Alternativmedizin: Die Denkfehler der Homöopathie
Homöopathie liegt im Trend. Viele Deutsche schwören auf ihre Heilkraft, und auch von offizieller Seite wird die Methode zunehmend anerkannt und akzeptiert: Immer mehr Krankenkassen zahlen für Globuli und homöopathische Tropfen. Doch hinter der Erfolgsgeschichte stecken vor allem logische Fehlschlüsse und systematische Verzerrungen im Denken, vor denen niemand gefeit ist. Wir alle erliegen ihnen hin und wieder. Gerade in der Homöopathie halten sich Scheinargumente, die auf Denkfehlern fußen, hartnäckig – vermutlich weil das Image einer sanften und natürlichen Heilung sehr anziehend wirkt und viele diesem Versprechen glauben möchten. Im Folgenden entkräften wir die gängigsten Argumente der Befürworter.
1. Persönliche Erfahrungen reichen als Wirksamkeitsbeleg nicht aus.
Die Homöopathie hat zwei Hauptprobleme: So zeigen methodisch hochwertige, unabhängige Studien ebenso wie die Gesamtbetrachtung des Forschungsstands, dass ihre Mittel nicht arzneilich wirken. Zudem ist ihr Ansatz aus naturwissenschaftlicher Sicht höchst unplausibel: Die betreffenden Arzneimittel enthalten oft nicht einmal Wirkstoffe (siehe »Die Prinzipien der Homöopathie«). Trotzdem glauben viele Menschen daran. Das häufigste Argument lautet: »Aber mir hilft's!« Solche anekdotischen Belege sind psychologisch äußerst überzeugend und auch nicht unbedingt unvernünftig. Allerdings ist persönliche Erfahrung nicht immer ein guter Ratgeber. Der menschliche Organismus ist extrem komplex, und so kann der Verlauf einer Erkrankung von sehr vielen Faktoren abhängen. Es ist praktisch unmöglich, diese in der eigenen Wahrnehmung voneinander zu trennen. Wer ein Mittel einnimmt und dann feststellt, dass sich sein Befinden bessert, kann nicht wissen, was passiert wäre, wenn er gar nichts getan oder eine Pille ohne Wirkstoff eingenommen hätte.
Hinzu kommt, dass unser Erleben oft durch psychologische Effekte verzerrt wird, die uns nicht bewusst sind. Ein besonders wichtiger ist der so genannte Bestätigungsfehler: Wer eine bestimmte Meinung hat, findet in der Regel Belege dafür, dass diese zutrifft. Der Sozialpsychologe Harold H. Kelley (1921-2003) demonstrierte in einem klassischen Versuch, wie Meinungen unsere Wahrnehmung beeinflussen. Er ließ zwei Gruppen von Studenten einen Vertretungsdozenten beurteilen. Der ersten Gruppe wurde der Dozent vorab als herzlich beschrieben, der zweiten als eher kühl. Die erste Gruppe beurteilte ihn daraufhin positiver als die zweite, obwohl beide dieselbe Vorlesung besucht hatten.
Ein solcher Effekt kann sich auch bei einer medizinischen Behandlung einstellen. Wer erwartet, dass eine Pille hilft, dem wird es häufig allein deshalb besser gehen. Außerdem kann eine positive Erwartungshaltung dazu führen, dass man leichter Belege für die Wirksamkeit findet. Vage Vorhersagen begünstigen dies. Homöopathen sagen mitunter alle möglichen Behandlungsergebnisse voraus: »Entweder das Medikament schlägt an, oder es dauert eine Weile, bis es besser wird. Vielleicht tritt aber auch eine Erstverschlimmerung ein, so dass sich Ihr Befinden zunächst verschlechtert. Wenn länger nichts passiert, schlägt das Medikament bei Ihnen nicht an. Dann müssen wir noch einmal schauen.« Damit sind alle Möglichkeiten abgedeckt. Eine davon muss eintreten, und die kann der Patient als Bestätigung heranziehen.
Wenn es um medizinische Fragen geht, sollte man einzelnen Erfahrungsberichten also mit einer ordentlichen Portion Skepsis begegnen. Hinreichende Gewissheit über die Wirkung einer medizinischen Behandlung bringen nur systematische Studien (siehe »Wie klinische Studien funktionieren«).
2. Studienergebnisse sind mit Vorsicht zu betrachten.
Homöopathen wenden oft ein, dass es ja Studien gibt, die eine Wirkung ihrer Methode nahelegen. Das stimmt. Wer daraus jedoch folgert, ihre Wirksamkeit sei damit bewiesen, begeht einen Fehlschluss – aus mehreren Gründen. Jede Studie hat eine gewisse Irrtumswahrscheinlichkeit, die durch den so genannten p-Wert gemessen wird. Gemeinhin wird eine Studie als »statistisch signifikant« angesehen, wenn der p-Wert fünf Prozent oder kleiner ist. Das bedeutet, dass man das erzielte Resultat mit einer Wahrscheinlichkeit von fünf Prozent oder weniger auch dann erhalten hätte, wenn tatsächlich keine Wirkung besteht. Das ist in etwa die Wahrscheinlichkeit, mit zwei Würfeln, die gleichzeitig geworfen werden, eine Eins und eine Zwei zu werfen. Die Wahrscheinlichkeit eines irrtümlich positiven Testergebnisses ist also gering. Allerdings steigt sie mit der Anzahl der Studien an. Wenn Sie zwei Würfel 13-mal werfen, dann liegt die Wahrscheinlichkeit, dass Sie einmal die Kombination von Eins und Zwei bekommen, bei über 50 Prozent! Wenn Sie Studien mit einem wirkungslosen Medikament durchführen, dann beträgt die Wahrscheinlichkeit dafür, mindestens ein statistisch signifikantes Ergebnis zu erhalten, bei 14 Studien also mehr als 50 Prozent. Es gibt mittlerweile mehrere hundert Studien zur Homöopathie. So ist leicht zu erklären, dass es positive Ergebnisse gibt, obwohl die betreffenden Mittel nicht wirken.
Je mehr wir uns wünschen, dass etwas wahr ist, desto vorsichtiger müssen wir sein. Die Behauptung eines Beobachters genügt nie
Carl Sagan, Astronom
Es existieren jedoch mehr Studien pro Homöopathie, als man allein auf Grund der Irrtumswahrscheinlichkeit erwarten würde. Einige davon weisen aber gravierende methodische Mängel auf. Deswegen machen Metastudien und systematische Überblicksarbeiten, die solche methodisch schwachen Studien einbeziehen, deutlich, dass sich hieraus keine verlässlichen Schlüsse ziehen lassen. Diejenigen Reviews, die den Forschungsstand zusammenfassen und nur hochwertige Untersuchungen berücksichtigen, stufen die Homöopathie dagegen als arzneilich unwirksam ein. Hinzu kommt, dass positive Studienergebnisse mit etwa doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit veröffentlicht werden wie negative. Dieses als »publication bias« bekannte Phänomen ist ein allgemeines Problem im Bereich der medizinischen Forschung, es betrifft nicht allein die Homöopathie. Wenn man alle diese Aspekte zusammennimmt, ergibt die gegenwärtige Forschungslage, dass homöopathische Arzneimittel sehr wahrscheinlich nur durch den Placeboeffekt wirken.
3. Auch bei Kindern und Tieren kann der Placeboeffekt auftreten.
Überzeugte Nutzer verweisen oft darauf, Homöopathie wirke auch bei Kleinkindern und Tieren. Und diese wüssten gar nicht, dass sie behandelt werden, daher könnten sie nicht die Erwartung haben, dass die Behandlung ihnen hilft. Folglich könne sie nicht allein durch den Placeboeffekt wirken.
Auch in diesem Argument steckt ein Denkfehler. Denn wer sagt, dass es nur einen Mechanismus für den Placeboeffekt gibt? Der Placeboeffekt scheint nicht einmal vorauszusetzen, dass Patienten eine Besserung erwarten. Eine Studie des Mediziners Ted Kaptchuk von der Harvard University ergab, dass Placebos sogar dann helfen können, wenn die Patienten wissen, dass es sich um ein Scheinmedikament handelt. Bei Kindern und Tieren gibt es einen weiteren Wirkmechanismus: »placebo by proxy«. Hier vermittelt den Effekt eine andere Person, die mit einer Wirkung rechnet. Die Eltern beziehungsweise Tierhalter benehmen sich beispielsweise optimistischer und entspannter, was sich günstig auf den Krankheitsverlauf auswirkt. Studien belegen die Placebowirkung durch Nahestehende hinlänglich.
Die Prinzipien der Homöopathie
Die Homöopathie geht auf Ideen des deutschen Arztes Samuel Hahnemann (1755-1843) zurück. Im Kern basiert sie auf zwei Grundsätzen: Gemäß dem Ähnlichkeitsprinzip werden zur Behandlung gesundheitlicher Leiden Mittel eingesetzt, die bei Gesunden die Symptome hervorrufen, von denen man die Patienten befreien möchte. So werden etwa Brennnesseln als Basis für ein Mittel gegen Juckreiz verwendet. Der Grundsatz der Potenzierung besagt zudem, dass die Wirksubstanz mit einer Trägersubstanz schüttelnd verdünnt werden soll – üblicherweise in den Schritten von 1:10 (D-Potenzen) oder 1:100 (C-Potenzen). Damit soll die Wirksamkeit gesteigert werden. Die meisten dieser Mittel, die Homöopathen für besonders wirksam halten, werden so stark verdünnt, dass letztlich kein einziges Molekül des Wirkstoffs mehr im fertigen Präparat enthalten ist. Homöopathen gehen davon aus, dass darin eine »Energie« oder »Information« der Substanz übrig bleibt. Dafür gibt es jedoch keinerlei wissenschaftliche Belege.
Außerdem achten wir sehr genau auf jedes Anzeichen einer Besserung, wenn wir diese erwarten. Ein ähnliches Phänomen ist als »Rosenthal-Effekt« in der Psychologie gut bekannt. 1963 ließ der Psychologe Robert Rosenthal Probanden Ratten durch ein Labyrinth schicken und notieren, wie gut sich die Tiere dabei anstellten. Es gab zwei Gruppen von Ratten, die zuvor als besonders schlau oder dumm deklariert wurden. Wer mit angeblich klugen Nagern arbeitete, bewertete ihre Leistung im Experiment wohlwollender. Wie man seither weiß, kann die Messung von Behandlungseffekten dadurch verzerrt werden, dass die Beteiligten eine bestimmte Erwartung haben.
4. Auch eine »individuelle Behandlung« ist überprüfbar.
Manche Befürworter haben es aufgegeben, klinische Studien für ihre Argumentation heranzuziehen. Sie behaupten stattdessen, solche Studien hätten im Fall der Homöopathie keine Aussagekraft. Homöopathen seien bemüht, immer genau das Präparat zu finden, das für einen ganz bestimmten Patienten passend ist. Zwei Menschen, die beide über Kopfschmerzen klagen, erhalten zum Beispiel nicht unbedingt das gleiche Mittel. Daher ließe sich Homöopathie grundsätzlich nicht mit klassischen klinischen Studien überprüfen.
Dieses Argument beruht ebenfalls auf einem Denkfehler. Denn natürlich lässt sich testen, ob individuell verordnete Präparate eine Wirkung haben. Dazu muss man lediglich entsprechende Test- und Vergleichsgruppen bilden. Der einen Gruppe gibt man jeweils das Medikament, das der Homöopath individuell verschrieben hat, der anderen gibt man ein Placebo. Dann wertet man die Daten aus – genau wie bei jeder anderen Studie auch. Das wurde bereits mehrmals gemacht. Überzeugende Hinweise für die arzneiliche Wirksamkeit der Homöopathie ließen sich auf diesem Weg nicht finden.
Wie klinische Studien funktionieren
In einer klinischen Studie bildet man mindestens zwei Gruppen von Probanden, die man in möglichst jeder Hinsicht völlig gleich behandelt – mit einer Ausnahme: Die Testgruppe bekommt ein Medikament mit Wirkstoff, die Kontrollgruppe ein wirkstoffloses Scheinmedikament. Dieses Placebo kann zum Beispiel über eine positive Erwartungshaltung das Befinden der Patienten ebenfalls verbessern.
In so genannten Doppelblindstudien dürfen weder die Patienten noch die Ärzte wissen, wer in welcher Gruppe ist. Auf diese Weise wird ausgeschlossen, dass man den Placeboeffekt, der sich in beiden Gruppen einstellen sollte, mit dem Effekt des zu prüfenden Medikaments verwechselt.
Weil die vielen Einflussgrößen, die sich auf den Krankheitsverlauf auswirken können, nicht zu überblicken sind, arbeiten Medizinforscher außerdem mit einer großen Zahl zufällig ausgewählter Probanden, so dass sich die individuellen Variationen ausgleichen und das Ergebnis nicht verzerrt wird. Dieses Vorgehen nennt man Randomisierung. Am Ende lässt sich mit einer bestimmten Irrtumswahrscheinlichkeit feststellen, ob das eingesetzte Medikament eine Wirkung hat oder nicht.
5. Die Beweislast lässt sich nicht auf die Skeptiker abwälzen.
Einige Anhänger meinen, die Beweislast liege bei den Kritikern der Homöopathie. Der Journalist Jens Jessen schrieb etwa vor einigen Jahren in der »Zeit«: »Aus dem Umstand, dass sich etwas nicht erklären oder mit gegenwärtigen Methoden nicht nachweisen lässt, folgt keineswegs, dass es nicht existiert. Gell, meine Herren Schulmediziner? Einen solchen Schluss lässt auch die strenge Erkenntnistheorie nicht zu. Die gleiche Skepsis, die gegen die Homöopathie spricht, lässt sich auch zu ihren Gunsten bemühen.«
Dieses Argument verschiebt die Beweislast auf die Seite derjenigen, die an einer bestimmten Behauptung zweifeln. Das wirkt auf den ersten Blick vernünftig, denn warum sollten sich immer nur die Homöopathen rechtfertigen? Wäre es nicht fair, wenn man den Spieß auch einmal umdreht?
Doch Vorsicht – die meisten möglichen Hypothesen sind falsch. Den Weihnachtsmann und die Zahnfee gibt es nicht, obwohl ihre Nichtexistenz nie bewiesen wurde. Deswegen muss sich immer derjenige rechtfertigen, der etwas behauptet, und nicht derjenige, der an der jeweiligen Behauptung zweifelt.
Diese Maxime hat der englische Schriftsteller Christopher Hitchens einmal treffend so ausgedrückt: »Was ohne Beleg behauptet werden kann, kann auch ohne Beleg verworfen werden.« Das gilt umso mehr, wenn die fragliche Behauptung von vornherein unplausibel ist. Bei der Homöopathie ist das der Fall. Sie behauptet, es gebe eine Wirkung ohne Wirkstoff. Diese These lässt sich nicht mit unserem gesicherten Wissen in Einklang bringen. Außerdem widerspricht sie unserer Alltagserfahrung über die Wirkung von Verdünnung. Wenn Sie weniger Kaffeepulver verwenden, würden Sie wahrscheinlich auch nicht erwarten, dass Ihr Kaffee stärker wird – selbst wenn Sie kräftig schütteln. Natürlich könnte das im Fall der Homöopathie anders sein. Aber das wäre schon ziemlich bemerkenswert! Wer das behauptet, muss eben auch außerordentlich starke Belege liefern.
6. Wenn Homöopathie wirken würde, wüssten wir es.
Wer auf den Mangel an wissenschaftlichen Belegen, auf das Plausibilitätsdefizit und auf das Problem der Beweislast hinweist, dem wird gerne das berühmte Hamlet-Zitat entgegengehalten: »Es gibt mehr Ding im Himmel und auf Erden, als eure Schulweisheit sich träumt!«
Es kann tatsächlich sein, dass wir bestimmten Tatsachen mit wissenschaftlichen Methoden noch nicht oder sogar nie auf den Grund gehen können. Es ist zum Beispiel denkbar, dass anderswo im Universum intelligentes Leben existiert. Trotzdem gibt es keine Garantie, dass wir das mit unseren heutigen und künftigen wissenschaftlichen Methoden jemals erfahren. Die vermeintliche Wirkung der Homöopathie wäre aber keine solche Tatsache. Wenn sie wirken würde, wüssten wir es. Schließlich stellt die Homöopathie Hypothesen auf, die sich problemlos testen lassen.
Nur weil viele Menschen etwas annehmen, muss es noch lange nicht stimmen. Sonst bräuchten wir keine wissenschaftlichen Studien mehr, sondern wir könnten einfach über die Effektivität einer medizinischen Behandlung abstimmen
Wahrscheinlich beruht der Gedanke auf einer grundlegenden Verwirrung, die sich auflöst, wenn man zwei Fragen trennt: ob Homöopathie wirkt und wie sie wirkt. Erstere kann man ziemlich einfach durch klinische Studien beantworten. Die zweite braucht man dann eventuell gar nicht mehr zu stellen. Es wäre aberwitzig zu fragen, wie die Methode wirkt, wenn es keine vernünftigen Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie das tut. Ähnlich seltsam wäre es, zu fragen, wie Wale eigentlich unter Wasser atmen können, wenn wir bereits wissen, dass sie dafür an die Oberfläche auftauchen müssen.
7. Rhetorische Tricks tun nichts zur Sache.
Wer sich regelmäßig gegen berechtigte Kritik verteidigen muss, entwickelt so einige rhetorische Taktiken: Dazu gehören unter anderem Slogans und Ablenkungsmanöver.
Der klassische Slogan lautet: »Wer heilt, hat Recht!« Er stellt lediglich den Versuch dar, unter den Tisch zu kehren, was Studien herausgefunden haben, nämlich dass die Homöopathie über den Placeboeffekt hinaus keine Wirkung hat. Wer allerdings darauf hinweist, dem tönt oft der zweite Slogan entgegen: »Traue keiner Studie, die du nicht selbst gefälscht hast.« Das beweist lediglich eine Neigung zu Verschwörungstheorien, macht die Homöopathie aber nicht plausibler.
Befürworter verweisen auch gerne auf Sachverhalte, die nichts mit der Wirkung entsprechender Mittel zu tun haben, »Wenn die Homöopathie nicht wirkt, wie kann es dann sein, dass so viele Menschen an sie glauben?« oder: »Wie kann es dann sein, dass sie seit über zwei Jahrhunderten praktiziert wird?« Nur weil viele Menschen etwas annehmen, muss es noch lange nicht stimmen. Sonst bräuchten wir keine wissenschaftlichen Studien mehr, sondern könnten einfach über die Effektivität einer medizinischen Behandlung abstimmen.
Das Alter einer Behandlungsmethode ist ebenfalls kein Gradmesser für ihre Wirksamkeit, sonst würden wir heute noch den Aderlass praktizieren. Der hat sich schließlich auch sehr lange gehalten.
Es ist seit Langem bekannt, dass es sich bei diesen beiden Argumenten um Denkfehler handelt. Das erste nennt sich »Argumentum ad populum«, das zweite »Argumentum ad antiquitatem«. Eine weitere Ablenkungstaktik ist das »Argumentum ad naturam«. Die Homöopathie, so heißt es, sei eine natürliche Behandlungsmethode. Allerdings sagt »Natürlichkeit« per se weder etwas über Effektivität noch über Verträglichkeit aus. In den USA starben 2017 mehrere Kleinkinder nach der Einnahme eines unsachgemäß, nämlich unzureichend verdünnten homöopathischen Mittels. Die Ursubstanz: Tollkirsche, ein Naturprodukt – und hochgiftig.
Eine weitere beliebte Ablenkungstaktik besteht darin, mit einer Kritik an der Pharmalobby zu kontern: »Wenigstens wird die Homöopathie nicht von der Pharmaindustrie kontrolliert, denn die will uns alle vergiften!« Zunächst basiert das Argument auf einer falschen Annahme. Denn natürlich stecken hinter homöopathischen Mitteln auch Firmen, die ihre Produkte vermarkten wollen. Doch selbst, wenn man die Prämissen akzeptiert und glaubt, dass Pharmaindustrie und Homöopathie keine Gemeinsamkeiten haben, wird daraus kein Argument für eine Wirkung. Der englische Arzt Ben Goldacre hat das einmal treffend so formuliert: »Ein Flugzeugabsturz spricht nicht für die Existenz fliegender Teppiche, und die Sünden der Pharmaindustrie sprechen nicht für die Wirksamkeit der Homöopathie.«
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