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Riesenbeschleuniger LHC: Hinweis auf neue Physik?

Der Zerfall so genannter B0-Mesonen läuft möglicherweise anders ab, als Physiker bisher dachten. Verbergen sich dahinter neue Naturphänomene?
LHCb-Detektor

Physiker am Genfer Kernforschungszentrum CERN sind einer verblüffenden Anomalie auf der Spur, die auf Physik jenseits des Standardmodells zurückgehen könnte. So bezeichnen Experten subatomare Phänomene, die nicht vom etablierten Regelwerk des Mikrokosmos erfasst werden und daher neue Naturgesetze erfordern könnten. Bisher suchen Wissenschaftler am Riesenbeschleuniger LHC vergeblich nach solcher "neuen Physik" – seit Messbeginn im Jahr 2011 passen die Abläufe der Teilchenkollisionen nahezu perfekt zu den theoretischen Vorhersagen des Standardmodells.

Nun aber könnte das LHCb-Experiment, einer von vier haushohen Teilchendetektoren des Beschleunigers, einer Abweichung auf der Spur sein, berichtet das CERN in einer Mitteilung. Offenbar haben die beteiligten Wissenschaftler Hinweise auf einen überraschenden Unterschied zwischen Elektronen und ihren schwereren Brüderteilchen entdeckt, den so genannten Myonen. Diese sind etwa 200-mal schwerer als Elektronen, sonst aber verhalten sie sich gleich. Auf Myonen sollten daher weitgehend identische Kräfte wirken, Physiker sprechen von Leptonen-Universalität, die sie in der Vergangenheit in zahlreichen Messungen bestätigen konnten.

Ein am LHCb beobachteter Zerfall so genannter B0-Mesonen bedroht nun diese vom Standardmodell geforderte Gesetzmäßigkeit. Bei ihm entstehen Myonen möglicherweise etwas seltener als Elektronen, berichtete eine Forscherin der LHCb-Kollaboration kürzlich bei der Vorstellung von Daten, die bis 2013 gesammelt wurden. Solch ein Unterschied zwischen den Geschwisterteilchen würde gegen die Leptonen-Universalität verstoßen und damit dem Standardmodell widersprechen. Als mögliche Erklärung kämen unter anderem neuartige Elementarteilchen in Frage, die Boten einer bisher unbekannten Kraft sein könnten.

Allerdings können die Physiker bisher nicht ausschließen, dass die beobachtete Diskrepanz zufällig zu Stande gekommen ist, also auf statistische Schwankungen zurückgeht. Die statistische Signifikanz der Messung beträgt laut CERN zwischen 2,2 und 2,5 Sigma. Erst ab 5 Sigma sprechen Teilchenphysiker von einer Entdeckung, die über jeden Zweifel erhaben ist. In der Vergangenheit kam es immer wieder vor, dass sich selbst Beobachtungen mit einer Signifikanz von mehr als 3 Sigma wieder in Luft auflösten – etwa 2016, als Wissenschaftler am CERN nach großer Euphorie einen viel versprechenden Photonenüberschuss bei einer Energie von 750 GeV zu Grabe tragen mussten.

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