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Antike: Römische Latrinen-Geschichte(n)

Wo Fortuna wachte und Methangas zündete: Wer eine Gesellschaft verstehen will, kommt an ihren Latrinen nicht vorbei. Auch die römischen Kloaken lieferten überraschende Einblicke.
Latrinen in Ephesos

Eng und übel riechend ging es wohl zu in dem hohen Kellerraum tief unter einem der prunkvollsten Paläste Roms. Eine Art Steinbank, in regelmäßigen Abständen durchbrochen von etwa tellergroßen Löchern, verlief entlang der Wand der feuchten Kammer. Auf ihr saßen vor etwa 2000 Jahren die Angehörigen der niedersten Schichten der römischen Gesellschaft, hier war ihr Platz für die Verrichtung ihres Geschäfts.

Heute ist der Raum für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. 2014 aber nutzten die Archäologinnen Ann Koloski-Ostrow und Gemma Jansen eine seltene Gelegenheit, die antike Gemeinschaftstoilette auf dem Palatin genauer zu erforschen. Unter anderem nahmen sie Maß an der Sitzhöhe (bequeme 43 Zentimeter), den Abständen zwischen den Löchern (eher intime 56 Zentimeter) und am Abstand zum darunterliegenden Abwasserkanal (beachtliche 380 Zentimeter an der tiefsten Stelle). Auch stellten sie Überlegungen darüber an, wo wohl das Wasser herkam, das den Kanal einst durchspülte (vielleicht von einer nahe gelegenen Therme). Graffiti außerhalb der Eingangstür legen nahe, dass es lange Schlangen gab, in denen die Wartenden Zeit hatten, ihre Botschaften an die Nachwelt einzuritzen. Die unterirdische Lage der Toilette, in Verbindung mit der schlichten rot-weißen Bemalung der Wände, legt nahe, dass hier keine hochgestellten Persönlichkeiten Platz nahmen. Auf der Bank saßen vermutlich vor allem Sklaven.

Als 1913 der italienische Archäologe Giacomo Boni diesen Raum erforschte, waren Toiletten noch ein Tabuthema. In seinem Ausgrabungsbericht scheint er die durchlochten Bänke mit einer weit aufsehenerregenderen Entdeckung zu verwechseln: Sie seien wohl ein Teil eines komplizierten Mechanismus, so spekulierte er, um Wasser in den Palast zu pumpen und diesen mit hydraulischer Energie zu versorgen. Bonis Prüderie hielt ihn davon ab, zu erkennen, was direkt vor seinen Augen lag, sagt Jansen: »Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass es sich um eine Toilette handelte.«

Ein Jahrhundert später sind Toiletten kein inakzeptables Forschungsobjekt mehr. Koloski-Ostrow von der Brandeis University in Waltham, Massachusetts, und Jansen, freischaffende Archäologin aus den Niederlanden, befinden sich damit in der Gesellschaft einer wachsenden Zahl von Archäologen, Epidemiologen und anderen Spezialisten, die es sich zum Ziel gesetzt haben, Licht in die vergessenen Örtchen der Antike zu bringen. Ihr Interesse reicht von den Sumerern bis ins europäische Mittelalter, ein besonderer Fokus liegt jedoch auf der Römerzeit.

Das soll Ernährungsweisen, Krankheiten und die Gewohnheiten antiker Gesellschaften verstehen helfen, vor allem die der unteren Schichten. Denn diesen haben Archäologen der Vergangenheit oft nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Aus ihren neuen Forschungen konnten die Wissenschaftler beispielsweise schließen, dass die alten Römer ihre Toiletten stets mit einer gewissen Beklommenheit aufsuchten, teils aus Aberglauben, teils aber auf Grund der sehr realen Gefahren, die von Ratten und anderem Ungeziefer in den Kloaken ausgingen. Außerdem zeigen moderne Untersuchungen antiker Exkremente, dass die ausgefeilten Kanalisationsanlagen, für die Rom so berühmt ist, offenbar nicht viel zur Gesundheit seiner Bürger beitrugen.

»Von Toiletten können wir vieles lernen«, sagt Hendrik Dey vom Hunter College in New York, »viel mehr als nur, wie und wo die Leute aufs Klo gegangen sind.«

Die Latrinen-Queen

Auch wenn Latrinen heute kein Tabuthema mehr sind, für ihre Erforschung braucht es doch eine gewisse Gemütsruhe. »Man muss viel Selbstbewusstsein und Humor mitbringen, denn man wird dafür natürlich von Freunden und Feinden gleichermaßen veralbert«, sagt Koloski-Ostrow. Das Thema beschäftigt sie seit nunmehr fast 25 Jahren: seit der klassische Archäologe Nicholas Horsfall sie in der Bibliothek der American Academy of Rome zu sich rief. »Latrinen«, flüsterte er verschwörerisch, »römische Latrinen. Die hat noch niemand richtig untersucht.« Koloski-Ostrow nahm die Herausforderung an und ist heute, so sagt sie, »an der Uni weithin bekannt als die ›Queen of Latrines‹«.

Die ersten, einfachen Toiletten wurden wohl schon Ende des 4. Jahrtausends v. Chr. in Mesopotamien erfunden, im alten Sumer. Diese nicht spülbaren Aborte bestanden aus etwa 4,5 Meter tiefen Gruben, die von ineinandergestapelten Keramikröhren von rund einem Meter Durchmesser ausgekleidet wurden. Die Benutzer mussten über den Röhren sitzen oder hocken, und die Fäkalien blieben in dem Behältnis, während anfallende Flüssigkeit durch Löcher in der Wandung nach außen sickerte.

Aufbau einer typischen Latrine | An dieser Latrine in Sardis erkennt man den Aufbau der Toilette. In der Rinne vor den Bänken floss Wasser, in dem der Benutzer seinen Schwamm wusch.

Bis vor Kurzem hatte die Forschung noch wenig Interesse an diesen Toiletten, erzählt die Archäologin Augusta McMahon von der University of Cambridge. »Archäologen in Mesopotamien haben sie eher als Störfaktor gesehen: ›Blöd, eine Grube schneidet mir durch die eigentlich interessanten Befunde!‹« Sorgfältig ausgegraben hat sie hingegen ihres Wissens noch niemand – ein Projekt, das sie selbst eines Tages gern in Angriff nehmen möchte, sobald sie ein geeignetes Objekt und die nötige Finanzierung dazu aufgetrieben hat.

Auch die Sumerer selbst hatten offenbar nicht viel für ihre revolutionäre Technologie übrig: Obwohl die Toiletten komfortabel in der Nutzung waren sowie günstig und einfach im Bau, tauchen sie nur vereinzelt auf, sagt McMahon. Für einen Buchbeitrag hat sie 2015 das Vorkommen der Latrinen in diversen Wohnvierteln Südmesopotamiens anhand von archäologischen Surveys systematisch erfasst. Ihr Ergebnis: »Der Anteil der Häuser mit Toiletten ist sehr gering – nur etwa ein bis zwei von fünf.« In allen anderen, so scheint es, nutzten die Bewohner offenbar einen Nachttopf oder hockten sich draußen in die Felder.

Fragwürdiger Nutzen

Daher dürfte der gesundheitliche Nutzen der Erfindung eher gering gewesen sein, sagt McMahon – obwohl die Grubentoilette die Bewohner räumlich von ihren Ausscheidungen trennte, was als entscheidendes Qualitätsmerkmal einer sanitären Einrichtung gilt. Denn so lässt sich die fäkal-orale Krankheitsverbreitung unterbinden. Laut einer Studie der US-Agentur für Internationale Entwicklung müssen allerdings mindestens 75 Prozent der Bevölkerung Zugang zu solchen Stätten haben, sonst verbessert sich die Volksgesundheit nicht erkennbar.

Etwa ein Jahrtausend später verpassten die Minoer auf Kreta der Toilettentechnologie ein erstes großes Upgrade: Sie erfanden die Spülung – allerdings nur für die Elite. Das älteste bekannte Beispiel befindet sich laut dem griechischen Architekten Georgios Antoniou, der sich mit den antiken Abwassersystemen Griechenlands beschäftigt, im so genannten Minos-Palast in Knossos. Dort wurden die Exkremente mit Wasser in das Kanalsystem des Palastes gespült.

Danach nahm die Toilettentechnologie Fahrt auf. Im 1. Jahrtausend v. Chr. entwickelten die Griechen in der klassischen, vor allem aber in der darauf folgenden hellenistischen Epoche groß angelegte öffentliche Bedürfnisanstalten – im Grunde große Räume mit »Donnerbalken«, die an die Kanalisation angeschlossen waren – und versahen gewöhnliche Mittelschichtshäuser mit eigenen Toiletten. »Die Gesellschaft als Ganzes war wohlhabender geworden und konnte sich besseren Komfort im täglichen Leben leisten«, sagt Antoniou.

Der Einsatz der Aborttechnologie durch die Römer übertraf hingegen alles bisher Dagewesene. Im ersten vorchristlichen Jahrhundert wurden öffentliche Latrinen genau wie Badehäuser zu einem wesentlichen Charakteristikum römischer Infrastruktur, sagt Koloski-Ostrow. Darüber hinaus hatten fast alle Stadtbewohner Zugang zum eigenen Abort. Dennoch wissen Archäologen erstaunlich wenig darüber, wie diese Toiletten funktionierten und was die Leute von ihnen hielten, sagt die Expertin. Ein Grund: Nur wenige römische Autoren ließen sich darüber aus, und wenn doch, dann meist in satirischen Texten, die heute schwierig zu interpretieren sind.

Die Arbeit von Koloski-Ostrow und Jansen zeigt, dass es sich lohnt, das Thema ernst zu nehmen. Für ein Buch über Toiletten in der Hauptstadt des Römischen Reichs haben sie und zwei Dutzend andere Archäologen mehr als 60 solcher Installationen in der ganzen Stadt analysiert. Viele davon waren bis dahin noch nie beschrieben worden, wie beispielsweise die Latrinen der Wachen in der Stadtmauer oder ein Zwei-Personen-Sitz in einem Wohnblock. »Ich glaube, es wird einige Archäologen überraschen, dass viele der Gebäude, an denen sie in Rom gearbeitet haben, Toilettenanlagen besaßen«, sagt Koloski-Ostrow.

Roms öffentliche Latrinen ähnelten stark ihren griechischen Vorgängern: langen Räume mit steinernen oder hölzernen Sitzbänken an der Wand über einem Abwasserkanal. Die Löcher in den Bänken waren rund, mit einem schmalen Schlitz zur Vorderseite hin, so dass eine Art Schlüssellochform entstand. Die Schlitze waren wohl dazu da, sich mit einem an einem Stock befestigten Schwamm zu reinigen. Schmale Rinnen liefen für gewöhnlich parallel zu den Bänken am Boden entlang: Die Experten nehmen an, dass hier die Benutzer ihre Schwämme in Wasser auswuschen. Es gibt zwar keinerlei Hinweise auf Trennwände zwischen den Sitzen, aber die langen Gewänder der Römer und die Tatsache, dass es nur wenige Fenster gab, sorgten wohl für ein gewisses Maß an Privatsphäre, vermutet Koloski-Ostrow.

Private Angelegenheit

Anders sahen dagegen die Toiletten in Privathäusern aus, erklärt ihre Kollegin Jansen: Dort befand sich der Abort meist in oder nahe der Küche, was praktisch war, da man ihn auch für Essensabfälle benutzte. Gespült wurde mit Wasser aus Eimern. An die Kanalisation waren sie jedoch nur in seltenen Fällen angeschlossen. War die Sickergrube voll, entleerte man sie entweder in den Garten oder in die Felder außerhalb der Stadt, vermutet Jansen.

Überhaupt waren die Abwasserkanäle – gemeinhin ja der Inbegriff römischer Kultur und Technik – wohl weniger weit verbreitet als angenommen. Auch um ihren Nutzen scheint es nicht allzu gut bestellt gewesen zu sein, sagt Koloski-Ostrow. Für ein 2015 erschienenes Buch hat sie überprüft, ob die römischen Kanäle den Hygienestandards des modernen Sanitärbaus genügen würden. Toiletten müssen beispielsweise gut durchlüftet sein, auch darf sich kein festes Material ablagern, was die Geruchsentwicklung fördern und den Durchfluss bremsen würde. Zu einem überwiegenden Teil genügte die römische Kanalisation diesen Standards nicht. Ihre eigenen Ausgrabungen in der Cloaca Maxima, dem größten Abwasserkanal Roms, ergaben jüngst zum Beispiel, dass manche Kanäle vermutlich schon binnen Jahresfrist mit Schlamm verstopft waren. Eine regelmäßige Reinigung war wohl mindestens notwendig – eine schmutzige und gefährliche Arbeit.

Die römischen Toiletten hatten noch andere Mängel. Zum Beispiel wiesen die Rohre keine Siphons oder s-förmigen Rohre auf, die die Fliegen ferngehalten hätten. Die beiden Umweltarchäologen Mark Robinson von der University of Oxford und Erica Rowan von der University of Exeter haben den gut erhaltenen Inhalt eines geschlossenen Abwasserkanals untersucht, der mit mehreren Toiletten eines Wohnblocks in Herculaneum verbunden war. Diese römische Stadt in der Nähe von Neapel wurde im Jahr 79 n. Chr. beim Ausbruch des Vesuvs zerstört. Zwischen den Fäkalien und dem übrigen Unrat, den man dort hinuntergeworfen hatte, fand Robinson zahlreiche mumifizierte Fliegenpuppen. Da die Insekten frei zwischen Abwasserkanälen und Wohnräumen hin und her fliegen konnten, verbreiteten sich Pathogene und Fäkalkeime unter den Menschen mit Leichtigkeit.

Auf der Suche nach den Vorteilen antiker Sanitäranlagen hat der Paläopathologe Piers Mitchell von der University of Cambridge systematisch ausgewertet, wo Forscher bei ihren Ausgrabungen auf Anzeichen von Parasitenbefall gestoßen waren. Seine Erwartung war, dass Spul- oder Peitschenwürmer, die unter anderem Mangelernährung zur Folge haben können, mit Beginn der Römerzeit seltener werden würden. Doch das Gegenteil war der Fall: Ihre Häufigkeit nahm offenbar schrittweise zu. Der Grund dafür könnte sein, dass die Römer menschliche Exkremente als Düngemittel verwendeten, wodurch die Wurmeier in die Nahrung gelangten. »Toiletten, Kanäle et cetera hatten wohl keinen sonderlich förderlichen Effekt auf die Darmgesundheit der Römer«, fasst Mitchell zusammen.

Überraschend abwechslungsreiche Ernährung

Die Praxis der alten Römer, Küchenabfälle in die Toilette zu werfen, mag unhygienisch gewesen sein – für heutige Archäologen ist der Unrat von einst eine reiche Informationsquelle. Erica Rowan war überrascht von der Qualität und Vielfalt der Essensreste, die sie im Kanal von Herculaneum fand, insbesondere da die Kloake zu einem großen Appartementkomplex gehörte, in dem vorwiegend ärmere Leute wohnten. »Gemeinhin wird angenommen, dass sich kaum jemand, die in der antiken Welt nicht der Elite angehörten, besonders interessant oder abwechslungsreich ernährte«, sagt Rowan. Wie das archäologische Material aus Herculaneum jedoch zeigt , nahmen in der römischen Gesellschaft Angehörige aller Klassen die unterschiedlichsten Lebensmittel zu sich, am häufigsten Feigen, Oliven, Trauben, Eier und Meeresfrüchte. Ihre Mahlzeiten schmeckten sie mit Gewürzen wie Dill, Minze, Koriander und Senfsamen ab. »Ihre Ernährungsweise war ziemlich gesund, sie bekamen alle wichtigen Nährstoffe.«

Der Kanalinhalt erlaubte Rowan auch, einen genaueren Blick auf die römische Nahrungsmittel- und Energiewirtschaft zu werfen. Die große Menge an Essensresten lege nahe, dass die Römer häufiger als gedacht zu Hause kochten. Und aus der Zahl der Fischgräten schloss sie, dass der regionale Fischhandel bedeutender war, als Forscher bislang für möglich hielten.

Straße in Pompei | Die Untersuchung der Essensreste im Abwassersystem der Römer zeigt: Nicht nur die Wohlhabenden ernährten sich abwechslungsreich.

Solche Entdeckungen entsprächen einem allgemeinen Trend in der Archäologie, erklärt der New Yorker Archäologe Dey. Bis vor Kurzem konzentrierte sich die Wissenschaft auf Monumentalbauten und die darin wohnenden Eliten. Inzwischen habe sich die Aufmerksamkeit auf der sozialen Leiter abwärts verlagert. »Die Rom-Forscher haben gemerkt, dass man die Dynamik einer Gesellschaft nicht verstehen kann, wenn man nur das oberste Prozent anschaut«, sagt er. »Die Erforschung der Toiletteneinrichtungen ist Teil des größer angelegten Versuchs, mehr über die Funktionsweise der römischen Gesellschaft herauszufinden – dazu gehören auch und gerade ihre weniger schillernden Aspekte.«

Für Koloski-Ostrow und Jansen sind römische Latrinen auch ein Fenster in die Glaubenswelt dieser Gesellschaft. Aus Sicht der Römer lauerten überall Dämonen, manchen Schriften zufolge sogar in der Toilette. »Dämonen können ein Opfer verhexen, das dann stirbt oder krank wird«, erklärt Jansen.

Der Schrecken lauert in der Tiefe

Der römische Schriftsteller Claudius Aelianus schreibt in »De Natura Animalium« von einem Oktopus, der Nacht für Nacht durch den Abfluss einer Toilette geschwommen kam, um die eingelegten Fische in der Speisekammer zu fressen. Der Wahrheitsgehalt dieser Geschichte ist eher zweifelhaft, aber Nagetiere, Insekten und anderes Ungeziefer konnten durchaus in den Toiletten gelauert haben und von dort aus in die Wohnungen eingedrungen sein. Ganz zu schweigen von mit Fäkalien verunreinigtem Wasser, das bei Überschwemmungen hochgespült wurde.

Auch explosive Gase könnten ein Problem gewesen sein: »Es mag vorgekommen sein, dass man in die Küche kam und eine Stichflamme aus der Toilette schoss, weil sich in den Kanälen Methangase angesammelt hatten«, spekuliert Koloski-Ostrow. Die weit verbreitete Angst vor Toiletten könnte erklären, warum man in den öffentlichen Bedürfnisanstalten weniger Graffiti findet als im Rest der römischen Welt, meint Jansen. Keiner wollte dort mehr Zeit verbringen als unbedingt nötig. Der gleiche Aberglaube steckt vermutlich auch hinter den vielen kleinen Heiligtümern für die Göttin Fortuna, die sich in den Latrinen finden. Jansen vertritt die Ansicht, dass die Glücksgöttin die Toilettenbenutzer vor krank machenden Dämonen beschützte – und allen anderen Übeln, denen man auf der Latrine begegnen konnte.

In antiken Toiletten werden Forscher wohl noch manch anderes Geheimnis lüften. Zumal die Archäologen ihre Untersuchungen zwischenzeitlich auf andere Weltgegenden ausdehnen. Rowan erforscht derzeit eine Fundstätte in der Türkei, während Mitchell vor Kurzem Funde aus einer 2000 Jahre alten chinesischen Toilette untersuchte. Dennoch kommt die Toilettenforschung nur langsam voran, es fehlt am Nachwuchs. Und selbst wenn das Thema keine Randerscheinung mehr ist, ist es schwer, für die Finanzierung zu sorgen. Mitchell hat das Gefühl, »dass sich keiner so richtig dafür interessiert«. Einer der Gründe ist wohl der Mangel an schriftlichem und archäologischem Material, der die Arbeit so abschreckend macht.

Für Archäologen wie Ann Koloski-Ostrow werfen die jüngsten Ergebnisse allerlei neue Fragen über antike Gesellschaften auf. Benutzten auch Frauen öffentliche Toiletten in Rom? Waren sie Orte des sozialen Austausches oder eher stille Örtchen? Welche ausländischen Einflüsse prägten die römischen Toiletten, und wie verbreitete sich die Toilettenkultur von der Hauptstadt in die Provinzen? Diese Fragen zu beantworten, wird keine leichte Aufgabe, sagt sie, aber sie zu stellen, fühle sich längst nicht mehr so merkwürdig an wie zu Beginn ihrer Karriere.

Rowan stimmt ihr zu: Toilettenforschung sei endlich im Mainstream der Archäologie angekommen. »Wenn heute jemand eine Latrine findet, wird sie sorgfältig ausgegraben und es werden Proben genommen. Man kennt inzwischen den wissenschaftlichen Wert. Vorbei die Zeit, als es hieß: ›Ach, ist doch nur ein Klo!‹«

Dieser Artikel erschien unter dem Titel »The secret history of ancient toilets« in »Nature«.

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