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Stress: Was passiert bei Zeitdruck im Gehirn?

Lars Schwabe, Professor für Kognitionspsychologie, erklärt, was auf neuronaler Ebene geschieht, wenn wir auf Grund von Zeitdruck gestresst sind.
Eine Hand hält eine Stoppuhr

Ein nervöser Blick auf die Uhr – der nächste Termin naht. Zeitdruck empfinden wir als stressig, und das aktiviert in unserem Gehirn bestimmte Regionen, insbesondere den Hypothalamus, die Steuerzentrale des vegetativen Nervensystems. Auf seine Signale hin schütten die Nebennieren die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin aus. Schließlich führt das zu Symptomen, die wohl jeder aus solchen Situationen kennt: Herzklopfen, flacher Atem, erhöhter Blutdruck und Schweißausbrüche. Der Körper befindet sich nun in Alarmbereitschaft. Sein Energiebedarf steigt, und damit er auf Anstrengungen vorbereitet ist, setzt er gespeicherte Glukose frei.

Der beschriebene Mechanismus ist gewissermaßen ein Überbleibsel aus längst vergangenen Zeiten. Für die damaligen Menschen waren Stresssituationen häufig lebensgefährlich; durch den alarmierten Zustand stiegen die Überlebenschancen. Tauchte etwa ein wildes Tier auf, mussten sie blitzschnell reagieren – entweder kämpfen oder flüchten. In unserem Alltag lösen meist vergleichsweise ungefährliche Umstände Stress aus, zum Beispiel ein voller Terminkalender. Dennoch reagiert der Körper wie in Urzeiten, braucht aber eigentlich die zusätzliche Energie nicht. Im schlimmsten Fall macht ein dauerhaft hoher Stresspegel krank.

Daneben beeinträchtigt starker Zeitdruck kognitive Fähigkeiten wie Wahrnehmung, Lernen und exekutive Funktionen, beispielsweise das Wechseln zwischen verschiedenen Aufgaben. Erneut spielt dabei Noradrenalin eine wichtige Rolle. Unter Stress produzieren bestimmte Nervenzellen im Hirnstamm vermehrt diesen Botenstoffe. Als Neurotransmitter entfaltet er dann seine Wirkung in etlichen Gehirnarealen, unter anderem in Bereichen des Stirnhirns, welche die Aufmerksamkeit steuern, oder im medialen Teil des Schläfenlappens, der den Hippocampus, die »Gedächtniszentrale«, beherbergt. In diesen Regionen sorgt eine erhöhte Menge an Noradrenalin letztlich dafür, dass unsere Konzentrationsfähigkeit leidet und wir Informationen schlechter verarbeiten und abrufen können. Stattdessen fokussiert unser Gehirn auf das Wesentliche – nämlich darauf, die »Bedrohung« zu meistern. Dinge, die nebenher passieren, werden herausgefiltert. Wir prägen uns also insbesondere den Auslöser für die Aufregung ein.

Wie wir in Experimenten zeigten, können sich die beschriebenen Effekte auch heutzutage günstig auswirken. Und zwar dann, wenn die Stressursache genau das ist, worauf man sich konzentrieren möchte: Wir versetzten unsere Studienteilnehmer in eine aufreibende Prüfungssituation und stimulierten dadurch ihr vegetatives Nervensystem. In diesem Zustand konnten sie sich an zuvor Gelerntes besser erinnern. Der Stressauslöser förderte unmittelbar das Abrufen von Gedächtnisinhalten, und die Aktivierung des vegetativen Nervensystems ging mit einer gesteigerten Leistung einher. Allerdings nur für kurze Zeit, danach war das Erinnerungsvermögen messbar beeinträchtigt. Schuld daran ist Kortisol, ein Hormon, das bereits einige Minuten nach Beginn einer Stresssituation ausgeschüttet wird. Und da man üblicherweise bei Prüfungen schon vorab aufgeregt ist, geht der positive Effekt verloren. Optimal arbeitet unser Denkapparat, wenn wir weder gelangweilt noch gestresst sind. Experten beschreiben diese Beziehung zwischen dem Erregungsniveau und der kognitiven Leistung als umgekehrt u­-förmig.

Fazit: Zeitdruck stresst uns und versetzt den Körper in einen Ausnahmezustand. Den Großteil der kognitiven Ressourcen verwenden wir darauf, uns auf die Ursache zu konzentrieren und diese abzuspeichern. Das ist mit ein Grund, wieso wir uns an aufwühlende Erlebnisse in der Regel besonders gut erinnern können.

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  • Quellen

Joëls, M. et al.: Stress and Emotional Memory: A Matter of Timing. In: Trends in Cognitive Sciences 15, S. 280–288, 2011

Schönfeld, P. et al.: Remembering under Stress: Different Roles of Autonomic Arousal and Glucocorticoids in Memory Retrieval. In: Psychoneuroendocrinology 39, S. 249–256, 2014

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