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Kunststoff-Recycling: Katalysator macht aus Plastik Benzin

Ein neues Material wandelt Abfälle aus dem Kunststoff Polyethylen in Benzin um. Das Besondere an der Recyclingmethode: Man braucht keine teuren Metalle und keinen Wasserstoff.
Ein Blick auf eine Sammlung verschieden farbiger Plastiktüten, die kreuz und quer durcheinander liegen
Schön bunt – doch was macht man mit den vielen Plastiktüten, wenn man sie nicht mehr braucht? Chemisches Recycling ist eine Option.

Eine Einweg-Plastiktüte hat eine kurze Lebensdauer. Kaum benutzt, wird sie meist rasch wieder ausgemustert; sie landet dann höchstwahrscheinlich bald in der Verbrennung. Dort wird sie zu Kohlenstoffdioxid und Wasser zersetzt, die in die Luft entweichen. Eine Gruppe um Ziyu Cen vom Beijing National Laboratory for Molecular Sciences hat jetzt einen Weg gefunden, Plastikverpackungen nach Ende des Gebrauchs noch einmal neues Leben einzuhauchen. Mit Hilfe spezieller Materialien, die als Katalysatoren dienten, setzte sie die langen Kohlenwasserstoffketten zu Benzin um. Das Besondere an dem Ansatz: Für diese Art des chemischen Recyclings benötige das Team weder teure oder seltene Metalle noch Wasserstoff. Ihre Ergebnisse haben Cen und seine Mitautoren in der Fachzeitschrift »Nature Chemistry« veröffentlicht.

Als Ausgangssubstanz für die Experimente diente Polyethylen (PE), der wohl am weitesten verbreitete Kunststoff weltweit. Von den rund 460 Millionen Tonnen Kunststoffen, die 2019 hergestellt wurden, bestand fast jede vierte aus PE (24 Prozent), wie die OECD in ihrem »Global Plastics Outlook« ermittelt hat.

Die Forschenden um Cen zermahlten das Material zusammen mit einem speziellen Katalysator und erhitzten die Mischung für vier Stunden auf 240 Grad Celsius. Das Ergebnis: eine Mischung aus Alkanen (Kohlenwasserstoffe ohne Doppelbindungen), wie sie in gängigen Ottomotoren verwendet werden könnten. Konkret erhielten die Fachleute Alkane mit Kettenlängen zwischen vier und zwölf Kohlenstoffatomen. Die so erzeugten Kraftstoffe haben eine Oktanzahl von 88 und liegen damit in der Nähe herkömmlichen Normalbenzins mit Oktanzahlen von mindestens 91. Die Oktanzahl ist ein Maß für das Verhältnis von verzweigten Kohlenwasserstoffen zu unverzweigten und steht für die »Klopffestigkeit« eines Motors.

Als Katalysator nutzte das Team einen speziellen Zeolithen – kristalline Aluminosilikate, die in ihrem Innern ein poröses Netzwerk mit strukturierten Hohlräumen aufweisen. Durch ihre poröse Struktur besitzen die Materialien eine sehr große innere Oberfläche, an die sich Moleküle anheften können – ein Grund, weshalb sie oft als Adsorbenzien dienen, etwa in Waschmitteln. Weil die Größe der Hohlräume im Innern bestimmt, welche Moleküle aufgenommen werden und welche nicht, lassen sich Zeolithe allerdings auch gut als selektive Katalysatoren nutzen. Die Reaktionen in den Hohlräumen können entweder über eingebrachte Katalysatormoleküle zu Stande kommen oder direkt an den im Zeolithen vorhandenen Aluminium- und Silizium-Zentren ablaufen. Letzteres ist der Fall bei der aktuellen Forschungsarbeit, in der Polyethylen zu Benzin umgewandelt wurde.

Zuerst werden an Aluminium-Zentren im Zeolithen die langen PE-Ketten in Bruchstücke gespalten. Dabei entstehen ungesättigte verzweigte Kohlenwasserstoffe mit vier bis zwölf Kohlenstoffatomen. Im zweiten Schritt bilden sich daraus verzweigte Alkane. Eine Besonderheit der Strategie ist, dass der Ausgangsstoff selbst als Quelle für Wasserstoff dient: Um aus einem PE-Fragment ein Alkan zu erzeugen, müssen Wasserstoffatome an die Kohlenstoffkette angelagert werden. Die stammen hierbei aus den anderen Fragmenten, die dann nicht mehr den Weg zum Produkt finden, sondern immer weitere Wasserstoffatome übertragen, bis sich aus ihnen mehrfach ungesättigte Verbindungen gebildet haben. Sie bleiben nach der Reaktion als Feststoffe zurück.

Bei der Reaktion erhielten die Forschenden Benzin in guten Ausbeuten und fast ohne Nebenprodukte. Der Katalysator ließ sich mehrmals wiederverwenden – ein bedeutsamer Punkt, wenn es um die praktische Anwendung geht. Ob die Strategie auch mit gemischten oder gar verunreinigten Kunststoffabfällen funktioniert, muss allerdings noch untersucht werden.

Wichtiger Rohstoff für die Chemieindustrie

Neben der Müllbeseitigung lohnt sich das Recycling der Plastikabfälle auch noch aus anderer Sicht: Kunststoffe könnten künftig ein wichtiger Rohstofflieferant für die Chemieindustrie sein. Die bezieht ihre wesentlichen Bausteine, Kohlenstoff und Wasserstoff, zum größten Teil aus Erdgas sowie Raffinerieprodukten von Erdöl. Die intensive Nutzung fossiler Ressourcen ist allerdings nicht mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar, das vorsieht, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden. Verschiedene Analysen sehen Kunststoffabfälle daher neben Kohlenstoffdioxid und Biomasse als dritte wichtige Quelle für die chemische Industrie. In den meisten bisherigen Ansätzen »zerbricht« man die Kohlenwasserstoffketten durch Pyrolyse in kleinste Fragmente, aus denen die gewünschten Produkte dann von Beginn an zusammengesetzt werden müssen. Das kostet zum einen wieder Energie, zum anderen benötigt man für die folgenden Umsetzungen meist molekularen Wasserstoff.

Aus dem Stoff von Plastiktüten Kraftstoffe zu machen, die ihrerseits wieder direkt verbrannt werden, ist letzten Endes sicherlich nicht die nachhaltigste Form chemischen Recyclings. Doch dass der Ansatz per se funktioniert, lässt hoffen, mit ähnlichen Methoden und Katalysatoren auch andere Produkte erzeugen zu können. So erwähnt das Forschungsteam in seiner Veröffentlichung, dass an bestimmten Stellen im Katalysator bevorzugt Olefine entstehen, wichtige Ausgangsstoffe für zahlreiche chemische Produkte. Könnte man auf diese Weise weitere solcher höherwertigen Bausteine für die chemische Industrie erhalten, käme das einer Kreislaufwirtschaft schon näher.

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