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Lobbyismus: Meinung: Die Umweltverbände verraten ihre Kernthemen

Mit ihrer Kampagne gegen die wissenschaftliche Chefberaterin der EU-Kommission spielen die Umweltverbände das Spiel ihrer Gegner, kommentiert Lars Fischer.
Genmais

Die EU-Kommission steht im zweifelhaften Ruf, für Lobbybeeinflussung ganz besonders offene Ohren zu haben. Wie Lobbyeinfluss wissenschaftliche Expertise an den Rand drängt, haben ausgerechnet die meist lobbyismuskritischen Umweltverbände jetzt nachdrücklich demonstriert. Auf ihr Betreiben hin hat der neu gewählte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nun den erst 2012 geschaffenen Posten der wissenschaftlichen Chefberaterin abgeschafft.

Lars Fischer | Lars Fischer ist Wissenschaftsjournalist und Redakteur bei "Spektrum.de".

Vorausgegangen war eine Kampagne diverser Umweltverbände gegen die Amtsinhaberin Anne Glover und den von ihr eingenommenen Posten. Der sei grundsätzlich problematisch, heißt es in einem offenen Brief der Organisationen vom August 2014, weil er einer einzelnen Person zu viel Macht verleihe. Weiter beklagen Greenpeace und Konsorten sinngemäß, unabhängige Expertise werde an den Rand geschoben und Lobbyeinfluss einfacher gemacht.

Wie verlogen die von ihnen vorgetragene Lobbyismuskritik daherkommt, zeigt sich darüber hinaus in einem interessanten Zusammentreffen: Eines der Argumente, das die Unterzeichner des offenen Briefes gegen die Chefberaterposition ins Feld führen, ist, dass solche Berater "Ratschläge erteilten, die sich stark an spezifische wirtschaftliche und politische Interessen anlehnten". Keine drei Monate zuvor hatte die Amtsinhaberin Anne Glover in einem Interview exakt diese Tendenz zur Politisierung wissenschaftlicher Erkenntnisse in den EU-Institutionen angeprangert.

Dass die wissenschaftliche Beraterin hier mit einem Argument angegriffen wurde, das sie selbst öffentlich vertreten hat, zeigt: Es geht nur am Rand um die öffentlich vorgetragenen und zum Teil auch stichhaltigen Kritikpunkte bezüglich Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Woher der Wind tatsächlich weht, kann man im ersten offenen Brief nachlesen. Dort beklagen die Umweltverbände, Glover habe "einseitige" und "parteiische" Meinungen in der Presse vertreten, und zwar in der Debatte um gentechnisch veränderte Organismen in der Landwirtschaft. Ihre Argumentation entspricht exakt jener, die auch Klimaschutzgegner seit Jahren ins Feld führen: Eine kurze Liste kritischer Forscher soll die Umstrittenheit der Frage belegen, die tatsächlich für die große Mehrheit der Fachwelt im Wesentlichen geklärt ist.

Der Vorgang ist ein weiteres Beispiel für den Irrsinn, den die Kämpfer gegen Grüne Gentechnik seit Jahren betreiben. Ihre Aktivisten sabotieren Schule und Bildung, greifen Forschungseinrichtungen an und tun auch sonst alles, eine sachliche Diskussion über Biotechnologie in der Landwirtschaft zu verhindern. Um jeden Preis.

Für ihren kleinen Sieg auf einem Nebenschauplatz haben die Umweltverbände nun ihre Kernthemen verraten: Bei Themen wie Energiepolitik, Klimawandel oder Meeresschutz setzten sie regelmäßig auf die Schlagkraft wissenschaftlicher Argumente – gerade gegenüber Industrielobbyismus. Aber wenn es mal nicht passt, arbeiten sie mit den gleichen Mitteln. Sie seien nicht wissenschaftsfeindlich, betonen die beteiligten Organisationen in ihrem Brief. Dann sollten sie sich aber auch entsprechend verhalten.

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