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Wissenschaft und Wirtschaft in Ostdeutschland


Die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu fördern gehört zu den politischen Schwerpunkten des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie. Sie soll unter anderem durch Reduzierung der staatlichen (Fest-)Finanzierung von Forschungseinrichtungen und durch den Wettbewerb der Forscher untereinander um Drittmittel gestärkt werden. Das Ziel dieser neuen politischen Strategie ist es, durch Druck auf die Wissenschaft die in Deutschland unübersehbare Innovationsschwäche der Wirtschaft zu überwinden.

Solche Versuche sind indes bereits in der DDR gescheitert. Auch neue Untersuchungen aus den USA bescheinigen derartigen Maßnahmen keine positiven Auswirkungen: Die Kürzung öffentlicher Mittel für Forschung und Entwicklung (FuE) hat eher zur Folge, daß auch die Wirtschaft in diesem Bereich spart. Dabei ist gerade in Ostdeutschland ein Aufschwung aus eigener Kraft nur mit neuen Verfahren und Erzeugnissen möglich. Im Zuge der Eingliederung in das westdeutsche marktwirtschaftliche System ist jedoch seit 1989 das FuE-Potential hier auf etwa ein Drittel gestutzt worden; das konnte nicht zu einer günstigen Entwicklung beitragen, sondern dürfte innovationshemmend wirken.

Auch die alten Bundesländer begannen bereits Ende der achtziger Jahre, also noch vor der deutschen Einheit, FuE-Kapazitäten zu reduzieren. Bis 1994 sind in der Wirtschaft 34000 Beschäftigte in Forschung und Entwicklung, das sind fast 12 Prozent, abgebaut worden; heute verfügt die Wirtschaft in ganz Deutschland nur noch über so viel FuE-Personal wie 1989 allein die alte Bundesrepublik. Lediglich die Hochschulforschung ist auch in den alten Bundesländern gewachsen – und zwar allein durch Drittmittel (Bild 2).

Insofern ist es nicht verwunderlich, daß in Ostdeutschland der Abbau von FuE-Arbeitsplätzen in der Wirtschaft, die überwiegend an westdeutsche Unternehmen privatisiert wurde, besonders drastisch ausfiel. Von 86000 FuE-Beschäftigten im Jahre 1989 sind nur noch 22000, das sind 25 Prozent, übriggeblieben, während die Zahl aller Beschäftigten in der ostdeutschen Industrie von 3,2 auf etwa 1,0 Millionen, also auf weniger als ein Drittel, sank. Ihr Anteil an den Erwerbstätigen betrug 1995 nur noch 16 Prozent gegenüber 34 Prozent 1989. Obwohl seit 1993 kaum mehr Stellen abgebaut werden, ist auch weiterhin eher damit zu rechnen, daß die Zahl der Beschäftigten insgesamt wie auch derjenigen in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Wirtschaft stagniert oder sogar sinkt. Im folgenden gehe ich auf unterschiedliche Veränderungen in Umfang und Struktur der Industrie näher ein, die sich besonders negativ auf FuE ausgewirkt haben.


Minimierung der Betriebsgrößen

Die Kombinate und Betriebe der DDR sind teils aufgegliedert, teils verkleinert oder liquidiert worden; dadurch sind Großbetriebe mit mehr als 10000 Beschäftigten völlig verschwunden und sogar Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten selten geworden. Damit hat sich nicht nur die Situation im Vergleich zur DDR geändert; es entstand auch eine völlig andere Unternehmensstruktur als in den alten Bundesländern. In derartigen Firmen mit mehr als 10000 Beschäftigten sind über 50 Prozent des gesamten FuE-Personals der Wirtschaft tätig. Diese Untenehmen vermögen dadurch außer angewandter Forschung und Entwicklung sogar in gewissem Umfang Grundlagenforschung zu betreiben.

Hingegen dominierten schon in der DDR Unternehmen mit nur 1000 bis 5000 Beschäftigten; und bestehen blieben in den neuen Bundesländern einschließlich Ostberlins lediglich kleine und mittlere oder sind neu entstanden. Die Anzahl kleiner Unternehmen ist insbesondere durch Ableger von Treuhandanstalt-Firmen und den früheren drei großen Forschungsakademien der DDR weiter angewachsen. Die Quote der Zugänge aus den Akademien und den Hochschulen ist dabei quantitativ so gering, daß sie weder den Empfehlungen des Wissenschaftsrats entspricht noch ein merkliches Gegengewicht zum Abbau von FuE-Personal in der Industrie bilden kann.

Fast 90 Prozent des gesamten FuE-Personals der ostdeutschen Wirtschaft befinden sich jetzt in kleinen und mittleren Unternehmen, darunter über 50 Prozent in Firmen mit weniger als 100 Beschäftigten. Dagegen haben die kleinen und mittleren Unternehmen in den alten Bundesländern nur einen Anteil von 14,6 Prozent an den FuE-Beschäftigten der Wirtschaft, die Untergruppe der Betriebe mit weniger als 100 Beschäftigten gar nur 4,9 Prozent. Seit Mitte der achtziger Jahre geht zudem der Anteil der kleinen und mittleren Unternehmen an den FuE-Gesamtaufwendungen zurück.

Sinkender Anteil FuE-intensiver Branchen

Die besonders auf Forschung und Entwicklung angewiesenen Wirtschaftszweige – chemische Industrie, Elektrotechnik und Fahrzeugbau – hatten bereits in der DDR geringere Anteile an der gesamten Industrie als in der alten Bundesrepublik. Daß gerade diese Branchen überdurchschnittlich vom Rückgang der Produktion und vom Stellenabbau betroffen waren hat sich auf die FuE-Kapazität der ostdeutschen Industrie besonders nachteilig ausgewirkt.

Das Verhältnis zwischen den Beschäftigten in diesem Bereich und der Gesamtbevölkerung beziehungsweise allen Erwerbstätigen war 1989 in beiden deutschen Staaten nahezu gleich. Bis 1993 hatten sich jedoch deutliche Unterschiede herausgebildet: In den alten Bundesländern betrug die Relation von FuE-Beschäftigten im Wirtschaftssektor zur Bevölkerung 43 zu 10000 und die zu den Erwerbstätigen 99 zu 10000, in den neuen dagegen 12 beziehungsweise 28. Die ostdeutsche FuE-Intensität kommt demnach nur noch auf reichlich ein Viertel der westdeutschen.


Entkoppelung von Produktion und FuE

Die Strategie, Betriebe zu privatisieren statt zu sanieren, hat erheblich dazu beigetragen, daß die organisatorische Trennung von FuE und Produktion, wie sie in der DDR teilweise üblich war, weiter verstärkt wurde. Inzwischen sind die aufeinander angewiesenen Tätigkeitsbereiche sogar weitgehend entkoppelt.

Dies drückt sich einmal darin aus, daß ein erheblicher Teil der Betriebe, insbesondere nach ihrer Privatisierung, FuE nicht mehr oder allenfalls in geringem Umfang betreibt. Das Engagement westdeutscher Unternehmen dient häufig nur dem Erhalt oder Ausbau von Produktionskapazitäten; Neues dagegen wird nur selten in Ostdeutschland erdacht und erprobt. So spielen Forschung und Entwicklung bei Großvorhaben der Chemie, des Fahrzeugbaus und der Elektrotechnik eine häufig untergeordnete oder gar keine Rolle. Eigene und andere Untersuchungen bestätigen das Wort von der verlängerten Werkbank, daß ostdeutsche Tochterfirmen westdeutscher Unternehmen sehr begrenzten Spielraum bei FuE-Entscheidungen haben.

Zum anderen gibt es viele kleine, weitgehend auf FuE spezialisierte Unternehmen, vor allem im Dienstleistungssektor. Zu ihnen gehören jene, die als Forschungs-GmbH firmieren; sie sind aus den früher juristisch selbständigen FuE-Zentren der DDR-Kombinate hervorgegangen, die damals über 20 Prozent des gesamten FuE-Personals der Industrie beschäftigten. Bis auf wenige Ausnahmen sind diese Zentren nicht wieder in Betriebe integriert, sondern stark verkleinert als eigenständige Gesellschaften weitergeführt worden. Von den ursprünglich 38 Einrichtungen dieser Art konnten sich 23 – mit sehr viel weniger Mitarbeitern – in das Jahr 1991 retten; zugleich entstanden 71 neue FuE-Unternehmen.

Inzwischen ist durch Aus- und Neugründungen die Zahl ähnlich profilierter Unternehmen nach Schätzungen der Bundesregierung bis 1994 auf etwa 200 mit insgesamt etwa 4000 Mitarbeitern weiter angewachsen. Sie beschäftigen mithin etwa 20 Prozent des FuE-Personals der Wirtschaft in Ostdeutschland; ein beachtlicher Teil der Forschung und Entwicklung findet also gar nicht in den produzierenden Unternehmen selbst, sondern in spezialisierten wirtschaftsnahen Einrichtungen statt.

Da der Anteil der FuE-Tätigen an allen Beschäftigten in kleinen Unternehmen durchschnittlich mehr als 30 Prozent beträgt, lag die (inzwischen bestätigte) Vermutung nahe, daß diese Firmen ihre FuE-Aktivitäten nicht aus eigener Kraft finanzieren können. Etwa 80 bis 90 Prozent der FuE-treibenden ostdeutschen Firmen erhalten denn auch öffentliche Förderung, und 80 Prozent der Mittel entfallen auf kleine und mittlere Unternehmen. Ursprünglich sollten diese Hilfen nur die Umstellung auf marktwirtschaftliche Bedingungen unterstützen; jedoch vermag der überwiegende Teil der Industrieforschungseinrichtungen in Ostdeutschland selbst heute noch nicht ohne öffentliche Förderung zu existieren. Ihr Anteil an den FuE-Gesamtaufwendungen der ostdeutschen Wirtschaft beträgt etwa 50 Prozent, während es in den alten Bundesländern im zivilen Bereich nur knapp 5 Prozent sind.

All diese Veränderungen in der Wirtschaft haben auf ihre Beziehungen zur Wissenschaft einen doppelten Effekt: Zum einen sind innovative Großbetriebe als finanzstarke Auftraggeber und Kooperationspartner der akademischen Wissenschaft beim Erarbeiten anwendungsreifer Forschungsergebnisse in Ostdeutschland nahezu völlig verschwunden; zum anderen agieren die übriggebliebenen und neugegründeten FuE-intensiven Kleinunternehmen selten als Auftraggeber, vielmehr viel öfter als Konkurrenten der akademischen Forschung. Ein funktionsfähiges Innovationssystem ist also aus den in den letzten Jahren entstandenen Unternehmen, aus der in ihnen bewahrten Industrieforschung und aus der anwendungsnahen öffentlichen Forschung und Entwicklung noch nicht erwachsen.

Dennoch sind die FuE-Kapazitäten außerhalb der Wirtschaft trotz oder wegen ihrer Umgestaltungen inzwischen zu einem der wenigen günstigen Standortfaktoren Ostdeutschlands geworden. Durch die Umstrukturierung und Erneuerung der Universitäten und Hochschulen sowie die Neugründung von Einrichtungen der außeruniversitären Forschung nach dem Muster der alten Bundesländer ist in relativ kurzer Zeit ein Potential entstanden, das in Umfang und Struktur ungefähr demjenigen in den alten Bundesländern entspricht (Bild 2).

So waren 1993 im Hochschulsektor 15,3 und in der außeruniversitären Forschung 15,5 Prozent des gesamtdeutschen FuE-Personals dieser Sektoren eingesetzt; in der Wirtschaft betrug der ostdeutsche Anteil hingegen nur 7,5 Prozent, jener der Ausgaben für FuE sogar nur 4,1 Prozent. Damit entfielen in den neuen Bundesländern auf die öffentliche Forschung und Entwicklung 56,9 Prozent des gesamten FuE-Personals und sogar 66,4 Prozent der FuE-Ausgaben, während es in den alten Bundesländern nur 35,8 beziehungsweise 25,8 Prozent sind. In Ostdeutschland gibt es demnach ein deutliches Übergewicht der öffentlichen Forschung und Entwicklung in Relation zur FuE in der Wirtschaft; das Verhältnis beträgt etwa 1,5 bis 2 zu 1. Dagegen liegt diese Relation in den alten Bundesländern gerade umgekehrt bei 1 zu 2 bis 3 zugunsten der Wirtschaft.

Die inneren Organisationsstrukturen der öffentlichen Forschung und Entwicklung begünstigen überdies eine Orientierung hin zur Anwendung. Es gibt relativ mehr Hoch- und Fachhochschulen sowie relativ mehr Ausbildungsmöglichkeiten für Ingenieure und Agrarwissenschaftler. Auch die außeruniversitäre Forschung weist eine nach Organisationen und Fachgebieten günstige Struktur für regionale Innovationsbedürfnisse auf: Institute der Blauen Liste, Forschungseinrichtungen der Länder und Institute der Fraunhofer-Gesellschaft sind überdurchschnittlich vertreten. Sie verfügen zusammen über zwei Drittel des Personals der außeruniversitären Forschung, in den alten Bundesländern dagegen nur über etwa ein Drittel. Die meisten ostdeutschen Institute der Blauen Liste sind außerdem – im Unterschied zu westdeutschen – Forschungseinrichtungen, und zwar mit überwiegend naturwissenschaftlich-technischem Profil. Hingegen haben Großforschungseinrichtungen, die Max-Planck-Gesellschaft und Bundesforschungsanstalten in den neuen Bundesländern geringeren Anteil.

Die in der DDR traditionell engen Verbindungen der akademischen Wissenschaft zur Industrie und eine entsprechende Personalstruktur haben gleichfalls dazu beigetragen, öffentliche Forschung und Entwicklung stärker auf Anwendung hin zu orientieren. Durch die Evaluierung sind die leistungsfähigsten und für die neuen Profile am besten geeigneten Wissenschaftler aus früheren DDR-Einrichtungen ausgewählt worden; sie haben durch ihre Sozialisierung eine positive Grundeinstellung zur praktischen Nützlichkeit selbst von Grundlagenforschung und verfügen über Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit der Industrie – wenn auch in anderem Kontext. Dies sind auch jetzt gute Voraussetzungen, zumal die meisten der neugebildeten ostdeutschen Institute, darunter insbesondere die vielen der Blauen Liste, bei ihrer Gründung eben gerade auf anwendungsorientierte (Grundlagen-) Forschung verpflichtet worden sind. Weil Stellen befristet und zu einem großen Teil durch Drittmittel finanziert wurden, war ein ökonomischer und oft sogar existentieller Anreiz für alle Einrichtungen und Wissenschaftler geschaffen, sich um die Einwerbung bezahlter Forschungsaufträge zu bemühen. Verschiedene Untersuchungen bestätigen entsprechende Anstrengungen und Erfolge.

Schließlich wurden all die Vermittlungsinstitutionen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, die für die alte Bundesrepublik typisch sind, auch in den neuen Bundesländern eingeführt. In dieser Hinsicht gibt es kaum mehr Unterschiede.


Verbindungen zwischen öffentlicher FuE und Wirtschaft

Die Situation der ostdeutschen öffentlichen Forschung und Entwicklung ist mitbestimmt von der schwierigen Beschaffung von Geldern außerhalb der Grundfinanzierung. So konstatierte der Wissenschaftsrat 1995: "Insgesamt ist in der Bundesrepublik Deutschland ein zunehmender Wettbewerb universitärer und außeruniversitärer Forschungseinrichtungen im Bereich der ergänzenden Förderung festzustellen. Forschungseinrichtungen sind auf einen Drittmittelmarkt angewiesen, der äußerst angespannt ist. Die Ablehnungsquoten der Deutschen Forschungsgemeinschaft sind relativ hoch; außerdem werden bisher Anträge zur Hauptarbeitsrichtung außeruniversitärer Einrichtungen in der Regel nicht entgegengenommen. Der Spielraum für eine Erhöhung der Projektmittel des Bundes wird auch in den nächsten Jahren begrenzt sein. Auf eine Steigerung des ohnehin nicht sehr hohen Anteils an Mitteln aus der Industrie kann nicht gebaut werden."

Die Einwerbung von Drittmitteln ist für die ostdeutsche Wissenschaft dadurch besonders erschwert. In den Hochschulen sind die Forschungskapazitäten und damit auch der Leistungsumfang noch nicht auf dem Niveau der alten Bundesländer. Die wesentliche Ursache dafür sind die mit der Umstrukturierung und personellen Erneuerung verbundenen Probleme. Unter anderem wurden bis 1993 die forschungsintensiven Stellen im Mittelbau um 50 Prozent gegenüber 1989 reduziert und die verbliebenen meist befristet; die allgemeine Neuberufung von Professoren verlief stark verzögert, so daß selbst 1994 erst 60 Prozent der Stellen und Ende 1995 kaum 80 Prozent besetzt waren. Außerdem fehlt es noch an Ausrüstung, und vor allem sind an den Gebäuden gravierende Mängel zu beheben.

Zwar ist 1994 mit der Konsolidierung der Personalsituation an den ostdeutschen Hochschulen eine überdurchschnittliche Erhöhung ihrer Ausgaben für Forschung erreicht worden: Es gab ein Wachstum um 11 Prozent und eine Erhöhung des Anteils in Gesamtdeutschland von 14,7 auf 15,3 Prozent. Gleichwohl trat bereits 1995 wieder eine Stagnation im absoluten Umfang und ein Rückgang des Anteils auf 15,2 Prozent ein.

In der ostdeutschen außeruniversitären Forschung dagegen ist inzwischen eine leistungsfähige Basis geschaffen worden, die teils sogar moderner als in den alten Bundesländern ist, und die neuen Einrichtungen haben sich weitgehend stabilisiert. Außer durch die Umstrukturierung und Neuprofilierung wurde dies mit erheblichen Investitions- und Sachmitteln erreicht. So wird für die letzten drei von zehn Fraunhofer-Instituten ab Januar 1997 die Befristung aufgehoben; zwar wurden drei von zwölf Außenstellen westdeutscher Fraunhofer-Institute Ende 1995 geschlossen, die übrigen neun jedoch werden unbefristet weitergeführt.

Die ostdeutschen Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft konnten die eigenen Erträge von 38 Millionen Mark 1992 auf 91 Millionen Mark 1995 steigern. Obwohl sich damit dieser Anteil an den gesamten Erträgen ihrer Vertragsforschung von 8,3 auf 15,8 Prozent erhöht hat, liegt er immer noch unter dem der westdeutschen Einrichtungen – wobei auch hier der zur Zeit hohe Investitionsanteil mitspielt. Die eigenen Erträge kommen in Ostdeutschland zu einem Drittel aus dem öffentlichen Bereich, knapp die Hälfte aus der Wirtschaft; diese Relationen entsprechen denen in den alten Bundesländern. Ein großer Teil, rund zwei Drittel der Wirtschaftserträge in Höhe von 43 Millionen Mark 1995 (gegenüber 29 Millionen 1994 und 20 Millionen 1993) kam jedoch auch 1995 noch aus den westlichen Bundesländern. Dies gilt nach unseren Erkenntnissen für den gesamten akademischen Bereich.

Zieht man alle Bedingungen in Betracht, ist die steigende Einwerbung von Drittmitteln durch die öffentliche Forschung und Entwicklung Ostdeutschlands aber bereits als beträchtlicher Erfolg zu werten. Wenn dabei zwei Drittel des von der Industrie investierten Geldes von westdeutschen Unternehmen stammen, so spricht gerade das für die Leistungsfähigkeit und das Engagement der Einrichtungen und ihrer Mitarbeiter – sonst wäre ihnen der anspruchsvolle und relativ geschlossene FuE-Markt in den alten Bundesländern nicht zugänglich gewesen.

Andererseits beweist der hohe Anteil überregional eingeworbener Mittel, daß die öffentlich geförderten Institutionen der Wirtschaft in Ostdeutschland erst (zu) wenige Impulse geben. Alle genannten Faktoren sprechen dafür, daß Mangel an Aufnahmefähigkeit und Innovationsaktivitäten der ostdeutschen Unternehmen die Ursache ist. Erst mit weiteren Veränderungen der ökonomischen Struktur und Dynamik können und werden sich diese Beziehungen weiter intensivieren. Besonders nachteilig wirkt sich aus, daß Universitäten und Institute der Blauen Liste für ihre mehr grundlagenbezogenen Forschungsergebnisse, die hohe Ansprüche an das wissenschaftlich-technische Niveau und den Investitionsaufwand der Entwicklung zur Marktreife stellen, kaum leistungsfähige Partner in der ostdeutschen Wirtschaft finden, so daß von den wichtigsten Ideen und Konzepten bisher vorrangig westdeutsche Unternehmen profitieren.

Dennoch geht bereits jetzt der Einfluß der öffentlichen Forschung und Entwicklung auf das Innovationsgeschehen in Ostdeutschland zum Teil weit über die formalen Beziehungen hinaus. So unterhalten Universitäten und Fachhochschulen viele Verbindungen zu Industrieverbänden sowie kleinen und mittleren Unternehmen in ihrer Region. Sie beruhen oft auf früheren Kontakten und werden kaum je vertraglich geregelt beziehungsweise als Drittmittel-Aufträge ausgewiesen. Umgekehrt konsultieren Firmen Hochschulinstitute und Einrichtungen der außeruniversitären Forschung; durch deren Forschungsleistungen für westdeutsche Unternehmen werden wiederum manchmal auch erhebliche Fertigungsaufträge und innovatorische Folgeleistungen in ostdeutschen induziert.

Auf Dauer werden in den neuen Bundesländern die öffentliche Forschung und Entwicklung und die Wirtschaft aber nur in Wechselwirkung vorankommen. Deshalb muß insbesondere die Innovationskraft der Unternehmen auf eine Weise gefördert werden, die nicht zu Lasten der Finanzierung von FuE geht.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 1996, Seite 42
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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