Quantenpunkt-Laser
Seit kurzem gelingt es, regelmmäßig angeordnete Halbleiter-Cluster zu züchten, die nur wenige millionstel Millimeter groß sind und aus einigen tausend Atomen bestehen. Da solche Quantenpunkte je nach ihrer Größe Licht unterschiedlicher Wellenlänge emittieren und äußerst temperaturstabil sind, könen sie als hochwirksame Laser für die optoelektronische Datenübertragung dienen.
Seit den siebziger Jahren haben zahlreiche Forschungseinrichtungen in der ganzen Welt mit unterschiedlichsten Methoden versucht, auf kontrollierte Art und Weise ultrakleine, jedoch in Größe und chemischer Zusammensetzung uniforme Halbleiterteilchen zu erzeugen, die Quantenpunkte genannt werden (Spektrum der Wissenschaft, März 1993, Seite 52). Man hofft, aus solchen regelmäßig in einer Matrix angeordneten Clustern völlig neuartige photonische und elektronische Bauelemente herzustellen – zum Beispiel Quantenpunkt-Laser und Ein-Elektron-Transistoren (siehe "Elektronik mit einzelnen Elektronen" von Konstantin K. Licharew und Tord Claeson, Spektrum der Wissenschaft, August 1992, Seite 62).
Derartige Bauelemente erreichen insofern ein absolutes Minimum der Miniaturisierung, als ihre Wirkungsweise auf lediglich ein bis zwei Elektronen beruht. Im Falle des Quantenpunkt-Lasers hat das laser-aktive Medium nur ein zweifach besetzbares Energieniveau für Elektronen – das heißt, bereits zwei Elektronen reichen zur Überbesetzung aus, und schon ein einzelner Quantenpunkt zeigt die für einen Laser typische stimulierte Emission. Er könnte beispielsweise im Inneren eines Computers eine optische Verbindung zwischen zwei Chips ermöglichen, welche die Daten tausendfach schneller übertragen würde als eine elektrische Verbindung.
Energiespektren wie die künstlicher Atome
Bei Übergang zu mikroskopischen Dimensionen ändern sich die elektronischen Eigenschaften von Halbleiter-Objekten plötzlich: Sie hängen dann von der Geometrie ab, beispielsweise von ihrer Ausdehnung in einer Richtung. Dies ist ein rein quantenmechanischer Effekt.
In normalen makroskopischen Festkörpern läßt sich das Verhalten der Elektronen mit dem Bändermodell beschreiben: Die Atome des Kristallgitters erzeugen ein periodisches Potential, dessen Berge für die äußeren Hüllenelektronen leicht zu überwinden sind. Dadurch werden die erlaubten Energiezustände zu Bändern verschmiert, die durch verbotene Zonen (Bandlücken) getrennt sind. Legt man an das Objekt ein elektrisches Feld an, so verhält sich ein Elektron in einem Leitungsband fast wie ein freies Elektron im Vakuum: Es gewinnt – innerhalb gewisser Grenzen – kontinuierlich kinetische Energie und Impuls. Der Einfluß der regelmäßigen Anordnung der Atome im Kristallgitter äußert sich nur dadurch, daß die freie Elektronenmasse rechnerisch durch eine sogenannte effektive Masse ersetzt wird.
Hingegen weist das Energiespektrum eines Quantenpunktes keinerlei Ähnlichkeit mit dem eines Festkörpers auf, sondern gleicht dem eines künstlichen Atoms: Anstelle einer kontinuierlichen Energieverteilung beobachtet man nur noch wenige diskrete Niveaus.
Beispielsweise vermag das Potential eines Indiumarsenid-Quantenpunktes in einer Galliumarsenid-Matrix maximal zwei Elektronen zu binden und ähnelt insofern dem Potential eines Heliumkerns. Darum läßt sich ein Quantenpunkt (obwohl er aus Tausenden von Atomen besteht) tatsächlich als ein einzelnes in einer Falle gefangenes Atom betrachten. Die Energie eines gebundenen Ladungsträgers – dabei kann es sich bei Halbleitern um ein Elektron oder ein Loch handeln – hängt hier direkt von der Anzahl der Atome im jeweiligen Cluster ab. Somit ist auch die Wellenlänge des Lichtes, das bei der Rekombination von Elektronen und Löchern frei wird, bei einem Quantenpunkt aus beispielsweise 1000 Atomen verschieden von der eines aus 1001 Atomen.
Schon in den achtziger Jahren sagten zwei japanische Arbeitsgruppen um Yasuhito Arakawa an der Universität Tokio und Masahiro Asada am Tokyo Institute of Technology voraus, daß Halbleiter-Laser mit Quantenpunkten als aktivem Medium völlig neuartige Eigenschaften haben und klassischen dreidimensionalen Lasern weit überlegen sein würden. Dies sollte vor allem für die wichtigste Kenngröße eines Halbleiter-Lasers gelten, den sogenannten Gewinn g (englisch gain).
Schwingt ein Laser an, breitet sich die stimulierte Lichtemission zunächst nach Art einer Kettenreaktion im Medium aus, indem ein emittiertes Photon in anderen überbesetzten künstlichen Atomen weitere Emissionen auslöst. In diesem Anschwingbereich nimmt die Intensität der Lichtwelle mit der Länge der durchquerten Wegstrecke exponentiell zu – vergleichbar dem exponentiellen Absorptionsprozeß in einem opaken Material. Die diesen Zusammenhang beschreibende Funktion trägt den Gewinn g im Exponenten. Jenseits des Anschwingbereichs und der sogenannten Schwellstromdichte ist der Zusammenhang zwischen Ausgangsleistung und Länge nur noch linear, und derselbe Gewinn g – abzüglich Verluste – gibt nun die Steigung der entsprechenden Geraden an.
Die japanischen Forscher sagten für Galliumarsenid-Quantenpunkte mit einer Basislänge von zehn mal zehn Nanometern (millionstel Millimetern) in einer Aluminium-Galliumarsenid-Matrix einen gegenüber dreidimensionalem Material rund vierzigfach größeren Gewinn voraus. Außerdem erwarteten sie einen höheren differentiellen Gewinn (die Änderung des Gewinns mit der Ladungsträgerdichte) und somit eine höhere Anzahl von Lichtpulsen, die der Laser pro Sekunde zu emittieren vermag; entsprechend würde auch die Übertragungsrate bei optischer Datenübermittlung steigen. Und schließlich sollten der Theorie zufolge Quantenpunkt-Laser viel temperaturstabiler sein als herkömmliche Halbleiter-Laser. Diese haben die unangenehme Eigenschaft, daß ihre Schwellstromdichte – und somit ihre Ausgangsleistung bei konstantem Strom – extrem temperaturabhängig ist; darum müssen sie mittels komplizierter Kühleinrichtungen stabilisiert werden. Hingegen ist bei Quantenpunkt-Lasern im Idealfall überhaupt keine (und in der Praxis nur eine geringfügige) Temperaturabhängigkeit des Schwellstroms zu erwarten.
In den vergangenen 15 Jahren hat man auf unterschiedlichste Weise Quantenpunkte herzustellen versucht. Doch gelang es einfach nicht, auch nur eine der theoretisch erwarteten quantenmechanisch bedingten Injektionslaser-Eigenschaften zu demonstrieren. Das änderte sich erst im August 1994, als Nils Kirstaedter an unserem Institut der Technischen Universität Berlin ein neuartiges Verfahren benutzte: das selbstorganisierte Wachstum von Indiumarsenid-Quantenpunkten in einer Galliumarsenid-Matrix gemäß dem Stranski-Krastanov-Mechanismus. (Die bulgarischen Physiker Iwan Stranski und Leo Krastanov hatten diesen Wachstumsmodus bereits 1937 beim Studium von Ionenkristallen entdeckt und darüber der Akademie der Wissenschaften in Wien berichtet; Iwan Stranski war ab Anfang der vierziger Jahre Abteilungsleiter am Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie in Berlin.)
Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre hatten mehrere Forschergruppen in aller Welt das Wachstum extrem dünner Halbleiterschichten von nur wenigen Atomlagen Dicke auf einem Substrat mit anderer Gitterkonstante untersucht. Das gezielte und kontrollierte Abscheiden weniger Monolagen eines Halbleitermaterials auf einem andersartigen Substrat, Heteroepitaxie genannt, war erst mit der Entwicklung von Verfahren wie der Molekularstrahlepitaxie und der metallorganischen Gasphasenepitaxie möglich geworden. Dabei stellte sich heraus, daß die neue Schicht zwar zunächst flächenhaft wächst; doch dann bilden sich auf einer nur ein bis zwei Atomlagen dicken Benetzungsschicht separate Wachstumsinseln.
Selbstorganisiertes Wachstum
Im Jahre 1994 analysierten wir elektronenmikroskopische Aufnahmen von nominell vier Monolagen dicken Indiumarsenid-Schichten, welche zwischen zwei Galliumarsenid-Barrieren eingebracht worden waren. Wir fanden dabei heraus, daß das Indiumarsenid ein Muster von je etwa sechs Nanometer hohen Pyramiden gebildet hatte, die auf einer rund 0,4 Nanometer dicken Benetzungsschicht schwammen (Bild 1).
Die flächig aufgetragene Schicht zerfällt spontan in ein dreidimensionales System von Quantenpunkten, weil sich dadurch die im Gesamtsystem gespeicherte elastische Energie wesentlich verringert und ein optimaler Kompromiß zwischen verschiedenen einander teilweise aufhebenden Energien entsteht. Die Spitze der auf diese Weise entstehenden Pyramiden ist sogar völlig verspannungsfrei (Bild 2).
Zugleich entspricht ihre spontane Anordnung auf der Matrix dem theoretisch höchstmöglichen Ordnungszustand: Die Kanten aller Pyramiden liegen entlang der höchsten Symmetrierichtung des Kristalls, einer Kubuskante; diese ist, wenn man die elastischen Eigenschaften betrachtet, die sozusagen weichste aller Richtungen. Alle Pyramiden sind mehr oder weniger gleich groß – und sitzen obendrein in den Kreuzungspunkten eines quadratischen Gitters (Bild 3).
Im Jahre 1994 berichtete das Berliner Team von dieser Entdeckung, und gleichzeitig schlug eine Forschergruppe, der Vitali Shchukin aus Sankt Petersburg und wir angehörten, eine theoretische Erklärung für die neuartige Strukturbildung vor. Berechnet man die Gesamtenergie elastisch verzerrter dreidimensionaler Inseln auf einem Halbleitersubstrat mit anderer Gitterkonstante und berücksichtigt man die elastische Energie sowie die Energie der Oberflächen, der Flächenkanten und die Wechselwirkungsenergie zwischen den einzelnen Inseln, so ergibt sich tatsächlich für ein bestimmtes Verhältnis von Oberflächen- zu Kantenenergie ein Minimum der Gesamtenergie des Systems (Bild 4). Zudem wurde theoretisch vorhergesagt – und experimentell von der Berliner Gruppe bestätigt –, daß eine quadratische Pyramide energetisch günstiger ist als eine rechteckige; außerdem ist die einfache quadratische Anordnung mehrerer Quantenpunkte einer hexagonalen oder schachbrettförmigen überlegen (Bild 5).
Parallel dazu wurden ähnliche Quantenpunkt-Proben untersucht, die Frank Heinrichsdorff an unserem Institut mit einem anderen der modernen Epitaxieverfahren, der Abscheidung metallorganischer Verbindungen aus der Gasphase, hergestellt hatte. Dabei ergab sich, daß die beobachteten Ordnungsphänomene nicht von der Technik der Substratbeschichtung abhängen, sondern universellen Charakter haben; dies spricht für die Richtigkeit von Shchukins Theorie.
Bei beiden benutzten Depositionsverfahren kann man auch erreichen, daß sich die Pyramiden nicht entlang der Grundkante des kubischen Kristalls anordnen, sondern längs einer Flächendiagonale. Offensichtlich kommen hier kinetische Wachstumseinflüsse ins Spiel, die von den Details des jeweiligen Verfahrens abhängen. Da dessen Parameter aber kontrolliert veränderbar sind, lassen sich derartige Einflüsse leicht zur systematischen Manipulation der Strukturbildung nutzen. Daß man auf diese Weise die elektronischen und optischen Eigenschaften der einzelnen Quantenpunkte gezielt modifizieren kann ist für die Eigenschaften darauf basierender Bauelemente äußerst wichtig.
Ein weiteres überraschendes – und folgenreiches – Ergebnis war, daß man aufeinandergestapelte Ebenen mit Quantenpunkten herzustellen vermag, wobei in jeder folgenden Ebene die Quantenpunkte an derselben Stelle liegen wie in der voraufgehenden darunter. Wie wir gezeigt haben, erzwingen durch die verschiedenen Schichten hindurchgreifende Verzerrungsfelder eine dreidimensionale Ordnung.
Praktische Bestätigungder Theorie
Als man in verschiedenen Labors in aller Welt die optischen Eigenschaften solcher Quantenpunkt-Systeme untersuchte, insbesondere ihre Photolumineszenz (die Emission von Licht bei kurzwelliger Bestrahlung), waren die ersten Ergebnisse allerdings völlig enttäuschend: Im Emissionsspektrum fand man statt der erwarteten ultraschmalen Linien breite, unstrukturierte Banden. Doch schließlich konnte einer von uns (Grundmann) mit hochortsaufgelösten Lumineszenz-Untersuchungen, in denen die Technische Universität Berlin weltweit führend ist, eindeutig nachweisen, daß die breiten Banden tatsächlich eine Vielzahl engster Linien enthalten (Bild 6).
Somit setzen sich die Banden eigentlich aus der Emission von Milliarden einzelner Quantenpunkte zusammen, die in ihrer Größe jeweils um einige wenige Moleküle voneinander abweichen oder sich in geringfügig unterschiedlichen Verzerrungszuständen befinden. Erst wenn man die Lumineszenz derartiger Systeme mit höchstmöglicher Ortsauflösung betrachtet, läßt sich die Emission eines einzelnen Quantenpunktes messen – beispielsweise als Funktion der Temperatur. Dabei haben sich erfreulicherweise die Voraussagen der Theoretiker über Existenz und Eigenschaften der künstlichen Atome voll bestätigt.
Parallel zu den detaillierten Untersuchungen der strukturellen, optischen und elektronischen Eigenschaften der Quantenpunkte entwickelten die Gruppen in Berlin und Sankt Petersburg sofort Halbleiter-Laser, die in ihrer aktiven Zone Quantenpunkte enthielten. Schon im Sommer 1994 zeigte sich, daß die bei der Temperatur von flüssigem Stickstoff (77 Kelvin) gemessenen Eigenschaften solcher Laser die theoretischen Voraussagen der japanischen Arbeitsgruppen bestätigten – insbesondere die hohe Temperaturstabilität der Schwellstromdichte. Jüngst wurde zudem nachgewiesen, daß die außergewöhnlichen Eigenschaften dieser Laser tatsächlich auf dem hohen Gewinn g des Materials der Quantenpunkte beruhen; er liegt etwa zehnmal so hoch wie bei eindimensionalen Quantendraht-Lasern und rund dreißigmal so hoch wie bei dreidimensionalen, also makroskopischen Lasern – exakt gemäß den Voraussagen der Theorie.
Und schließlich fand man auch einen extrem hohen differentiellen Gewinn, der prinzipiell eine viel schnellere optische Datenübertragung verspricht als mit bisherigen Injektionslasern. Dabei ist der Schwellstrom mit 20 Ampere pro Quadratzentimeter ebenfalls äußerst gering; er ist bei einem typischen dreidimensionalen Laser dieser Wellenlänge in der Regel größer.
In den anderthalb Jahren seit Entdeckung des Quantenpunkt-Lasers sind seine Eigenschaften durch gezielte Manipulation der strukturellen Architektur so modifiziert worden, daß nun die hohe Temperaturstabilität bis weit über Zimmertemperatur erhalten bleibt; darüber hat die Berlin-Petersburger Arbeitsgruppe um einen von uns (Bimberg) und um Zhores I. Alferov im Sommer 1996 auf einer Laser-Konferenz in Los Angeles (Kalifornien) erstmals berichtet. Nachdem in letzter Zeit einige der weltweit bedeutendsten Arbeitsgruppen in der Halbleiterphysik begonnen haben, auf diesem Gebiet zu arbeiten, beschleunigt sich der Fortschritt rapide: Noch in diesem Jahr werden verschiedene japanische Teams die ersten oberflächenemittierenden Laser und die ersten Transistoren vorstellen, die mit Quantenpunkten in den aktiven Zonen funktionieren.
Literaturhinweise
– Low Threshold, Large T0 Injection Laser Emission from (InGa)As Quantum Dots. Von N. Kirstaedter und anderen in: Electronics Letters, Band 30, Heft 17, Seiten 1416 bis 1417, 18. August 1994.
– InAs-GaAs Quantum Dots: From Growth to Lasers. Von D. Bimberg und anderen in: physica status solidi (B), Band 194, Seiten 159 bis 173, 1996.
– An Injection Heterojunction Laser Based on an Array of Vertically Coupled InAs Quantum Dots in a GaAs Matrix. Von Zh. I. Alferov und anderen in: Semiconductors, Band 30, Heft 2, Seiten 194 bis 196, 1996
Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 1996, Seite 64
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