Lohnende Bigamie
Die Ehe galt den Assyrern als heilige Angelegenheit. Doch wer fern der Heimat Handel trieb, durfte dort einer zweiten Gattin Treue schwören. Ein Abkommen, von dem auch die Frau daheim profitierte.
"Puzur-Ischtar hat Ischtar-lamass zur Frau genommen. Wenn er sich von ihr scheiden lässt, soll er fünf Minen Silber zahlen. Falls sie sich von ihm scheiden lässt, soll sie ihm fünf Minen Silber geben. Er darf keine andere Frau nehmen außer seiner Ehefrau in der Stadt Assur." Welch merkwürdiger Vertrag. Zu Beginn des 2. Jahrtausends v. Chr. in einem assyrischen Handelskontor in Anatolien hinterlegt, war sein Gegenstand offenkundig die Ehe eines in Assur bereits verheirateten Mannes mit einer Einheimischen. Brachte diese offenbar legale Form der Bigamie eine Geringschätzung der Frau zum Ausdruck? Wie wäre dann aber der deutliche Ton der folgenden Zeilen einzuordnen, die eine Frau aus Assur ihrem Gatten in der Ferne schickte: "Achte darauf, mir den Gegenwert meiner Stoffe in Silber zu schicken, damit ich Gerste kaufen kann!" Hätte sie es gewagt, sich so zu äußern, wenn ihre gesellschaftliche Stellung weit unter der eines Mannes rangierte?
Beide Schriftstücke kamen in Kültepe zum Vorschein, einem Siedlungshügel in der heutigen Türkei, 21 Kilometer nordöstlich vom Kayseri. Sie stammten aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. Damals war Assur noch ein aufstrebender mesopotamischer Stadtstaat, der ein ausgedehntes Handelsnetz bis nach Zentral- und Ostanatolien unterhielt. Über Tausende von Kilometern wurden Zinn und hochwertige Textilien gen Westen geliefert und dort gegen Gold und Silber getauscht. Dieser Handel war ein Quell des Reichtums, zu wichtig und lukrativ, um ihn in Anatolien aus der Hand zu geben. Deshalb zeigten Assurs Großkaufleute in der Ferne Präsenz und lebten über Jahre hinweg in assyrischen Handelsstationen. Diese besaßen eine eigene Regierung, die zwar Assur direkt unterstand, mit den lokalen Fürsten aber eigenständig Verträge abschloss. Kanesch, wie Kültepe damals genannt wurde, grenzte Mauer an Mauer an das hethitische Nesa und verfügte doch über eine eigene Rechtsprechung. …
Beide Schriftstücke kamen in Kültepe zum Vorschein, einem Siedlungshügel in der heutigen Türkei, 21 Kilometer nordöstlich vom Kayseri. Sie stammten aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. Damals war Assur noch ein aufstrebender mesopotamischer Stadtstaat, der ein ausgedehntes Handelsnetz bis nach Zentral- und Ostanatolien unterhielt. Über Tausende von Kilometern wurden Zinn und hochwertige Textilien gen Westen geliefert und dort gegen Gold und Silber getauscht. Dieser Handel war ein Quell des Reichtums, zu wichtig und lukrativ, um ihn in Anatolien aus der Hand zu geben. Deshalb zeigten Assurs Großkaufleute in der Ferne Präsenz und lebten über Jahre hinweg in assyrischen Handelsstationen. Diese besaßen eine eigene Regierung, die zwar Assur direkt unterstand, mit den lokalen Fürsten aber eigenständig Verträge abschloss. Kanesch, wie Kültepe damals genannt wurde, grenzte Mauer an Mauer an das hethitische Nesa und verfügte doch über eine eigene Rechtsprechung. …
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