Hirnforschung: Fairness-Zentrale im Kopf
Der dorsolaterale präfrontale Kortex (DLPFC) ist eine Region an der Stirnseite des Gehirns, die unter anderem beim Konfliktlösen, Vorausplanen und bei der Entscheidungsfindung aktiv wird. Ist sie beschädigt, dann verhalten wir uns offenbar auch weniger fair gegenüber anderen Menschen und sind stärker auf unseren eigenen Vorteil bedacht. Das fanden nun Forscher um Ming Hsu von der University of California in Berkeley heraus.
Hsu und seine Kollegen ließen einige Probanden ein Wirtschaftsspiel spielen. Ein Teil der Versuchsteilnehmer litt an einer Schädigung des DLPFC, andere hatten wiederum mit einer Verletzung des so genannten orbitofrontalen Kortex (OFC) zu kämpfen, einer Hirnregion, die sich in der Nähe des DLPFC befindet. Die Kontrollgruppe bestand schließlich aus völlig gesunden Probanden.
Im Rahmen des Spiels mussten die Versuchspersonen einem anonymen Partner Tipps geben, wie er – und der Proband selbst – eine möglichst hohe Geldsumme einstreichen konnte. Ab und zu hatten die Teilnehmer allerdings die Möglichkeit, einen Vorteil für sich selbst herauszuschlagen, wenn sie ihren Kollegen aufs Glatteis führten und absichtlich mit falschen Informationen versorgten. In diesem Fall bekamen die Versuchspersonen mehr Geld, der andere dafür aber wesentlich weniger. So konnten die Wissenschaftler testen: Wer verhält sich fair und ehrlich – und wer ist eher ein Egoist?
Fataler Hirnschaden
Das Ergebnis war schlussendlich recht eindeutig: Während sich Kontrollgruppe und Versuchsteilnehmer mit einem beeinträchtigten OFC gleichermaßen aufrichtig verhielten, spielten die Probanden, deren DLPFC beschädigt war, wesentlich öfter unfair und sammelten mehr Geld für sich selbst. Hsu und seine Kollegen schließen daraus, dass der dorsolaterale präfrontale Kortex eine wichtige Rolle bei Entscheidungen spielt, in denen wir Ehrlichkeit über unsere eigenen Interessen stellen und uns für den Weg der Fairness entscheiden. Arbeitet dieses Areal nicht mehr richtig, handeln wir dementsprechend selbstsüchtiger.
Zu einem ähnlichen Schluss kamen in der Vergangenheit auch Studien, die mit verschiedenen bildgebenden Verfahren einen Blick in die Gehirne von gesunden Versuchspersonen warfen und die Aktivität bestimmter Areale im Entscheidungsprozess nachverfolgten. Ein kausaler Zusammenhang ließ sich so aber nicht belegen. Die Ergebnisse von Hsu und Kollegen machen in dieser Hinsicht nun einen vielversprechenderen Eindruck. Allerdings weisen die Forscher darauf hin, dass bei ihren Versuchsteilnehmern durch die Verletzung des DLPFC auch angrenzende Hirnregionen oder Nervenverbindungen in Mitleidenschaft gezogen worden sein könnten. Und diese haben möglicherweise ebenfalls ein Wörtchen dabei mitzureden, ob wir uns fair verhalten oder eben nicht.
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