Erkenne dich selbst ganz automatisch
Eine Flut von "-O-maten" überschwemmt das Internet. Das Prinzip ist immer dasselbe: Beantworte ein paar Fragen, und ich sage dir, wer du bist. Der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung zeigt, welche Partei den eigenen Interessen entspricht, der Love-o-mat sagt, wie es in der Liebe aussieht, und der Ausred-O-Mat hilft, wenn sonst gar nichts mehr hilft. Und nun auch noch der Philomat, allerdings als Buch. Mit Multiple Choice zur philosophischen Selbstdiagnose. Das ist nicht so abwegig, wie es zunächst klingt; schließlich bediente sich bereits Sokrates der Mäeutik, der Methode, durch die richtige Frage die Wahrheit ans Licht zu bringen.
Wolfgang Buschlinger, Bettina Conradi und Hannes Rusch lehren in Braunschweig Philosophie und wollen mit ihrem Buch mehr Menschen für ihr Fach begeistern. Basis ihrer Analyse sind vier zentrale Fragen Kants. Diese teilen die Autoren wiederum in zwölf konkrete Themengebiete, von der Frage nach der Existenz Gottes über das Verbot des Tötens bis hin zum Wesen der Sprache. Pro Thema erwarten den Leser zehn Fragen, bei denen er sich für eine der vorgegebenen Antworten entscheiden muss. Mit jeder Antwort gibt er ein wenig mehr über seine Grundeinstellungen preis. Ist er der hehre Idealist oder doch etwas mehr konsequenzialistisch veranlagt, als er sich eingestand? Was die Diagnose bedeutet, lässt sich sodann in einem ausführlichen Glossar am Ende des Buchs nachlesen.
Dafür jedoch muss der Leser seine Antworten in – positive und negative – Punktzahlen umsetzen und diese aufaddieren. Was bei einem elektronischen Fragebogen ein Computerprogramm erledigt, gerät zu einem sehr umständlichen Münzenverschieben auf einer mitgelieferten Diagnosetafel, was den Lesefluss und damit auch den Spaß der Lektüre erheblich schmälert.
Doch wer sich auf das System einlässt, wird reich belohnt. So mischen die Autoren theoretische Fragen mit ganz konkreten Beispielen aus dem Alltag. Jeder wird grundsätzlich bereitwillig das Lügen missbilligen, aber wenn er eine Begründung dafür liefern soll, offenbart er doch einiges über sein individuelles Wertesystem. Was ist mit einer kleinen Notlüge? Ist diese nach dem Öffnen eines missratenen Geschenks nicht sogar angebracht, um den Schenker nicht zu brüskieren? Mehr noch als die zehn Fragen und möglichen Antworten regen die Diagnosen zum Reflektieren an. So vorläufig sie unvermeidlich sind, zeigen sie doch häufig, dass Selbstbild und tatsächliche Position auseinanderliegen – eine Erkenntnis, die nicht unbedingt schmerzlich sein muss, sondern auch neue Horizonte eröffnen kann.
Die Qualität des Diagnosesystems ist allerdings, abhängig vom Themenfeld, sehr gemischt. Naturgemäß ist es einfacher, die Ethik des Benutzers auf ihre Authentizität abzuklopfen, als seine Position bezüglich der Existenz der Seele in ein Fragenkorsett zu zwängen. Auch funktioniert das Wechselspiel zwischen theoretischen Fragen und konkreten Beispielen nicht immer reibungslos. Um zu sehen, wie der Leser das Strafmaß für einen Pädophilen bemessen würde, müssen die Autoren nicht den Namen eines aktuellen Falls nennen. Sie hätten auch in einigen Fällen die klassischen Beispiele der Philosophie anführen können, so zur Fehlbarkeit der Sinneswahrnehmung, die Platon zeitlos eingängig illustriert hat: Wenn ein Stock in einem Eimer Wasser steckt, scheint er geknickt zu sein.
Das Literaturverzeichnis ist gelungen, und das Glossar birgt wahre Schätze, wie eine süffisante Definition des Nihilismus oder die Erklärung von »Ontologie« anhand von Mobiliar. Aber das Niveau schwankt noch stärker als im Diagnoseteil. Die Autoren bringen umgangssprachliche Definitionen von Egoismus und Pragmatismus, lassen aber Termini wie Intersubjektivität oder Fatalismus unerklärt.
Wer sich auf den Philomaten einlässt, lernt einiges über sich selbst. Unweigerlich bleiben bei einem derart anspruchsvollen Thema Fragen offen; aber der Leser bekommt das Rüstzeug mitgeliefert, ihnen nachzugehen.
Ein Automat ist etwas Mechanisches; das griechische mechanãsthai bedeutet "künstlich verfertigen", aber auch "listig ersinnen" und "vortäuschen". Der "Philomat " täuscht aber nichts listig vor, ganz im Gegenteil, er hilft bei der Selbsterkenntnis. Trotz mancher Kritikpunkte lösen die Autoren ihren Anspruch ein, ihre Begeisterung für die Philosophie weiterzugeben.
Wolfgang Buschlinger, Bettina Conradi und Hannes Rusch lehren in Braunschweig Philosophie und wollen mit ihrem Buch mehr Menschen für ihr Fach begeistern. Basis ihrer Analyse sind vier zentrale Fragen Kants. Diese teilen die Autoren wiederum in zwölf konkrete Themengebiete, von der Frage nach der Existenz Gottes über das Verbot des Tötens bis hin zum Wesen der Sprache. Pro Thema erwarten den Leser zehn Fragen, bei denen er sich für eine der vorgegebenen Antworten entscheiden muss. Mit jeder Antwort gibt er ein wenig mehr über seine Grundeinstellungen preis. Ist er der hehre Idealist oder doch etwas mehr konsequenzialistisch veranlagt, als er sich eingestand? Was die Diagnose bedeutet, lässt sich sodann in einem ausführlichen Glossar am Ende des Buchs nachlesen.
Dafür jedoch muss der Leser seine Antworten in – positive und negative – Punktzahlen umsetzen und diese aufaddieren. Was bei einem elektronischen Fragebogen ein Computerprogramm erledigt, gerät zu einem sehr umständlichen Münzenverschieben auf einer mitgelieferten Diagnosetafel, was den Lesefluss und damit auch den Spaß der Lektüre erheblich schmälert.
Doch wer sich auf das System einlässt, wird reich belohnt. So mischen die Autoren theoretische Fragen mit ganz konkreten Beispielen aus dem Alltag. Jeder wird grundsätzlich bereitwillig das Lügen missbilligen, aber wenn er eine Begründung dafür liefern soll, offenbart er doch einiges über sein individuelles Wertesystem. Was ist mit einer kleinen Notlüge? Ist diese nach dem Öffnen eines missratenen Geschenks nicht sogar angebracht, um den Schenker nicht zu brüskieren? Mehr noch als die zehn Fragen und möglichen Antworten regen die Diagnosen zum Reflektieren an. So vorläufig sie unvermeidlich sind, zeigen sie doch häufig, dass Selbstbild und tatsächliche Position auseinanderliegen – eine Erkenntnis, die nicht unbedingt schmerzlich sein muss, sondern auch neue Horizonte eröffnen kann.
Die Qualität des Diagnosesystems ist allerdings, abhängig vom Themenfeld, sehr gemischt. Naturgemäß ist es einfacher, die Ethik des Benutzers auf ihre Authentizität abzuklopfen, als seine Position bezüglich der Existenz der Seele in ein Fragenkorsett zu zwängen. Auch funktioniert das Wechselspiel zwischen theoretischen Fragen und konkreten Beispielen nicht immer reibungslos. Um zu sehen, wie der Leser das Strafmaß für einen Pädophilen bemessen würde, müssen die Autoren nicht den Namen eines aktuellen Falls nennen. Sie hätten auch in einigen Fällen die klassischen Beispiele der Philosophie anführen können, so zur Fehlbarkeit der Sinneswahrnehmung, die Platon zeitlos eingängig illustriert hat: Wenn ein Stock in einem Eimer Wasser steckt, scheint er geknickt zu sein.
Das Literaturverzeichnis ist gelungen, und das Glossar birgt wahre Schätze, wie eine süffisante Definition des Nihilismus oder die Erklärung von »Ontologie« anhand von Mobiliar. Aber das Niveau schwankt noch stärker als im Diagnoseteil. Die Autoren bringen umgangssprachliche Definitionen von Egoismus und Pragmatismus, lassen aber Termini wie Intersubjektivität oder Fatalismus unerklärt.
Wer sich auf den Philomaten einlässt, lernt einiges über sich selbst. Unweigerlich bleiben bei einem derart anspruchsvollen Thema Fragen offen; aber der Leser bekommt das Rüstzeug mitgeliefert, ihnen nachzugehen.
Ein Automat ist etwas Mechanisches; das griechische mechanãsthai bedeutet "künstlich verfertigen", aber auch "listig ersinnen" und "vortäuschen". Der "Philomat " täuscht aber nichts listig vor, ganz im Gegenteil, er hilft bei der Selbsterkenntnis. Trotz mancher Kritikpunkte lösen die Autoren ihren Anspruch ein, ihre Begeisterung für die Philosophie weiterzugeben.
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