Intelligenztests: Immer weiter, immer schlauer?
Im Jahr 1984 entdeckte der US-amerikanische Psychologe James R. Flynn, dass die Ergebnisse von IQ-Tests über die Jahrzehnte systematisch besser wurden. Diesem nach ihm benannten "Flynn-Effekt" sind jetzt auch Jakob Pietschnig und Martin Voracek von der Universität Wien nachgegangen. Sie haben dazu die Daten von insgesamt fast vier Millionen Personen aus 31 Ländern ausgewertet und nach Verbesserungen gesucht.
Auch sie wurden fündig: Laut ihrer Studie gibt es seit dem frühen 20. Jahrhundert eine durchschnittliche IQ-Zunahme von drei IQ-Punkten pro Jahrzehnt. Die Verbesserungen zeigten sich in der Kategorie "schlussfolgerndes Denken" und in geringerem Ausmaß im Bereich "Wissen". Der Zuwachs lässt sich nicht ohne Weiteres aus den Daten ableiten, weil die Ergebnisse im Lauf der Zeit immer wieder so normiert werden, dass der Durchschnitt der Bevölkerung einen Quotienten von 100 erreicht. Um die Veränderungen zu ermitteln, müssen diese Anpassungen nachträglich herausgerechnet werden.
Doch was ist der Grund für das bessere Abschneiden? Werden die Menschen tatsächlich immer schlauer? Nach Meinung von Pietschnig und Voracek lässt sich jedoch ein IQ-Ergebnis von 1915 nur schwer mit einem von 2015 vergleichen. "Eine Person mit einer durchschnittlichen IQ-Testleistung von 100 Punkten im frühen 20. Jahrhundert hatte mit großer Wahrscheinlichkeit andere kognitive Fähigkeiten als eine Person mit einer scheinbar 'äquivalenten' Leistung von 70 Punkten heutzutage", erklären die Wissenschaftler.
Stattdessen beruht der Effekt wohl vor allem darauf, dass die Testteilnehmer immer besser die speziellen Anforderungen des Tests meistern. Aber auch günstige Entwicklungsbedingungen für Heranwachsende führten offenbar dazu, dass der Ergebnisdurchschnitt einer Bevölkerung stetig nach oben stieg.
Möglicherweise ist demnächst jedoch eine Grenze erreicht, ab der die Entwicklung nicht mehr weitergehen wird. So jedenfalls lässt sich die Tatsache deuten, dass der Zuwachs in letzter Zeit erheblich schwächer ausgefallen ist. Die IQ-Ergebnisse könnten dann ab einem gewissen Punkt stagnieren – oder womöglich wieder zurückgehen, meinen die beiden Forscher.
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