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Humanevolution: Evolution macht Menschen allergisch gegen Alkohol

Wie alle Organismen verändert die Evolution andauernd auch den Menschen, und Hightech-Genvergleiche verdeutlichen nun ein paar Hotspots der Humanevolution. Sie zeigen unter anderem den Einfluss von Alkohol auf die Menschheit.
Evolution der Menschheit

Die Evolution verändert langsam, aber stetig alle lebenden Organismen – auch den Menschen. Dabei ist für Zeitgenossen allerdings nur schwer zu erkennen, welche Gene und womöglich Eigenschaften und Äußerlichkeiten in diesem Prozess gefördert, also positiv selektiert werden und welche offenbar nach und nach verschwinden. Deutlich wird das bei einer Analyse des Durchschnittgenoms der Menschheit, das nach so genannten Hotspots der Evolution durchforstet wird: solchen Genabschnitten, die aus irgendeinem Grund einer besonders rasanten Veränderung zu unterliegen scheinen, weshalb sie womöglich für den Erfolg und Misserfolg entscheidender sind als andere über lange Zeit stabile Bereiche des Genoms. Einen solchen Vergleich haben die Genetiker Kelsey Elizabeth Johnson und Benjamin Voight durchgeführt – und dabei im Wesentlichen fünf Gengruppen herausgearbeitet, die sich im typischen Genom des Menschen in den letzten paar tausend Jahren tatsächlich verdächtig schnell verändert haben.

Das Team hatte für seine Studie in »Nature Ecology and Evolution« die Genome von 2500 Menschen aus 26 unterschiedlichen Erdregionen in vier Kontinenten ausgewertet, die alle ihre Gendaten dem 1000-Genomes-Projekt zur Verfügung gestellt hatten. Dabei achteten die Genetiker auf sich dynamisch entwickelnde Unterschiede, die einsetzten, seit die verschiedenen Populationen geografisch getrennte Wege gegangen waren. Dabei ging es nicht nur um typische Verteilungsunterschiede einzelner Genvarianten, die zwischen Populationen auftreten – also etwa der Laktasepersistenz, die in Süd- und Mitteleuropäern häufiger vorkommt als bei Ostasiaten –, sondern um die unterschiedliche Vielfältigkeit in bestimmten Genclustern mit bekannten Funktionen.

Große Unterschiede – also eine rasante Entwicklung – fanden die Forscher vor allem bei Genen, die die Verarbeitung von Alkohol regeln. Schnell verändern sich Varianten des ADH-Gens, die das Enzym Alkoholdehydrogenase kodieren: ADH baut Ethanol aus alkoholischen Getränken in Azetaldehyd ab, das dann allmählich zu Azetat weiter verstoffwechselt wird. In den letzten paar tausend Jahren sind sowohl in Afrika wie auch in Asien verschiedene ADH-Varianten entstanden, die alle vor allem effektiver und schneller zu arbeiten scheinen. Das ist für Trinker nicht angenehm, weil sie dann umso länger dem giftigen, katerfördernden Einfluss des Azetaldehyds ausgesetzt sind. Wenn sich diese Varianten durchsetzen, dürfte der Alkoholrausch in der Zukunft demnach immer häufiger schmerzlich bereut werden, meinen die Forscher – und wundern sich darüber, dass der in Afrika und Asien sichtbare genetische Trend gerade in Europa auszubleiben scheint.

Andere Evolutionshotspots betreffen etwa die Produktion von Glycophorin-Proteinen. In den zuständigen Regionen verändert sich das Erbgut von Afrikanern und Asiaten sehr schnell. Vielleicht hat das mit der Malaria zu tun, die als häufigste Tropenkrankheit ein wichtiger Selektionsfaktor ist: Glycophorine sind ein Bestandteil der Membranen von roten Blutkörperchen, die von den Malariaparasiten attackiert werden. Vielleicht vermitteln unterschiedliche Varianten eine gewisse Resistenz gegen den Erreger.

In Europa wirkt die Evolution offenbar stark auf die Entstehung von Varianten des Gens MTHFR, das für einen langsameren Abbau der Aminosäure Homocystein zuständig ist. Warum, ist reine Spekulation, so die Forscher, es könnte immerhin aber sein, dass die Aminosäure in höheren Konzentrationen Herzproblemen vorbeugt und ein von MTHFR-Varianten zunehmend kontrollierter Abbau in den letzten 1000 Jahren ein entscheidender Vorteil war.

Ein letzter auffälliger Hotspot der Evolution betrifft Gene eingekreuzter Neandertaler, die alle Menschen außer den Afrikanern übernommen haben: In einigen Fällen scheinen sich gerade diese Gene deutlich gegenüber den Varianten des Homo sapiens durchzusetzen. Manchmal ist klar warum – das Gen EPAS1 vermittelt etwa den Tibetern ihre Höhenresistenz –, in manchen Fällen ist aber völlig unklar, welchen offensichtlichen Vorteil die Gene älterer Formen haben. Klar ist jedoch, dass sie treibende Faktoren in der Evolution der Menschheit sind – und den Trägern der geeignetsten Varianten offenbar irgendwie helfen, mit den ökologischen Umständen der Moderne besser umzugehen.

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