Humanevolution: Gewalt brachte Männern Erfolg - und Schlägervisagen?
Die Kräfte der Evolution wirkten auch auf uns Menschen: Wir sind ein Produkt der Natur, aber auch von Liebe, Krieg und dem Ausgang solcher Scharmützel. Also von Sex und Gewalt, wie die Arbeitsgruppe von David Carrier von der University of Utah seit einigen Jahren ohne Blatt vorm Mund betont: Männer, so die Kurzzusammenfassung der verschiedenen Studien des Teams, sind deswegen schlagkräftig [1], breitschultrig ausbalanciert [2] und schnellfüßig [3], um einen Nebenbuhler im Angesicht interessierter Frauen möglichst rasch plattmachen zu können. Und naturgemäß, legen die Paläogewaltforscher jetzt nach, hat das in der Folge auch anatomische Defensivstrategien begünstigt: Die Schädelfront des männlichen Menschen sieht so aus, wie sie heute aussieht, weil die Konstruktion so die Schläge des Konkurrenten am besten wegstecken kann [4].
Faustkampf der Vormenschen und seine Folgen
Erkennen könne man das Wirken des Evolutionsprozesses besonders gut bei den frühen Verwandten des modernen Menschen, den Australopithecinen. Schon diese Vormenschen waren anatomisch begünstigte Kampfmaschinen: "Die Proportionen ihrer Hand waren wie geschaffen dafür, eine Faust zu formen: Subtiles Feintuning der Muskel- und Skelettstrukturen schuf eine perfekte Keulenstruktur, die als Schlagwaffe dient", findet Carrier. Und der Clou: "Nachdem diese Schlagwaffe entstanden ist, muss man erwarten, dass im Lauf der Evolution auch Schutzstrukturen gegen das Geschlagenwerden perfektioniert werden." Männer schlagen beim Faustkampf nun besonders häufig in Richtung Kopf des Gegners, weswegen weiter zu erwarten sei, dass die zum Faustkampfgegner gerichtete Frontalpartie besonders häufig getroffen werde. Und genau diese Partie, so der Schädelanatomieexperte nun, wurden bei Vor- und Frühmenschen im Lauf der Evolution immer robuster.
Bisher sei der treibende Faktor dieser auffälligen Schädelveränderung unbekannt. Man habe lange spekuliert, dass Gesichtsknochen mitsamt Kaumuskulatur und den dafür notwendigen Muskelansatzstellen stärker und auffälliger wurden, weil die frühen Menschenvorfahren auch harte Nahrung wie Nüsse zu knacken lernten. Tatsächlich aber, diskreditiert Carrier diese Alternativerklärung, würden im Bereich des vorderen Schädels besonders starke geschlechtsspezifische anatomische Unterschiede zwischen Frühmenschenmann und -frau deutlich. Und diese Unterschiede resultierten eben daraus, dass Männer – anders als Frauen – sich prügelten, was einen Selektionsdruck in Richtung harter Gesichtsknochen ausübte.
Spekulative Interpretation
"Unsere Forschung ist Friedensforschung", findet der Forscher im Übrigen: Indem sein Team die durch Aggression und Gewalt getriebene Evolutionsgeschichte der Menschheit beleuchte, liefere es einen notwendigen Impuls zur disziplinierten Selbstanalyse, die ja schließlich der Grundstein auf dem Weg zum besseren Menschen sei. Carriers Koautor ergänzt nüchtern wissenschaftlich: "Ich finde, wir haben saubere Forschungsarbeit sowie neue Puzzlestücke für eine Theoriedebatte geliefert." Wie in früheren Studien legt die Forschergruppe tatsächlich ein Hauptaugenmerk auf die ausführliche, aber notwendigerweise spekulative Interpretation ihrer vergleichsweise dürftigen harten Befunde – die diesmal im Wesentlichen aus dem Vergleich der Schädelanatomie von mit modernen Homo sapiens vage verwandten Australopithecus-Arten herrühren. Aber falsch muss ihre in jeder neuen Arbeit identisch gezogene Schlussfolgerung über die Gewaltnatur des Menschen deswegen ja nicht unbedingt sein.
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