Forscher die Früchte seiner Arbeit in ein achtminütiges Video packen muss, wird ihm dabei vielleicht klar: Das geht nicht. Dann hat er verstanden, weshalb ich und viele andere geplagte Journalisten sein Arbeitsgebiet auf dreißig Zeilen nicht in voller Tiefe beleuchten können. Und dass wir seine Forschung damit nicht lächerlich machen wollen, sondern nur das erreichen, was er mit dem Video im Idealfall auch schafft: das Interesse beim Leser wecken, in seinem Fall beim Zuschauer. SciVee also als kleine Lektion für verbohrte Wissenschaftler?
Wohl kaum. Diejenigen unter den Forschern, die sich noch nie gerne mit der Außenwelt eingelassen haben, werden mit SciVee erst recht nichts anfangen können. Für alle anderen jedoch bietet die Plattform eine ganze Menge: Da finden sich Tipps für den ersten eigenen Videodreh. Und es gibt Rankings, mit deren Hilfe frisch aus der Taufe gehobene „Wissenschaftler 2.0“ die Qualität ihrer Filme einschätzen können. Wer will, gründet eine Gruppe zu einem Thema und trifft dort Gleichgesinnte, holt sich fachlichen Rat oder auch mal Kritik. Und das nicht nur als Wissenschaftler.
Weg vom Elfenbeinturm
Um den geht es nämlich erst in zweiter Linie, auch wenn das aus den Pressemitteilungen der Initiatoren nicht herauszuhören ist. SciVee, dieses Gefühl schleicht sich bei mir schon nach einer kurzen Weile auf der Website ein, ist vor allem ein Fortschritt für meine Leser. Die brauchen mich dann gar nicht mehr. Wenn alles gut geht, wecken statt mir bald die Forscher selbst ihr Interesse – und die lieben Ex-Leser und frisch gebackenen SciVee-Nutzer können nachhaken, löchern, diskutieren nach Herzenslust und schönster Web 2.0-Manier. Gelingt dieser Brückenschlag vom Forscher zum Bürger tatsächlich, bietet SciVee einen Weg aus dem oft beklagten Elfenbeinturm der Wissenschaft.
Denn viel zu viele betrachten Forscher immer noch als eine Art übermenschliches Wesen. Dass davon in den meisten Fällen keine Rede sein kann, zeigen die bereits vorhandenen Videos auf SciVee. Womit wir wieder beim Anfangsproblem wären. Wissenschaftler – kann man nicht sehen? Als ich das Video einer asiatischen Forscherin ansehe, die vor der Kulisse eines Blütenbusches unverständliches Englisch brabbelt, ist mein erster Gedanke: Vielleicht will ich sie gar nicht sehen. Zwei Tage später ist dieses Video allerdings verschwunden und hat fünf, sechs anderen „Pubcasts“ Platz gemacht, die hoffen lassen. Mit Wissenschaftlern, die aussehen wie ganz normale Menschen, die nicht mal Laborkittel tragen und locker-flockig von ihren Forschungsergebnissen berichten. In acht Minuten.
Ob SciVee mich und den Rest meines Berufsstandes bald arbeitslos machen wird, weiß ich nicht. Auch nicht, ob es stimmt, was die Initiatoren der Seite behaupten: Dass SciVee Wissenschaft interessant macht für die „Generation YouTube“, und dass diese Generation die führenden Wissenschaftler von morgen stellt. Nicht leugnen lässt sich jedoch die Erkenntnis, die mein kleiner Streifzug über die Seite gebracht hat:
Wissenschaftler kann man eben doch sehen.
Recht häufig, bitte – demnächst auf SciVee.
Josephina Maier
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