Aufbruch ins Mittelalter II: Stadt, Land, Flucht
Die Landwirtschaft war im Römischen Reich wie in allen vormodernen Gesellschaften der wichtigste Wirtschaftszweig. So verwundert es nicht, dass die meisten seiner Einwohner auf dem Land lebten. Das galt zumindest zeitweise sogar für die Angehörigen der Oberschicht. Mochten sie auch durch Ämter und gesellschaftliche Verpflichtungen an die Stadt gebunden sein, bezogen sie den Großteil ihrer Einkünfte doch von ihren Landgütern, den "villae rusticae". Daher hielten sie sich regelmäßig dort auf, um nach dem Rechten zu sehen, aber auch, um der Hektik der Metropolen eine Weile zu entfliehen. Weil sie dabei nicht auf einen standesgemäßen Rahmen verzichten wollten, waren diese Güter entsprechend ausgestattet. So entstand ab der mittleren Republik der Typus der ländlichen Villa, die einerseits eine Betriebseinheit für die Produktion beispielsweise von Getreide, Wein oder Olivenöl darstellte, andererseits eine luxuriöse Elitenresidenz.
Das traf ebenso auf Gallien zu, wo sich im Zuge der Romanisierung seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. eine zum italischen Kernland analoge Siedlungs- und Wirtschaftsweise etabliert hatte. Die Veränderungen, die Gallien vom mittleren 3. bis zum späten 6. Jahrhundert erlebte, sollten sich daher auch in der Entwicklung des ländlichen Raums widerspiegeln. Doch leider sind nur wenige geeignete schriftliche Quellen über die Verhältnisse dort erhalten. Literarische Texte etwa aus der Feder des Ausonius oder des Sidonius Apollinaris neigten zu einer romantischen Verklärung und konzentrierten sich überdies auf das Leben der Besitzenden, während die Situation der einfachen Landbevölkerung in den Hintergrund trat. Archäologische Forschungen können diese Lücke schließen, seien es Ausgrabungen oder Oberflächenprospektionen. Bislang sind aber nur wenige ländliche Siedlungsplätze in Gallien großflächig und mit modernen Methoden ergraben worden. Bei Villen lag der Fokus zudem meist auf den Hauptgebäuden, lieferte also vor allem Informationen zu den Lebensumständen der Oberschicht. Auch systematische, das heißt in einem definierten Raster erfolgende Begehungen, bei denen jedes Artefakt, und sei es noch so klein, verzeichnet wird, um beispielsweise anhand von Häufungen bestimmter Fundkategorien auf funktionale Zusammenhänge zu schließen, wurden bislang zu selten unternommen.
Die wenigen Ausnahmen wie in vom Braunkohleabbau betroffenen Regionen von Köln lassen aber bereits an etablierten Vorstellungen zweifeln. So wurde in der Spätantike offenbar häufiger wieder mit Holz gebaut. Weil davon nur geringe Reste erhalten geblieben sind, haben Archäologen solche Strukturen früher oft übersehen beziehungsweise niedriger bewertet als die Überreste steinerner Bauten. ...
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