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Eismann Wim Hof: Kann unser Hirn Kälte und Angst bewusst abstellen?

Mit Gedankenübungen lässt sich offenbar selbst die größte Kälte bewusst ignorieren - wenn man weiß wie. Dem publicityerprobten "Eismann" Wim Hof sollte nun ein Neurowissenschaftlerlabor alle Psychotricks gegen das Frieren entlocken.
Erfrischendes Bad im Eisloch

Inoffizieller Weltrekordhalter im Nicht-Frieren trotz eisiger Kälte ist der Niederländer Wim Hof: Er lief bereits ziemlich nackt Halbmarathons nördlich des Polarkreises und nahm das längste Eisbad seit Beginn der Aufzeichnungen – ohne sich ernsthaft zu beklagen. Wissenschaftliche Untersuchungen des "Eismannes" hatten bisher keine körperlichen Auffälligkeiten gefunden, die erklären könnten, warum Hof mit Kälte offensichtlich besser umgeht als der Durchschnittsmensch. Nun unternahm ein Team von Neurowissenschaftlern und Medizinern einen weiteren Versuch, das Geheimnis des niederländischen Eismannes zu lüften – und kommt in einer Publikation in "NeuroImage" zu dem Schluss, dass der Niederländer wirklich bewusst bestimmte Hirnregulationsprozesse übersteuern kann, die der Körper bei extremer Kälte sonst autonom einleitet.

Die Wissenschaftler um Otto Muzik von der Wayne State University hatten über drei Tage hinweg einen beachtlichen Gerätepark aufgefahren, um Wim Hof zu untersuchen: Sie führten unter anderem fMRT- und PET-Scans durch, während er einen regulierenden Kälteanzug trug und seine so genannte "Wim-Hof-Methode" einsetzte. Dieser Kombination von speziellen Atem- und Meditationstechniken schreibt der Niederländer selbst seine Kälteresistenz zu. Zudem verglichen Muzik und Kollegen die Reaktionen und Körperfunktionen von Hof mit denen von freiwilligen Probanden.

Schnell fielen dabei deutliche Unterschiede auf: Tatsächlich blieb Hofs Hauttemperatur unabhängig von äußeren Kältereizen hoch – offensichtlich deswegen, so zeigten die PET-Analysen, weil ausgelöst durch sympathische Nervensignale die Glukoseverbrennung in den Interkostalmuskeln hochgekurbelt wurde, was zusätzlich Wärme produzierte. Diese wanderte in den Lungenbereich und heizte das durch den Lungenkreislauf zirkulierende Blut auf, welches den Effekt dann an den Rest des Körpers weitergeben konnte. Diesen körperlichen Mechanismus gegen Kälte kann Hof offenbar mit Hilfe seiner Gedankentechnik bewusst aktivieren. Erwartet hatten die Forscher zudem eigentlich, dass in Hofs Körper auch mehr braunes Fett verbrannt wird, die typische Form der Körperheizung. Dies ist aber nicht der Fall, wie die Tests zeigen.

In Hofs Hirn ist allerdings die vordere Insula sehr aktiv, in der unter anderem übergeordnete thermoregulatorische Zentren liegen. Deutlich auffälliger ist bei Hof jedoch eine Ansammlung von Nervenzellkörpern im oberen Hirnstamm, das periaquäduktale Grau, das unter anderem mit der Schmerzkontrolle und dem Fluchtreflex zu tun hat. Hier setzt auch die Wirkung von Schmerzmitteln oder Cannabinoiden ein. Offenbar kann Hof diese Region bewusst ansteuern und so vielleicht willentlich körpereigene neuromodulatorische Substanzen aktivieren, die ihm eine erhöhte psychologische Robustheit gegenüber störenden Außenreizen verleihen, spekulieren die Forscher.

Dies würde bedeuten, dass Menschen zumindest im Prinzip durchaus in der Lage sind, autonome Körperprozesse bewusst zu modulieren, was in vielen Szenarien, etwa bei Angststörungen, ein interessanter Ansatz sein könnte. Vermutlich sind allerdings langwierige, disziplinierte Lernprozesse nötig, um bewusst körpereigene Schalter umlegen zu können.

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