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Semantische Sättigung: Warum klingen vertraute Wörter fremd, wenn man sie oft wiederholt?

Unser Gehirn speichert zu jedem Wort Informationen zu Bedeutung und Form. "Geistlos" produzierter Schall wie übermäßige Wortwiederholungen stören das Abrufen dieser Assoziationen.
Buchstabenwirrwarr

Sagt man ein Wort sehr oft hintereinander, kommt es einem schließlich vor wie eine seltsame Aneinanderreihung fremdartiger Laute. "Obst, Obst, Obst, Obst, Obst" – was soll das überhaupt heißen? Hierbei handelt es sich um einen in der Psycholinguistik wohlbekannten Effekt: die semantische Sättigung.

Zu jedem Wort sind in unserem Gehirn zwei Arten von Information abgelegt: Bedeutung und Form. Zu Letzterer gehört einerseits das Schriftbild, andererseits der Klang, also die Folge von Lauten und Silben sowie die korrekte Betonung. In unserem "mentalen Lexikon" ist für jedes Wort eine spezifische Verbindung zwischen Bedeutung und Form gespeichert. Wenn wir anderen zuhören, nutzen wir die Verbindung, um uns die Bedeutung des Wortes über seinen Klang zu erschließen. Beim Sprechen gelingt es uns dank dieser Assoziation, Inhalte in Laute umsetzen. Als Sprecher hört man sich allerdings automatisch auch selbst zu. Die Geräusche, die den Mund verlassen, treffen gleichzeitig auf die eigenen Ohren und aktivieren wiederum die Bedeutung des Gesagten. Diese so genannte perzeptuelle Schleife ist übrigens daran beteiligt, dass wir Versprecher blitzschnell erkennen können ("links" … äh … "rechts").

Wenn wir für ein bestimmtes Konzept, etwa eine längliche Südfrucht mit gelber Schale, das Wissen über die damit verbundene Form "ba-nA-ne" aktivieren, können wir die Muskeln unseres Artikulationssystems in Gang setzen und das Wort aussprechen. Es ist aber auch möglich, mit Lippen, Zunge, Stimmbändern und Kehlkopf motorische Abläufe einfach zu wiederholen, ohne das mentale Lexikon zu konsultieren.

Hören wir nun auf diese Art von uns selbst "geistlos" produzierten Schall, aktiviert er das dazugehörige Bedeutungswissen. Allerdings funktioniert das nicht unendlich oft. Wiederholt man ein Wort zu häufig, werden jene Neuronenverbände, die den Sinn der Vokabel speichern, übermäßig stimuliert: Die Bedeutungskomponente wird sozusagen taub und kann nicht mehr durch den Klang aktiviert werden. So kommt es, dass uns ein gängiger Begriff, den wir mitunter mehrmals täglich verwenden, plötzlich fremd und bedeutungsleer erscheint.

Weil die Konzepte in unserem mentalen Lexikon miteinander vernetzt sind, verlieren wir nicht nur den Zugriff auf das betreffende Wort, sondern können kurzfristig auch mit semantisch ähnlichen Begriffen weniger anfangen. Die Psychologen Lee Smith und Raymond Klein testeten das an der Dalhousie University in Halifax. Ihre Probanden sollten Kategoriebegriffe entweder 30-mal oder aber nur dreimal hintereinander aufsagen – und anschließend entscheiden, ob gewisse Wörter zu dieser Kategorie gehörten. Wer sein Bedeutungswissen durch häufiges Wiederholen strapaziert hatte, konnte weniger schnell erkennen, dass ein Tisch ein Möbelstück ist.

Semantische Sättigung kann womöglich sogar den Zugang zu Emotionen erschweren: In einer Studie der Psychologin Maria Gendron von der Northeastern University in Boston waren Versuchspersonen, die die Wörter "Freude" oder "Wut" sehr oft ausgesprochen hatten, langsamer darin, einen glücklichen beziehungsweise verärgerten Gesichtsausdruck auszumachen.

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  • Quellen
Balota, D. A., Black, S.: Semantic Satiation in Healthy Young and Older Adults. In: Memory & Cognition 25, S. 190–202, 1997 Gendron, M. et al.: Emotion Words Shape Emotion Percepts. In: Emotion 12, S. 314–325, 2012 Levelt, W. J. M.: Speaking: From Intention to Articulation. MIT Press, Cambridge, MA 1989 Smith, L., Klein, R.: Evidence for Semantic Satiation: Repeating a Category Slows Subsequent Semantic Processing. In: Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition 16, S. 852-861, 1990

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