Mond: Das heiße Herz des alten Mondes
Im Allgemeinen gilt unser Mond als ein Musterbeispiel einer geologischen Museumswelt ohne jegliche innere Aktivität. Die Oberfläche unseres Trabanten, sieht man einmal von den Einschlägen von Asteroiden und Kometen ab, hat sich seit mehr als drei Milliarden Jahren kaum mehr verändert. Somit wird der Mond als geologisch tot angesehen. Als kleiner Himmelskörper verlor er sehr viel rascher die Wärme aus seiner Entstehung vor rund 4,5 Milliarden Jahren als die mehr als 81-mal so massereiche Erde. Nun fand eine Forschergruppe um Yuji Harada von der China University of Geosciences in Wuhan anhand von Messungen und numerischen Simulationen heraus, dass zumindest das tiefe Innere unseres Erdtrabanten nicht so tot ist wie bislang angenommen.
Die Forscher schließen aus ihren Untersuchungen auf eine teilweise geschmolzene Gesteinsschicht in den tiefsten Lagen des Mondmantels in einer Tiefe von 1240 Kilometern unterhalb der Mondoberfläche, die von seinem Zentrum rund 1738 Kilometer entfernt ist. Diese tiefe Schicht enthält zumindest einige Prozent an Gesteinsschmelze und umgibt den flüssigen äußeren Kern des Mondes, der aus einer Legierung von Eisen und Nickel besteht. Die flüssige Schicht ist etwa 80 Kilometer dick, darunter schließt sich der feste innere Kern an, der ebenfalls aus metallischem Eisen und Nickel besteht. Mit einem Durchmesser von nur 440 Kilometern hat der Mond nur einen ausgesprochen kleinen Eisenkern. Zum Vergleich: Der metallische Erdkern hat etwa den Durchmessser des Mars und enthält etwa ein Drittel der Erdmasse beziehungsweise die 27-fache Masse des Mondes.
Um diesen aufgeschmolzenen Schichten im Inneren des Mondes auf die Schliche zu kommen, nutzten die Forscher um Harada präzise Messdaten der Umlaufbahnen der japanischen Mondsonde Kaguya, des chinesischen Mondorbiters Chang'e-1 und den beiden US-Sonden Lunar Reconnaissance Orbiter und GRAIL. Aus den Bahndaten der Umläufe dieser Sonden um den Mond lassen sich die geringen Verformungen des Mondes bei seinen Umlauf um die Erde nachweisen. Dabei wirkt die Schwerkraft unseres Planeten auf den Mond ein. Die Mondbahn ist etwas elliptisch, und der Abstand des Erdtrabanten zu uns variiert deswegen um etwa 45 000 Kilometer. Durch die unterschiedlichen Abstände ändert sich die Stärke der auf den Mond einwirkenden Erdschwerkraft. Der Mond rotiert mit einer konstanten Umdrehungsgeschwindigkeit um seine Achse, so dass bei seinen Umläufen die durch die Erde erzeugten Gezeitenberge etwas hin- und herwandern. Dabei wird in den Gesteinen im Inneren des festen Mondes Wärme durch Reibung erzeugt – dieser Vorgang heißt Gezeitenreibung.
Die Forscher um Harada nutzten die aus den Bahndaten ermittelten Verformungen in numerischen Simulationen des Mondinneren. Dabei griffen sie auch auf die Messdaten der Seismometer zurück, die in den späten 1960er bis frühen 1970er Jahren von den Astronauten der Apollomissionen auf dem Erdtrabanten aufgestellt wurden. Neuere Auswertungen der von ihnen zurückgefunkten Messdaten hatten schon darauf hingewiesen, dass es im tiefen Inneren des Mondes Bereiche gibt, an denen die Geschwindigkeiten der Erdbebenwellen abnehmen. Dies zeigt sich besonders deutlich bei den so genannten S- oder Scherwellen, die nur in Festkörpern weitergeleitet werden, in Flüssigkeiten gar nicht. Schon wenige Prozent einer Gesteinsschmelze senken daher deutlich die Wellengeschwindigkeit. Im flüssigen äußeren Kern des Mondes werden die S-Wellen überhaupt nicht weitergeleitet.
Schon früher war über eine Aufheizung des Mondes durch Gezeitenreibung durch die Erde nachgedacht worden. Diese Untersuchungen zeigten jedoch, dass die Reibungsenergie durch die Gezeiten nicht ausreicht, das gesamte Mondinnere signifikant aufzuheizen, wie etwa beim Jupitermond Io. Dieser Jupitertrabant ist in seinem Inneren so extrem heiß, dass der komplette Mond weit gehend aufgeschmolzen vorliegt und es an seiner Oberfläche ständig zu Vulkanausbrüchen kommt. Geht man aber, wie es die Simulationen von Harada und seinen Koautoren nahelegen, davon aus, dass sich die Gezeitenreibung auf den untersten Teil des Mondmantels beschränkt, dann reicht die dabei erzeugte Wärme aus, um ihn zumindest teilweise aufzuschmelzen. Diese Wärme hält auch den äußersten Bereich des Mondkerns warm, so dass er nach wie vor flüssig ist.
Frühere numerische Simulationen konnten die mit Raumsonden beobachteten Verformungen des Mondes nicht reproduzieren. Die jetzt vorgestellten Ergebnisse über den Aufbau und den Zustand des Mondinneren passen nun gut mit den Beobachtungen zusammen. Somit ist unser Mond also nicht völlig tot und hat noch ein warmes Herz.
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