Allgemeine Relativitätstheorie: Erneut Gravitationswellen nachgewiesen
Die Verbesserungen am Gravitationswellendetektor LIGO scheinen sich gelohnt zu haben. Seit die Anlage im September 2015 mit einer erhöhten Empfindlichkeit und Raumausbeute dank neuer Detektoren als Advanced LIGO wieder an den Start ging, gelang nun schon zum zweiten Mal der Nachweis von Gravitationswellen. Die ersten Wellen erreichten die Interferometerarme in Hanford und Livingston in den USA am 14. September 2015, das gemessene Signal GW150914 trägt deshalb dieses Datum und außerdem das englische Wort für "Gravitationswelle" im Namen. Nun vermelden die Forscher der LIGO-Kooperation mit GW151226 bereits den zweiten Nachweis der Raum-Zeit-Schwingungen. Es handelt sich dabei wie schon bei GW150914 mutmaßlich um ein Signal, das beim Verschmelzen zweier Schwarzer Löcher entstanden ist, wie Wissenschaftler der Kooperation heute anlässlich einer Konferenz der American Astronomical Society in San Diego verkündeten. Eine Studie dazu erscheint in einem Fachjournal.
LIGO steht für "Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory" und ist der Name zweier Interferometer, deren kilometerlange, jeweils rechtwinklig aufeinandertreffende Arme sich in 3000 Kilometer Entfernung voneinander befinden. In diesen Armen reflektieren Spiegel zwei Laserstrahlen immer wieder hin und her und führen sie schließlich zusammen. Dabei löschen sich die Strahlen durch Interferenz aus. Wenn eine Gravitationswelle die Raumzeit dehnt und so die Länge der Arme verändert, gelingt diese Auslöschung nicht mehr perfekt. Das dann verbleibende Licht verheißt unter Umständen, dass eine Gravitationswelle durch den Detektor gewandert ist.
Das neue Signal, das den LIGO-Forschern Ende letzten Jahres ins Netz ging – in Deutschland begann gerade der zweite Weihnachtsfeiertag –, rührt offenbar von einem etwa 14 und einem rund 8 Sonnenmassen schweren Schwarzen Loch her. Um 4:38:54 Uhr mitteleuropäischer Zeit kamen die Wellen von GW151226 am Detektor in Livingston an, 1,1 Millisekunden später trafen sie auf das Interferometer in Hanford. Die beiden Schwarzen Löcher umkreisten einander durch ihre gegenseitige Gravitation beschleunigt immer schneller, bis sie schließlich zusammenstießen und verschmolzen. So einen Ablauf hatten die Forscher auch für das Ereignis hinter dem Erstnachweis von Gravitationswellen bei GW150914 rekapituliert.
Signal deutlich schwächer als erster Nachweis
Das neue Ereignis war jedoch deutlich schwächer als das erste vom September 2015 und hielt sich im Rauschen der Detektoren verborgen. Den Nachweis verdanken die Forscher einer so genannten Matched-Filter-Suche. Sie verglich die Daten mit vielen vorab berechneten Signalen, um die beste Übereinstimmung (Englisch: match) zu finden. Numerisch-relativistische Computersimulationen konnten die Vermutungen der Forscher untermauern.
Die beiden massereichen Objekte verschmolzen den Analysen zufolge rund 1,4 Milliarden Lichtjahre entfernt von uns. Die Wissenschaftler fanden außerdem heraus, dass sich mindestens eines der beiden Schwarzen Löcher um die eigene Achse drehte. Die Verschmelzung strahlte das Äquivalent von ungefähr einer Sonnenmasse in Form der Energie von Gravitationswellen ab. Sie hinterließ ein rotierendes Schwarzes Loch von 21 Sonnenmassen. Bei GW150914 führte die Kollision und Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher von 36 und 29 Sonnenmassen zu Gravitationswellen mit einer Energie von insgesamt etwa drei Sonnenmassen und einem Schwarzen Loch von 62 Sonnenmassen. Die maximale relative Längenänderung der Detektorarme durch das Signal war beim neuen Ereignis etwa dreimal schwächer als bei GW150914.
"Mit dieser zweiten Beobachtung sind wir wirklich auf dem Weg zur echten Gravitationswellenastronomie"Karsten Danzmann
Durch die geringeren Massen lief der Tanz der Schwarzen Löcher auch in einem langsameren Takt ab. 27 Umrundungen konnten die Forscher vor der finalen Verschmelzung beobachten. Beim GW150914 hatten sich nur etwa fünf Umläufe beobachten lassen. Während der einsekündigen Signaldauer nahm die Frequenz der Gravitationswellen bei GW151226 von 35 auf 430 Hertz zu – dieses Phänomen ist auch als "Chirp" bekannt.
"Mit dieser zweiten Beobachtung sind wir auf dem Weg zur echten Gravitationswellenastronomie. Wir können nun anfangen, eine Vielzahl von Quellen auf der unbekannten dunklen Seite des Universums zu erforschen", sagte Karsten Danzmann, Direktor am Albert-Einstein-Institut in Hannover und Direktor des Instituts für Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover, die ebenfalls an der Entdeckung beteiligt waren.
Diese neue Entdeckung rechtfertige das "O" für "Observatorium" im Namen LIGO, sagte Albert Lazzarini, Vizedirektor des LIGO und Forscher am California Institute of Technology. "Nach dem Nachweis zweier deutlicher Ereignisse in den vier Monaten des ersten Beobachtungszeitraums können wir nun damit anfangen, Vorhersagen darüber zu erstellen, wie oft wir in Zukunft Gravitationswellen hören werden."
"Ich bin zuversichtlich, dass wir in den nächsten Jahren Dutzende von ähnlichen Verschmelzungen Schwarzer Löcher beobachten werden"Bruce Allen
Bruce Allen, Geschäftsführender Direktor des ebenfalls beteiligten Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik in Hannover, sagte: "Ich bin absolut zuversichtlich, dass wir in den nächsten paar Jahren Dutzende von ähnlichen Verschmelzungen Schwarzer Löcher beobachten und dadurch viel über das Universum erfahren werden." Die Forscher sprechen bereits davon, die Verteilung Schwarzer Löcher im All kartieren zu wollen. Bald wird Virgo, ein Interferometer ähnlicher Bauart, bei Pisa einsatzbereit sein. Durch die räumliche Distanz zu den beiden LIGO-Detektoren wird mit Virgo eine genauere Verortung der Herkunftsregion der Signale möglich, die von allen drei Anlagen aufgenommen wurden. Virgo ist ein von europäischen Instituten getragenes Projekt und wird Teil eines wachsenden Netzwerks von Gravitationswellendetektoren sein. Dabei sollen erdgebundene Teleskope dem Ursprung der Raumzeit-Schwingungen auch im elektromagnetischen Spektrum nachspüren.
Virgo soll zur zweiten Hälfte des nächsten Beobachtungszeitraums von Advanced LIGO fertig sein. Dieser Beobachtungslauf beginnt planmäßig im Herbst und dauert etwa sechs Monate. Geplant sind in der Zwischenzeit weitere Verbesserungen in der Detektorempfindlichkeit, die LIGO erlauben, ein bis zu doppelt so großes Volumen des Weltalls abzusuchen wie bisher.
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