Migranten: Das Trauma nach der Flucht
Ihre Heimat? Die gibt es nicht mehr, sagen Abdi und Amira (Namen und Fallgeschichte anonymisiert) aus Somalia. Die islamistische Al-Shabaab-Miliz hat die Dörfer, in denen sie mit ihren Eltern und Geschwistern lebten, eingenommen und zerstört. Die beiden jungen Leute lernten sich auf der Flucht kennen, wurden ein Paar. Drei Jahre dauerte ihre Odyssee durch mehrere afrikanische Länder. Dann bestiegen sie einen Kahn, wagten die lebensgefährliche Überfahrt über das Mittelmeer nach Italien, strandeten in einem hoffnungslos überfüllten Flüchtlingslager.
Sie fliehen weiter, nach Deutschland, stellen dort Asylanträge. Doch da sie zuvor in Italien registriert wurden, erklären sich die deutschen Behörden für "nicht zuständig". Es droht eine Überstellung an Italien, obwohl bekannt ist, dass dort weder eine menschenwürdige Unterbringung noch ein faires Asylverfahren gewährleistet sind. Amira hat große Angst. Sie ist schwer traumatisiert – und schwanger.
Eine Berliner Kirchengemeinde erfährt von der Situation den beiden und gewährt ihnen Kirchenasyl, bis die sechsmonatige Frist für eine Überstellung nach Italien verstrichen ist. Dies verleiht ihnen zwar noch keine Aufenthaltserlaubnis, aber immerhin müssen ihre Asylanträge nun in Deutschland geprüft werden. Während des Kirchenasyls lernen Amira und Abdi ein wenig Deutsch. Abdi macht sich durch verschiedene freiwillige Tätigkeiten in der Gemeinde nützlich. Er kann es kaum erwarten, eine richtige Arbeit zu finden. Mit der Aufnahme des Asylverfahrens wird jedoch ein Landkreis in Brandenburg zuständig. Amira und Abdi müssen in ein abgelegenes, überfülltes Flüchtlingswohnheim umziehen, das schon mehrfach Ziel rechtsextremer Übergriffe war.
Ein Integrationskurs wird bis zur Entscheidung über den Asylantrag nicht finanziert, ebenso wenig eine Psychotherapie für Amira, deren Angstzustände sich seit dem Umzug in die Massenunterkunft wieder verschlimmert haben. Abdi darf sich wegen des dreimonatigen Arbeitsverbots für Asylbewerber zunächst keinen Job suchen. Bemühungen, das Paar in den Räumen einer Kirchengemeinde im zuständigen Landkreis unterzubringen, scheitern am Veto des dortigen Kirchenvorstands.
Die Geschichte von Abdi und Amira ist kein Einzelfall, sondern steht für viele ähnliche Flüchtlingsschicksale. Offensichtlich gibt es in Deutschland keinen Konsens darüber, wie wir mit Menschen umgehen, die Schutz bei uns suchen. Die Frage, wie viele und welche Flüchtlinge aufgenommen werden und welchen Platz sie in unserer Gesellschaft einnehmen sollen, wird derzeit so kontrovers diskutiert wie zuletzt in den 1990er Jahren. Ein Großteil derjenigen, die es bis nach Deutschland schaffen, wird aber mittel- bis langfristig hier leben. Die zentrale Frage lautet daher nicht, ob wir Flüchtlinge integrieren wollen, sondern wie dies gelingen kann.
Zunächst müssen viele Asylsuchende die traumatischen Erlebnisse verarbeiten, die sie vor und während ihrer Flucht, teils auch nach ihrer Ankunft in Deutschland erlebt haben. 2011 folgerten deutsche Traumaforscher aus der Studienlage, dass rund die Hälfte aller Flüchtlinge die Erfahrungen von Krieg und Vertreibung nicht überwindet, sondern eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) entwickelt (siehe "Schlüsselbegriffe"). Sie entsteht verzögert, erst Monate, manchmal auch Jahre später, und beeinträchtigt Denken und Fühlen oft so stark, dass die Betroffenen sich aus dem sozialen Leben zurückziehen.
Die Folgen des Grauens
Dass Opfer von Folter oder Vergewaltigung an ihren Erfahrungen zerbrechen können, kann jeder gut nachvollziehen. Ob ein Ereignis als traumatisch erlebt wird, hängt aber nicht nur von seiner Art und Intensität ab. Zum Trauma wird es, wenn ein Mensch die Situation als so lebensbedrohlich oder ausweglos empfindet, dass seine individuellen Fähigkeiten zur Bewältigung nicht ausreichen. Zahlreiche Faktoren spielen dabei eine Rolle, zum Beispiel vorangegangene traumatisierende Erfahrungen, persönliche Strategien der Verarbeitung, aber auch, ob jemand soziale Unterstützung durch Angehörige oder Freunde erhält.
Traumatische Erlebnisse gehen mit überwältigenden Gefühlen von Angst, Hilf- und Ausweglosigkeit einher. Der Körper reagiert in diesem Moment extrem: Die Muskeln sind wie gelähmt, Herzschlag und Blutdruck sinken auf ein Minimum. Dabei können Sinneswahrnehmungen, beispielsweise Schmerz, als nicht mehr zum Körper gehörig erlebt werden, und derjenige hat das Gefühl, sich gleichsam unbeteiligt von außen zu beobachten. Ein solches Erleben bezeichnen Fachleute als Dissoziation.
Dieser Mechanismus mindert zwar das akute Leiden, seine längerfristigen Folgen können jedoch fatal sein: Die negativen Emotionen und Sinnesreize werden nicht ins autobiografische Gedächtnis integriert, sondern unzusammenhängend und weit gehend losgelöst von Ort und Zeitpunkt des Geschehens gespeichert. Werden sie später durch einen bestimmten Auslöser – sei es ein Geruch, Geräusch oder Bild – reaktiviert, empfinden Betroffene diese "Flashbacks" nicht als Erinnerungen, sondern als gegenwärtige Eindrücke. Dabei gelingt es ihnen nicht, die Flut an schmerzvollen und angstbesetzten Bildern und Gefühlen willentlich zu kontrollieren.
Paradoxerweise kann die veränderte Erinnerungsleistung die Chancen auf Anerkennung des Asylantrags mindern. Denn während der Anhörung wird die Glaubwürdigkeit des Antragstellers unter anderem danach beurteilt, wie zusammenhängend, widerspruchsfrei und detailliert er seine Fluchtgeschichte vorträgt. 2014 unterzogen Forscher vom University College London Flüchtlinge einem standardisierten autobiografischen Gedächtnistest. Sie bestätigten dabei, dass sich schwer traumatisierte Menschen an länger andauernde Umstände ("Ich lebte bei meinem Onkel"), nicht jedoch an einzelne Ereignisse gut erinnern.
Schlüsselbegriffe
Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
Bekannteste Traumafolgeerkrankung – eine Reaktion auf eines oder mehrere Ereignisse, die sich durch außergewöhnliche Bedrohung oder katastrophales Ausmaß charakterisieren lassen. Häufig fühlen sich die Betroffenen hilflos und in ihrem Selbst- und Weltverständnis grundlegend erschüttert.
Postmigrationsstressoren
Alle mit der Einwanderung verbundenen Umstände, welche die psychische Gesundheit der Flüchtlinge messbar beeinträchtigen.
Dissoziation
Das Gehirn verarbeitet Wahrnehmungen abgetrennt vom Bewusstsein und verhindert, dass sie als Erinnerung ins autobiografische Gedächtnis eingehen.
Psychotraumatologie
Befasst sich mit der Erforschung und Behandlung der Folgen traumatischer Ereignisse bei einzelnen Menschen oder Gruppen.
Durch psychologische Gutachten können Traumatisierungen im Asylverfahren zwar geltend gemacht werden, sie werden aber von den Entscheidern des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge nicht zwangsläufig berücksichtigt. Im Einzelfall scheitert es oft schon daran, dass niemand das Gutachten bezahlt oder es nicht rechtzeitig vorliegt. Die Entscheider selbst, welche die Anhörung durchführen, erkennen eine Posttraumatische Belastungsstörung nur selten, wie 2006 ein Team um Frank Neuner von der Universität Konstanz feststellte. Unter 76 ausgewählten Erstantragstellern hatten Psychologen bei jedem zweiten bis dritten die Störung diagnostiziert. Die 16 eigens dafür geschulten Mitarbeiter des Bundesamts dagegen vermuteten sie nach der Anhörung nur bei jedem zehnten.
Die Flucht ist zu Ende, das Trauma wirkt weiter
So geschieht es immer wieder, dass ausgerechnet jene Flüchtlinge, denen auf Grund schwerer Verfolgung besonderer Schutz in Deutschland zustehen würde, diesen nicht erhalten. Die Betroffenen müssten erst das Erlebte verarbeiten, bevor sie ihre Schutzwürdigkeit glaubhaft darlegen können. Jedoch verbietet sich die therapeutische Bearbeitung des Traumas, solange ein Patient emotional nicht stabilisiert ist. Dazu würde ein gesicherter Aufenthaltsstatus beitragen, wie eine Studie an der Universität Düsseldorf von 2012 belegt. Die Psychologen Christian Gerlach und Reinhard Pietrowsky verglichen zwei Patientengruppen von Flüchtlingen; alle litten an einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Die einen waren nur "geduldet", die anderen besaßen eine Aufenthaltserlaubnis: Letztere hatten nicht nur weniger Angst, sondern zeigten insgesamt deutlich mildere PTBS-Symptome.
Die Flucht ist zu Ende, doch wie das Trauma weiterwirkt, hängt entscheidend davon ab, welchen psychologischen Belastungen die Flüchtlinge bei uns ausgesetzt sind. Der Arzt und Psychoanalytiker Hans Keilson war der Erste, der Traumatisierung nicht als Folge eines einzelnen Ereignisses, sondern als Prozess auffasste. Wegen des Berufsverbots für jüdische Ärzte in der NS-Zeit emigrierte Keilson 1936 aus Deutschland in die Niederlande. Dort kümmerte er sich um traumatisierte jüdische Waisenkinder, die in holländischen Pflegefamilien in Sicherheit gebracht worden waren.
Bei der wiederholten Untersuchung der Kinder bis ins Erwachsenenalter stellte er fest, dass die Folgen der Traumatisierung auch nach Ende der nationalsozialistischen Verfolgung und bis weit in die Nachkriegszeit andauerten. Es zeigte sich: Die psychische Gesundheit der Waisen und ihre gesellschaftliche Integration als Erwachsene hingen weniger von der Schwere der frühen traumatischen Erlebnisse ab als vielmehr von der Fürsorge und emotionalen Unterstützung, welche die Kinder in den Jahren nach Kriegsende erhalten hatten!
Jüngere Langzeiterhebungen dazu, wie sich die Integrationsfähigkeit von Flüchtlingen im Aufnahmeland entwickelt, sind rar. Doch es gibt eine Studie norwegischer Forscher, die 61 Flüchtlinge aus Vietnam zweimal Anfang der 1980er Jahre im Abstand von drei Jahren und dann wieder ab 2005 untersuchten. Die psychische Befindlichkeit der ehemaligen Flüchtlinge hatte sich insgesamt zwar verbessert, lag aber noch 20 Jahre später deutlich unter dem Niveau der allgemeinen Bevölkerung. Je massiver die psychischen Probleme in den ersten drei Jahren waren, umso mehr "kulturelle Anpassungsschwierigkeiten" bestanden auch noch nach zwei Jahrzehnten, erklärten die Wissenschaftler Mitte 2015.
Wie wirken sich negative Erfahrungen nach der Ankunft im jeweiligen Aufnahmeland auf die psychische Gesundheit der Flüchtlinge aus? Als "Postmigrationsstressoren" belasten sie die emotionale Stabilität nachweislich, etwa: die Unterbringung in überfüllten Massenunterkünften, sich über viele Monate hinziehende, bürokratische Abläufe des Asylverfahrens, die aufflackernde Angst vor der Asylanhörung oder Feindseligkeiten seitens der einheimischen Bevölkerung. Besonders die drohende Abschiebung, so zeigen Befragungen, lässt Gefühle der Todesangst, Hilf- und Ausweglosigkeit wieder aufleben und setzen damit den Traumatisierungsprozess fort.
Hilfsangebote zielen allerdings in die falsche Richtung, wenn Flüchtlinge als passive, bemitleidenswerte oder gar psychisch kranke Opfer betrachtet werden. Viel hilfreicher ist es, sie als Überlebende von Krieg und Verfolgung anzuerkennen, die jetzt, im Aufnahmeland, ihr Leben wieder selbst in die Hand nehmen wollen.
Aufenthaltsstatus entscheidet über soziale Teilhabe
Eine restriktive Einwanderungspolitik, die das verwehrt, verhindert dagegen die Integration. Das belegt eine australische Studie von 2011. Ein Forscherteam um Zachary Steel von der University of New South Wales verglich zwei Gruppen von Flüchtlingen aus Afghanistan und dem Iran: Die einen besaßen eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung und durften daher kostenlos Sprachkurse belegen, die anderen hatten nur einen befristeten Aufenthaltsstatus. Bei Letzteren verstärkten sich binnen zwei Jahren Depressionen, Ängste und Sorgen, sie zogen sich sozial zurück und lernten kaum Englisch. Ganz anders die Flüchtlinge mit unbefristetem Aufenthalt. Ihre Englischkenntnisse verbesserten sich deutlich, sie nahmen zunehmend an sozialen Aktivitäten teil und waren insgesamt, psychisch wie körperlich, gesünder.
Integration ist keine Einbahnstraße. Sie erfordert Respekt und Veränderungsbereitschaft auch auf Seiten der einheimischen Bevölkerung und ihrer Institutionen. Der enorme Anstieg der Asylbewerberzahlen in Deutschland hat einerseits eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst, andererseits aber auch dazu geführt, dass Teile der Bevölkerung ihren pauschal ablehnenden Ansichten gegenüber Fremden verstärkt Luft machen. Im Extremfall gipfeln diese in Gewalttaten gegenüber Asylsuchenden oder in Anschlägen auf Flüchtlingswohnheime. 2014 wurden 175 rechtsmotivierte Übergriffe registriert, dreimal mehr als im Vorjahr. Und nicht nur Taten können verletzen: Schon das Gefühl, diskriminiert zu werden, verstärkt die depressiven Symptome, erklärten im April 2015 Forscher aus Südkorea, nachdem sie rund 260 Flüchtlinge befragt hatten.
Besonders die drohende Abschiebung lässt Gefühle der Todesangst, Hilf- und Ausweglosigkeit wieder aufleben und setzen damit den Traumatisierungsprozess fort
Abwertende Einstellungen gegenüber Asylsuchenden sind kein isoliertes Phänomen. Der Sozialwissenschaftler Wilhelm Heitmeyer und seine Forschergruppe am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld bezeichnet es als ein "Syndrom der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit". Denn Menschen, die gegenüber einer bestimmten sozialen Gruppe wie Asylbewerbern negativ eingestellt sind, tendieren häufig auch dazu, andere Minderheiten abzuwerten. Sie stimmen typischerweise Aussagen zu wie "Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken". In seiner Studie "Deutsche Zustände" untersuchte das Team Ausmaß, Entwicklung und Ursachen solcher Einstellungen von 2002 bis 2011 durch jährliche repräsentative Befragungen.
Laut der letzten Erhebung sind Fremdenfeindlichkeit sowie Abwertung von Asylbewerbern und anderen Minderheiten in allen sozialen Schichten weit verbreitet. Im bürgerlichen Milieu fanden die Bielefelder Forscher über die Jahre hinweg eine zunehmende Tendenz, die grundsätzliche "Gleichwertigkeit" aller Menschen in Frage zu stellen und sie nach ihrem wirtschaftlichen Nutzen zu beurteilen. Auch die seit 2006 von der Friedrich-Ebert-Stiftung initiierten "Mitte-Studien" bestätigen diesen Trend. Gerade die gesellschaftliche Mitte wird demnach hinsichtlich ihrer Normen und Werte zunehmend "fragil"; der bislang weit gehende Konsens bezüglich demokratischer Ideale und Grundrechte bröckelt. In der aktuellsten Untersuchung stimmte bald die Hälfte der Befragten vorurteilsgeleiteten, abwertenden Aussagen über asylsuchende Menschen zu.
Der rasche Anstieg der Asylbewerberzahlen in den vergangenen Monaten hat in vielen Kommunen dazu geführt, dass bestehende Erstaufnahmeeinrichtungen und Wohnheime stark überbelegt sind und Flüchtlinge zunehmend in Notquartieren wie Turnhallen und Containerdörfern einquartiert werden. Bereits 2001 konstatierten die Psychologen Matt Porter und Nick Haslam an der New School, einer Universität in New York, in einer Metaanalyse von 14 Studien, dass die psychische Gesundheit von Asylbewerbern in Flüchtlingslagern wesentlich stärker leidet, als wenn sie privat untergebracht sind. Dabei erhöhen erneute Erfahrungen von existenzieller Unsicherheit und Hilflosigkeit in den überfüllten Massenunterkünften das Risiko für eine Posttraumatische Belastungsstörung oder Depression.
Was Vorurteile zum Schwinden bringt
Aber es gibt noch weitere Nachteile von Massenunterkünften. Vorurteile gegenüber Flüchtlingen sind zwar in allen Bevölkerungsschichten verbreitet, gedeihen aber dort besonders gut, wo nur wenig Gelegenheit zu persönlichem Kontakt besteht. Schon 1954 stellte der US-amerikanische Psychologe Gordon Allport die These auf, dass eine Begegnung zwischen sozialen Gruppen unter bestimmten Bedingungen zum Abbau gegenseitiger Vorurteile und Feindseligkeiten führt – etwa wenn sich die Gruppenmitglieder "auf Augenhöhe" begegnen, sie gemeinsame Ziele verfolgen oder der Kontakt durch angesehene Persönlichkeiten oder staatliche Institutionen gezielt unterstützt wird.
Im Jahr 2006, also ein halbes Jahrhundert später, bestätigten die Sozialpsychologen Thomas Pettigrew und Linda Tropp in einer Metaanalyse anhand der Daten von 515 Studien den Effekt. Selbst wenn nicht alle von Allport benannten Voraussetzungen erfüllt waren, wirkte sich die Begegnung zwischen unterschiedlichsten Gruppen durchgängig günstig auf die gegenseitige Bewertung aus.
So kann die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen in kleineren Einheiten und mitten in Wohngebieten dazu beitragen, in der einheimischen Bevölkerung Vorurteile abzubauen und positive Kontakte zu fördern. Die Asylbewerber werden nicht mehr als anonyme Masse wahrgenommen, sondern als Personen mit individuellen Schicksalen und Kompetenzen. Eine einzelne Flüchtlingsfamilie oder eine Wohngemeinschaft erscheinen auch der unmittelbaren Nachbarschaft weniger bedrohlich als eine große Asylbewerberunterkunft. Doch in vielen Städten mangelt es an Sozialwohnungen ebenso wie an privaten Vermietern, die bereit sind, Wohnraum günstig zur Verfügung zu stellen.
Aus psychologischer Sicht sollten die Bemühungen um die Flüchtlingsintegration auf drei Ebenen ansetzen: zum einen auf der individuellen Ebene durch den Ausbau geeigneter psychotherapeutischer, kultursensibler Behandlungsmöglichkeiten. Dies erfordert die Weiterbildung von Therapeuten und Dolmetschern sowie eine einfache Regelung der Kostenübernahme. Zum anderen auf der politischen Ebene durch Gesetzesänderungen und Investitionen, um Flüchtlingen die dringend benötigte Sicherheit zu geben, die sie brauchen, um ihre Traumatisierung zu überwinden. Eine uneingeschränkte Arbeitserlaubnis schafft Zukunftsperspektiven und ermöglicht ihnen, aus der Opferrolle herauszutreten und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Da das Erlernen der Landessprache einen der wichtigsten Integrationsfaktoren darstellt, sollten bereits Asylbewerber Anrecht auf einen kostenlosen Sprachkurs haben. Und nicht zuletzt braucht es eine gelebte Willkommenskultur, die sich von Abwertungen, Diskriminierungen und Gewalttaten gegenüber Asylbewerbern klar distanziert und für ein gleichberechtigtes Miteinander eintritt – mit Abdi und Amira ebenso wie mit jedem anderen Flüchtling.
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