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Pestizide: Meinung: Glyphosat im Bier, die Klickmaschine

Laut einer Studie wurde Glyphosat in beliebten deutschen Bieren gefunden. Die Methodik ist schwach und der Medienhype deshalb unangemessen, findet Philipp Hummel.
Biersorten

Erst war es das Brot und jetzt soll auch noch unser Bier vergiftet sein. Nach Angaben des "Umweltinstituts München e. V." wurde Glyphosat in Proben der 14 absatzstärksten Produkte der beliebtesten Biersorten Deutschlands nachgewiesen. Der meistverwendete Wirkstoff in Pflanzenvernichtungsmitteln, enthalten unter anderem im Produkt "Roundup" des Agrarriesen Monsanto, ist gerade im Begriff, den Deutschen ihre wichtigsten Grundnahrungsmittel zu verleiden. Denn Glyphosat gilt manchen Experten als gefährlich, Krebs erregend soll es unter anderem sein. Und dieser Schock kommt ausgerechnet zum 500. Jubiläum des deutschen Reinheitsgebots in diesem Jahr, eines der wenigen noch unumstrittenen Kulturgüter dieses Landes. Prost Mahlzeit!

Wie gefährlich Glyphosat tatsächlich ist, darüber sind die Experten uneins. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation WHO findet in ihren Untersuchungen, das Pestizid sei "wahrscheinlich Krebs erregend", der Wirkstoff also vermutlich grundsätzlich in der Lage, die Krankheit auszulösen. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) schließt das zwar nicht aus, hält das Risiko aber für kalkulierbar, wenn Höchstgrenzen eingehalten werden. Der hart geführte Streit darüber, welche Größe zur Beurteilung von Glyphosat sinnvoller ist – das Krebserzeugungspotential oder das Krebsrisiko – herrscht schon länger und wird sich in absehbarer Zeit nicht auflösen lassen. Jedenfalls nicht, bevor auf europäischer Ebene über eine Verlängerung der Zulassung von Glyphosat entschieden wird.

Ein auffälliger Zeitpunkt

Für diese wichtige politische Entscheidung kommt die Studie des Umweltinstituts nun aber genau zum rechten Zeitpunkt. Denn im Juni läuft die aktuell gültige Zulassungsverlängerung für Glyphosat aus. Für Anfang März strebt die Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der Europäischen Kommission die Abstimmung im zuständigen EU-Ausschuss über eine Erneuerung für die nächsten 15 Jahre an. Und ausgerechnet heute, am Tag des Starts der Kampagne des Umweltvereins aus München, die aus der Veröffentlichung der Glyphosat-Funde im Bier flankiert von einer Onlinepetition besteht, ließen die Grünen im Bundestag namentlich über eine kritische Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung in Bezug auf das Zulassungsverfahren abstimmen. Einer der Autoren der aktuellen Bierstudie, Karl Bär, war mehrfach Mitglied im Bundesvorstand der Grünen Jugend.

Die Studie zeigt noch weitere Auffälligkeiten. Weder findet man darin, wie viele verschiedene Flaschen einer Biersorte das Institut testen ließ, noch, welches Labor die Untersuchungen durchgeführt hat. Eine Nachfrage bei Studienkoautorin Sophia Guttenberger, ehemals Praktikantin bei "Spektrum.de", ergibt: Von jeder der 14 Sorten wurde nur eine einzige Flasche getestet. Die drei Produkte mit den höchsten Glyphosat-Messwerten ließ man mit einer zweiten Methode prüfen, als "Quertest". Dafür verwendete das beauftragte Labor eine andere Charge an Flaschen, die man zusätzlich noch mal mit der ersten, angeblich empfindlicheren Methode untersuchte. Streng genommen hat man also herausgefunden, dass in 17 Flaschen Bier in Deutschland Glyphosat enthalten war, wobei nur die Messwerte der 14 Flaschen aus der ersten Charge veröffentlicht wurden.

Wer genau die Messungen vornahm, hält das Umweltinstitut geheim. Das betroffene Labor befürchte, Industrieaufträge zu verlieren, wenn bekannt würde, dass es mit Umweltorganisationen zusammenarbeitet, sagt Guttenberger. Sie hat Biologie studiert und gibt zu, dass die Studie "wissenschaftlich nicht befriedigend" ist. Das sei aber auch nicht der entscheidende Punkt. Man habe lediglich nachweisen wollen, dass man auch in deutschem Bier Glyphosat finde. Das sei gelungen. Nun seien die Brauereien und die Politik am Zug, diesen Zustand zu ändern – das sei das Ziel.

Das durchführende Labor: Unbekannt

Für einen Verein wie das Umweltinstitut München, das sich dem Verbraucherschutz und somit der Transparenz verschrieben hat, ist das ein sehr intransparentes Vorgehen. In einer seriösen wissenschaftlichen Studie würde man die hier fehlenden Angaben zur Methodik, zum Labor und zu den Interessenkonflikten der Autoren, beispielsweise durch eine Parteimitgliedschaft, finden. Man kann sich leicht ausmalen, wie Lobbygruppen wie das Umweltinstitut mit einer derart undurchsichtigen Studie umgehen würden, käme sie von einem Konzern wie Monsanto.

Mittlerweile haben sich auch das BfR und der Verband der deutschen Bierbrauer zu Wort gemeldet. Das Bundesinstitut weist auf die niedrigen gefundenen Mengen hin und rechnet vor, dass man selbst von dem am stärksten belasteten Bier noch 1000 Liter am Tag trinken könnte, ohne dass eine nach der Methodik des BfR gefährlich hohe Dosis zu Stande käme. Der Brauerverband verbittet sich die Vorwürfe des Münchner Vereins als "absurd und völlig haltlos". Man habe eigens ein Monitoringsystem für Braumalz eingerichtet, um Stoffe wie Glyphosat nachzuweisen, und nie bedenkliche Mengen gefunden. Die Studie hält der Verband für nicht glaubwürdig.

Bleibt die Frage, wie sich der Inhalt einer derart mängelbehafteten Studie in Windeseile über die deutsche Presselandschaft und von dort mittels sozialer Kanäle auch bei den Bürgern verbreiten konnte. Es ist nur wenige Tage her, da zog die letzte wissenschaftliche Schlagzeile ihre im wahrsten Wortsinn viralen Bahnen durch Deutschland. Hinter der vermeintlichen HIV-Heilung aus Dresden und Hamburg steckt zwar vermutlich saubere und auch viel versprechende Wissenschaft. Allein, heilen wird man auf absehbare Zeit niemanden damit. Vielen deutschen Medien war's egal. Wenn es um Aufmerksamkeit geht, dann verlässt so manchen Newsdesk-Mitarbeiter das Bewusstsein für klassische journalistische Tugenden. Das nutzen Lobbygruppen wie das Umweltinstitut München, die genau wissen, wie man die von Klicks getriebene Onlinepresse auf ein Thema ansetzt. Das Fatale: Egal was am Ende von solchen Sensations- oder Albtraummeldungen wie der HIV-Heilung oder dem Glyphosat-Bier übrig bleibt, die große Schlagzeile wird es meist nicht mehr machen. Solche Meldungen lassen sich kaum wieder völlig einfangen.

Geschickte Lobbyarbeit

Dem Münchner Umweltinstitut kann man kaum vorwerfen, seine Lobbyarbeit erfolgreich auszuüben. Der Vorwurf geht an die Journalisten, die versagt haben, wenn sich unkritische Artikel über eine solche "Studie" derart schnell verbreiten. Man würde den Onlineredaktionen und Nachrichtenagenturen mehr Mut wünschen, einer Geschichte wie dieser die nötige Zeit für eine gründliche Recherche angedeihen zu lassen, statt sie so schnell wie möglich in den Äther zu blasen.

Vielleicht ist unser Bier ja wirklich flächendeckend mit Glyphosat belastet. Das zu erfahren, ist das Recht der Bürger, unabhängig von umstrittenen Grenzwerten. Keiner will unwissentlich Glyphosat trinken, nicht mal Verfechter der Gentechnik. Zumindest aber sollte man jedem die freie Entscheidung darüber ermöglichen. Doch Studien wie die vorliegende tragen nicht wirklich zur Aufklärung der Verbraucher bei. Stattdessen schüren sie auf wissenschaftlich dünner Faktenlage Angst mit dem Zweck, die Politik unter Druck zu setzen. Im Allgemeinen bezeichnet man das als Agitation. Auch ein noch so hehrer Zweck wie der Schutz der Gesundheit der Biertrinker heiligt nicht das Mittel solcher intransparenter, effekthascherischer Studien.

Die Abstimmung im Bundestag ging für die Kampagne des Umweltinstituts München e. V. übrigens negativ aus: 446 Abgeordnete stimmten gegen den Antrag der Grünen, 117 Abgeordnete dafür, drei enthielten sich.

Korrektur: Im Text stand ursprünglich, dass auch Wurst Glyphosat enthält. Das wurde bisher zumindest nach unserer Kenntnis noch nicht nachgewiesen und wir haben die Stelle im Text deshalb geändert. Wenn Sie mehr wissen, teilen Sie uns das gerne mit. Wurst ist aber auch unabhängig von Glyphosat krebserregend. Genau wie übrigens Bier.

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