Meeresbiologie: Ausgestorbene Haiart - frisch auf dem Markt!
Erst ein einziges Exemplar des Glattzahn-Schwarzspitzenhais kannten Wissenschaftler – und das war bereits über hundert Jahre alt. Der österreichische Volkskundler Wilhelm Hein hatte es 1902 von einer Jemen-Expedition mitgebracht. Seine lange Abwesenheit ließ befürchten, der Glattzahn-Schwarzspitzenhai sei ausgestorben, teilweise wurde sogar bezweifelt, dass er eine eigene Art darstellt. Bis er vom Meeresforscher Alec Moore bei einer Forschungsreise im Jahr 2008 wiederentdeckt wurde – auf einem Fischmarkt in Kuwait, 3000 Kilometer von seinem ersten Fundort entfernt. Bei gezielteren Nachforschungen auf Fischmärkten auf der gesamten arabischen Halbinsel konnten daraufhin 47 weitere Exemplare aufgespürt werden.
Immer wieder werden Arten, die man für ausgestorben hielt – oder gar völlig unbekannte Arten – nicht im Ozean, sondern an den Verkaufsständen von Fischhändlern entdeckt. Da Fischer schlichtweg größere Kapazitäten – wenngleich andere Absichten – beim Durchsuchen der Ozeane haben als Meeresforscher, sind sie in der Regel effektiver im Aufspüren seltener Arten, freilich meist ohne es zu ahnen. Im Forscherteam um Alec Moore von der Bangor University in Wales fanden sie zuletzt besonders interessierte Kunden.
Die durch die Einkäufe neu gewonnenen Daten nutzten die Wissenschaftler in den letzten Monaten dazu, die Eigenschaften des Glattzahn-Schwarzspitzenhais genauer zu beschreiben [1]. So stellten sie beispielsweise fest, dass die Fische mit bis zu 1,65 Metern länger werden können, als bisher gedacht. Auch über ihre Ernährung, Fortpflanzung und Verbreitung konnten neue Informationen gewonnen werden. Ein kurioses Detail: Beim genaueren Hinsehen fanden die Forscher auch feine Zacken an den oberen Zähnen der Tiere. Seinen Namen trägt der Glattzahn-Schwarzspitzenhai also eigentlich zu unrecht.
Die Wiederentdeckung bedeutet übrigens nicht automatisch, dass in den Gewässern vor der arabischen Halbinsel eine gesunde Population lebt. Vermutlich bleibt der Glattzahn-Schwarzspitzenhai vom Aussterben bedroht – und ist damit nicht allein. Eine ebenfalls kürzlich veröffentlichte Studie [2] von Forschern um Nicholas Dulvy von der Simon Fraser University in Burnaby (Kanada) dokumentiert, dass ein Viertel aller 1041 bekannten Hai-, Rochen- und Seekatzenarten gemäß den Kategorien der Roten Liste der Gefährdeten Arten als bedroht eingestuft werden muss. In der aufwendigen weltweiten Untersuchung konnten lediglich 23 Prozent der Knorpelfische der untersten Kategorie "nicht gefährdet" ("least concern") zugeordnet werden.
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