Bildungspolitik: Besser nichts wissen
Es ist nur ein Satz in der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Grünen in Niedersachsen, aber er zeigt deutlich, wohin die Reise geht. "Das Projekt HannoverGEN wird beendet", heißt es auf Seite 76 des Dokuments unter der Überschrift "Gentechnikfreies Niedersachsen". Der Beschluss markiert den vorläufigen Höhepunkt einer Kampagne, in der Lobbyorganisationen wie Greenpeace mit aller Macht versuchen, eine sachliche und informierte Diskussion über grüne Gentechnik zu verhindern – letztendlich mit Erfolg.
Das Projekt HannoverGEN, das seit 2008 niedersächsische Schüler mit Methoden und Fragestellungen rund um die grüne Gentechnik vertraut machen soll, war von Anfang an dem Vorwurf des Industrielobbyismus ausgesetzt – obwohl Kritik an Agrar-Gentechnik in den Unterrichtsmaterialien ein prominentes Thema ist. Außerdem wird das Projekt nahezu vollständig vom Land Niedersachsen und der Stiftung Zukunfts- und Innovationsfond Niedersachsen finanziert, und der Unterricht findet an staatlichen Schulen durch reguläre Lehrkräfte statt.
Einen echten Beleg für die vermutete problematische Einflussnahme seitens der Industrie bleiben die Kritiker des Projekts bislang schuldig, stattdessen müssen die beteiligten Pädagogen wüste Beschimpfungen über sich ergehen lassen: Von "Gehirnwäsche" ist die Rede, welche die Lehrer dort betreiben würden. Immerhin die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft hat sich in einer unter anderem von Biolandbau-Unternehmen finanzierten Studie inhaltlich mit den Lehrmaterialien auseinandergesetzt und findet die Kritik an der grünen Gentechnik unter anderem "verkürzt dargestellt". Das ist ein diskutabler Standpunkt, aber kaum eine Rechtfertigung für hysterische Vorwürfe.
Um inhaltliche Fragen scheint es im Grunde sowieso nicht zu gehen. Die Kritiker von HannoverGEN fordern nicht etwa eine ausgewogenere Darstellung mit überarbeiteten Unterrichtsmaterialien – das Projekt muss unbedingt ganz gestoppt werden. Niedersächsische Schülerinnen und Schüler haben nichts über grüne Gentechnik zu lernen, Punkt! Sonst könnten sie sich womöglich eine Meinung bilden, die der neuen rot-grünen Landesregierung und den Umweltaktivisten im Hintergrund nicht in den Kram passt.
Diese Episode ist ein weiteres Beispiel dafür, wie die legitime Kritik an Gentechnik in der Landwirtschaft zunehmend in einen gefährlichen Fundamentalismus umschlägt, der sich einer informierten Diskussion mehr und mehr verweigert. Eine eigene Meinung scheinen die Kritiker von HannoverGEN weder Schülern noch Lehrern zuzutrauen, und Letzteren schon gar keinen unabhängigen Unterricht. Stattdessen hält man sie lieber vom unliebsamen Wissen fern, nicht dass sie noch auf den Pfad der Untugend geführt werden. Es ist ein bedenkliches Menschenbild, das hier durchscheint – und ein schlechtes Zeichen für die Zukunft.
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