Grundwasser: Hitzefalle unter den Großstädten
Wenn Alexander Limberg über Probleme in Berlin spricht, dann redet er nicht über unfertige Flughäfen oder schmutzige Straßen, er redet über die Unterwelt. Seit 35 Jahren arbeitet Limberg bei der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, seit 15 Jahren ist er deren Leiter und zuständig für das Grundwasser. Was den Hydrogeologen bekümmert, ist das, was im Verborgenen geschieht. Und das hat ausnahmsweise nichts mit Kriminalität zu tun.
»Unter der Stadt haben wir ein Problem«, sagt Limberg. Geologen bezeichnen es als urbane Wärmeinsel im Untergrund. Auf gut Deutsch: Die Hauptstadt heizt sich immer stärker auf. Vor allem in diesem Hitzesommer kletterte das Thermometer direkt unter der Oberfläche verbreitet auf mehr als 20 Grad. An manchen Messstellen registrierte Limberg neue Rekordwerte.
Das Problem, von dem Limberg spricht, tritt weltweit auf. Es betrifft vor allem Megastädte wie Moskau, Istanbul, Seoul und Mexiko-Stadt, aber auch Winnipeg, Zürich, München oder eben Berlin. Rund um den Globus heizen sich die Städte mittlerweile zu stark auf, warnen Klimaforscher. Und zwar nicht nur an der Oberfläche, sondern auch im Boden. Außerhalb der Fachwelt und selbst unter Umweltschützern ist das Phänomen praktisch unbekannt. Dabei handelt es sich um den vielleicht drastischsten Eingriff in ein ebenso einzigartiges wie unerforschtes Ökosystem. Man könnte auch sagen: um eine unbemerkte Verschmutzung von Böden und Grundwasser, deren Folgen sich bislang nur grob abschätzen lassen.
Die Qualität des Grundwassers ist in Gefahr
Seit Alexander Limberg weiß, wie schnell sich der Untergrund unter Berlin erwärmt, fragt er sich, wie die Grundwasserqualität in Zukunft noch sichergestellt werden kann. Eine höhere Temperatur stößt eine ganze Kette von biologischen und chemischen Prozessen an, deren Zusammenhänge Ökologen erst langsam verstehen. »Es geht ja nicht bloß darum, dass man in Berlin vielleicht bald pieselwarmes Wasser trinken muss«, sagt Limberg. Das wäre zwar unangenehm, aber nicht bedenklich. Es geht ihm um die Zukunft des wichtigsten Lebensmittels für dreieinhalb Millionen Berliner.
Das hat mit der speziellen Situation der Hauptstadt zu tun: Berlin ist eine der wenigen Metropolen im Land, die ihr Trinkwasser auf dem Stadtgebiet gewinnt. Acht Wasserwerke verteilen sich auf die Stadt, die beiden größten am Tegler See und am Wannsee, wo der Untergrund allerdings deutlich kühler ist als im Zentrum.
Am Stadtrand zeigen die Tiefenprofile der Messstellen noch ihren natürlichen Verlauf. Die Temperatur sinkt mit zunehmender Tiefe auf etwa 9 Grad, doch schon nach 10 bis 15 Meter Tiefe wird es wieder wärmer. Ganz anders die Situation in einer Messstelle in Charlottenburg: In etwa ein Meter Tiefe ist es in diesem September noch wärmer als 20 Grad, in drei Metern sind es immerhin noch 18,8 Grad, richtig kühl wird das Grundwasser erst nach 15 Metern mit rund 12 Grad. Damit ist jene Tiefe erreicht, in der der Untergrund von den Jahreszeiten nicht mehr groß beeinflusst wird. Egal wie kalt oder warm es oben wird – in dieser Tiefe bleibt die Temperatur konstant und sinkt auch nicht weiter ab. Im Gegensatz zum Umland macht sich in der Innenstadt der heiße Erdmantel erst nach 80 Meter Tiefe bemerkbar. Von da an wird es ebenfalls wieder wärmer, wenn auch sehr langsam. 12,4 Grad hat das Grundwasser in 100 Meter Tiefe.
Temperaturprofile wie an dieser Messstelle seien typisch für verdichtete Innenstädte, sagt Limberg. Die oberen Meter sind noch stark vom Jahreslauf beeinflusst, im Winter sackt das Thermometer oberflächennah sogar bis an den Gefrierpunkt ab; manchmal ist der Boden vollständig gefroren. Tiefer als einen Meter dringt der Frost aber nur selten ein.
Drei bis vier Grad zu warm
Die für Berlin übliche Durchschnittstemperatur im Untergrund wird allerdings kaum noch erreicht. Eigentlich müsste in rund 15 Metern unter Grund exakt die Jahres-Durchschnittstemperatur der Oberfläche herrschen. Das Klimamittel einer Stadt ist gleich ihrer Grundwassertemperatur, rechnet Limberg vor. In Berlin wären das rund 10 Grad. Doch im Zentrum fällt die Temperatur mittlerweile nicht mehr unter 14 Grad. Bis in eine Tiefe von 100 Metern staut sich die Wärme, unter 13 Grad fällt die Temperatur selten. Drei bis vier Grad ist es im Boden unter Berlin also mittlerweile schon zu warm. Und jedes Jahrzehnt kommt ein halbes Grad hinzu. Konservativ gerechnet.
Es ist ein Phänomen, das sich seit wenigen Jahren verstärkt. In Deutschland herrscht seit geraumer Zeit eine regelrechte Bauwut. Drei Viertel aller Deutschen wohnen mittlerweile in Städten, und immer mehr wollen urban leben. Um Wohn- und Büroraum zu schaffen, werden Freiflächen systematisch zugebaut, Bäume gefällt, Verkehrswege in den Untergrund verlegt und Kleingärten in Siedlungen verwandelt. Zweckbauten werden errichtet, Straßen gebaut, grüne Flecken zubetoniert. Die kompakte, verdichtete City ist eines der beliebtesten Konzepte der modernen Stadtplanung. Sie soll verhindern, dass die Städte an ihren Rändern weiter ausfransen. Doch mittlerweile ist die Wohnungsnot so groß, dass die Großstädte in alle Dimensionen wachsen: in die Höhe, in die Breite und immer mehr in die Tiefe.
Die Stadt heizt sich dadurch stärker auf als das Umland. Dieses »Urban Heat Island«-Phänomen wurde vor 200 Jahren erstmals von Luke Howard am Beispiel seiner Heimatstadt London beschrieben. Zum ohnehin schon vorhandenen Inseleffekt kommt auf die Stadtbewohner nun noch der Klimawandel hinzu. Um zwei bis drei Grad wird die durchschnittliche Lufttemperatur dadurch bis zum Ende des Jahrhunderts zusätzlich steigen. Immer mehr Wärmequellen wie U-Bahnen, Parkhäuser, Bürotürme, Straßen, Kanäle, Leitungen und Klimaanlagen strahlen auch in den Untergrund aus. Was das bedeutet, konnte man in diesem Hitzesommer in Howards Heimatstadt London besonders gut spüren. Verbreitet wurde es unerträglich heiß, an manchen U-Bahn-Stationen stieg das Thermometer auf bis zu 40 Grad und damit deutlich über jenen Schwellenwert von 30 Grad, bei dem, wie der »Independent« süffisant anmerkte, Schafe, Kühe und Schweine in der EU eigentlich nicht mehr transportiert werden dürfen.
Selbst gemachte Hitzefalle
Verkehrsbetriebe gehen gegen das Problem an, indem sie Bahnen und Stationen klimatisieren. Aber damit wird das Problem auf lange Sicht nur noch schlimmer. Denn auch das erzeugt Wärme, die häufig nicht entweichen kann, und so sitzen die Menschen in der selbst gemachten Hitzefalle. In der New Yorker U-Bahn wurden sogar schon Temperaturen von bis zu 50 Grad gemessen. Um Schächte, Stationen und Gebäude zu kühlen, wird daher eine Energietechnik immer beliebter: die Geothermie. Sie wird nicht nur im Winter zum Heizen genutzt, sondern kommt auch während der warmen Jahreszeit zum Einsatz. Viele Unternehmen kühlen bereits ihre Büros, indem sie die Sommerwärme ins Grundwasser leiten.
Rund 370 000 solcher Anlagen existieren heute schon in Deutschland, jedes Jahr kommen etwa 23 000 neue hinzu. Die oberflächennahe Geothermie, die bis zu 400 Meter in die Tiefe reicht, entwickelt sich rasend schnell. Mehr als 3000 Erdwärmeanlagen und rund 7000 tiefe Bohrungen gibt es inzwischen allein in Berlin. Jede einzelne treibt Alexander Limberg die Sorgenfalten auf die Stirn. Er hofft, dass es beim Bohren nicht zu Schadensfällen kommt, denn der Untergrund von Berlin sei voller Altlasten, die nach oben migrieren könnten, sagt er. Zudem predigt er Vorsicht vor einer speziellen geologischen Schicht unter der Stadt. Es ist der so genannte Rupelton, der wie eine Barriere wirkt. »Die darf man auf keinen Fall anbohren«, sagt er. Denn darunter liegt Salzwasser, das nach oben steigen könnte.
Wird das kalte Grundwasser im Sommer zur Kühlung großer Bürotürme genutzt, spart das Geld und lässt sich als umweltfreundlich vermarkten. Die meisten Hochhäuser stehen allerdings dort, wo die Erwärmung des Untergrunds die größten Probleme verursacht: im Zentrum. In Frankfurt zählen die Behörden derzeit rund 100 geothermische Systeme mit Leistungen von bis zu 600 Kilowatt. Weitere Großanlagen seien in Planung, berichtet Sven Rumohr vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie in Wiesbaden. Die Großunternehmen in ihren Bürogebäuden schätzen die geothermische Klimaanlage sehr, ein Ende des Trends sei nicht abzusehen, sagt Rumohr.
Bürohitze wird ins Grundwasser geleitet
Für die Genehmigung müssen die Unternehmen in Frankfurt allerdings genau dokumentieren, wie viel Wärme sie dem Untergrund entziehen oder zuführen. Nur wenn die Bilanz einigermaßen ausgeglichen ist, erhalten sie eine Zulassung. Kontrollen zeigen aber, dass der Betrieb großer Anlagen regelmäßig und zum Teil deutlich von der Planung und Zulassung abweiche, sagt Rumohr. Viele Bürogebäude würden mehr Wärme in den Untergrund emittieren, als sie dürften. Manches Unternehmen habe nicht einmal eine Messstelle eingerichtet, um die Bilanz zu dokumentieren.
Der Geologe Peter Bayer von der TH Ingolstadt beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Vorgängen im Untergrund, sein Spezialgebiet ist die oberflächennahe Geothermie. Viele Jahre hat er an der ETH Zürich geforscht, er kennt die Schweizer Stadt und ihren Untergrund wie nur wenige. Grundsätzlich hält Bayer den Transport von Wärme in den Untergrund für eine pfiffige Idee. Das sei jedenfalls deutlich ökologischer, als große Gebäudekomplexe mit energieintensiven Klimaanlagen zu kühlen.
»Es hat in Zürich einen regelrechten Run auf Geothermie gegeben«
Peter Bayer
In Zürich wird die Geothermie als Schlüsselenergie für die Zukunft gesehen. »Es hat dort einen regelrechten Run gegeben«, sagt Peter Bayer. Durch so genannte Grundwasserwärmepumpen sind zahlreiche Gebäude über einen Brunnen direkt mit dem Grundwasser verbunden. Solche offenen Systeme werden vor allem von der Industrie genutzt, sie leiten Abwärme direkt in die Aquifere. Um mehr als zehn Grad schwankt dadurch die Grundwassertemperatur. Um sich an solchen Orten ein genaueres Bild zu machen, hat Bayer in den vergangenen Jahren nachgemessen und Tiefenprofile erstellt. Vor allem im Zentrum waren unterirdische Temperaturen um 20 Grad im Sommer nicht selten. Unter Grünflächen hingegen blieb es schön kühl.
An einem Standort traute er selbst seinen Daten nicht: Im Urania-Parkhaus mitten im Züricher Zentrum sprang die Temperatur im Hochsommer plötzlich auf über 26 Grad. »Das war zwar ein absoluter Extremfall, aber typisch für Parkhäuser«, sagt er. Sie heizen sich besonders stark auf und geben in der Folge auch besonders viel Wärme nach unten ab. Mittlerweile scheint die Geothermie in Zürich allerdings an ihre Grenzen zu stoßen. Anträge werden seltener bewilligt, Schutzzonen ausgedehnt. Man ist vorsichtiger geworden. Auch Peter Bayer warnt davor, allzu skrupellos mit dem Raum unter unseren Füßen umzugehen. »Die Schwierigkeit ist ja, dass wir da nicht reinschauen können«, sagt er. Was genau im Verborgenen liegt, können die Wissenschaftler bis heute nur ahnen.
Ökologen waren anfangs überrascht, wie viel Leben überhaupt im Boden steckt. Bis vor ein paar Jahrzehnten dachten sie, dort unten könne kein Organismus überleben. Ein Irrtum, wie man inzwischen weiß. Nun wollen auch die Geothermie-Befürworter herausfinden, wie die Lebewesen im Untergrund auf Eingriffe reagieren.
»Wir sind die einzigen in Deutschland, die sich mit der Grundwasserfauna beschäftigen – das ist doch traurig«
Hans Jürgen Hahn
An der Universität Koblenz-Landau sucht man seit Jahren Antworten. Am Campus Landau ist eine für Deutschland einzigartige Forschungsgruppe Grundwasserökologie mit acht Mitarbeitern beheimatet. Einer davon ist Hans Jürgen Hahn. Sein Fach ist eine ganz junge Disziplin, dunkel und mysteriös, fast wie die Tiefsee. »Wir sind die Einzigen in Deutschland, die sich mit der Grundwasserfauna beschäftigen – das ist doch traurig«, sagt er und öffnet die Tür zum Labor. Dabei gebe es so viel zu entdecken.
Im Labor wartet schon seine Kollegin Cornelia Spengler, die einige Grundwassertiere gleich in natura vorführen wird. 250 heimische Arten sind bekannt, weltweit werden 50 000 bis 100 000 Arten in Höhlen und im Grundwasser vermutet. Eine genaue Zahl kennt niemand, viele Regionen sind unerforscht. Das hat durchaus Gründe, denn in den unzugänglichen und engen Porenräumen des Untergrunds herrscht völlige Dunkelheit. Am häufigsten lassen sich noch Bakterien, Pilze, Wimperntierchen und andere Einzeller nachweisen. Die wichtigste Tiergruppe sind kleine Krebstiere vom Unterstamm der Crustacea. Einige Exemplare leben am Lehrstuhl in einem handelsüblichen Kühlschrank.
Ein Leben in Zeitlupe
Cornelia Spengler nimmt Platz am Konferenztisch, vor sich hat sie eine Kunststoffschale platziert, in dem ein possierliches Tierchen schwimmt. »Hier sehen Sie eine Grundwasserassel«, sagt sie. Die Assel ist wie alle Grundwassertiere, die man unter dem Begriff Stygobionten zusammenfasst, blind und farblos. Nur die kleinen Fettpolster schimmern weiß. Die Tiere leben in vollständiger Isolation, sie sind hochgradig spezialisiert. Es gibt dort unten kein Licht, keine Konkurrenz, kaum Nahrung oder Sauerstoff, ihr Stoffwechsel ist auf ein Minimum heruntergedimmt. »Monatelang kommen sie ohne Fressen aus«, sagt Spengler. Dafür werden sie 10- bis 15-mal älter als ihre Verwandten an der Erdoberfläche. Es ist ein Leben in Zeitlupe.
»Würde man einen solchen Lebensraum an der Oberfläche finden, würde er sofort unter Schutz gestellt«
Hans Jürgen Hahn
Als Nächstes packt Cornelia Spengler einen Grundwasserflohkrebs und legt ihn in die Schale. Das niedliche kleine Tier rennt am Rand im Kreis, die Kiemen flattern. »Der hat Stress«, sagt sie, »das mögen die gar nicht.« Die Stygobionten sind keine zimperlichen Geschöpfe, sonst würden sie unter den lebensfeindlichen Bedingungen nicht überleben. Allerdings sind sie wegen der sehr stabilen Lebensbedingungen auch unflexibel geworden. Seit Jahrmillionen existieren sie in einer konstanten Welt, manches Tierchen wie der Brunnenkrebs ist praktisch ein lebendes Fossil. Seit 300 Millionen Jahren besiedelt er nun schon das Grundwasser, er stammt von der Südhalbkugel, wo auch heute noch seine Verwandten vorkommen. Die einzelnen Arten wurden durch das Auseinanderbrechen der Kontinente voneinander getrennt. »Würde man einen solchen Lebensraum an der Oberfläche finden, würde er sofort unter Schutz gestellt«, setzt Hans Jürgen Hahn hinzu. Das Grundwasser sei der älteste und größte Lebensraum, zumindest auf dem europäischen Festland.
Doch mittlerweile kommt der Mensch den Grundwassertieren sehr nahe. Zu nahe, wie Hahn findet. Die zunehmende Wärme im Untergrund bedrohe die Tiere existenziell, denn in den vergangenen 1,8 Millionen Jahren sei es in Mitteleuropa dort niemals wärmer als 14 Grad geworden. Langfristig könne dadurch die Trinkwasserqualität auf dem Spiel stehen, meint Hahn. Denn die Lebensgemeinschaften im Grundwasser haben eine wichtige Funktion: Sie reinigen einsickerndes Oberflächenwasser und bereiten somit das Trinkwasser auf. Die Tiere zerkleinern und zersetzen die eingetragenen organischen Stoffe, halten die Porenräume offen, fressen die sich bildenden Biofilme und regen dadurch die biologische Selbstreinigung an. Bakterien übernehmen schließlich den Hauptteil der Reinigung.
Cornelia Spengler hat ihre Doktorarbeit zum Thema Erwärmung geschrieben. Sie hat dabei untersucht, wie die Grundwasserfauna auf die Veränderung ihres Lebensraums reagieren. 26 Arten hat sie im Freiland studiert, nur zwei kamen mit den hohen Temperaturen gut zurecht. Das Gros reagierte sehr empfindlich. Schon bei 17 Grad siechten sensible Arten dahin, die meisten starben bei Temperaturen um die 20 Grad. Da die Tiere sehr träge sind, hatten sie keine Chance, weit genug zu fliehen.
Erneuerbare Energien haben Auswirkungen auf die Umwelt
»Vor 50 Jahren war dem Gesetzgeber das Oberflächenwasser ähnlich egal wie heute das Grundwasser«, sagt Hans Jürgen Hahn. Dabei sei ein Wärmeeintrag nach der geltenden Wasserrahmenrichtlinie nichts anderes als eine Verschmutzung. Hahn fordert zwar kein grundsätzliches Verbot von Wärmeeinträgen in den Untergrund, aber dafür eine konsequente Umsetzung der bestehenden Gesetze und klare regionale Grenzwerte. »Wir brauchen endlich ein Konzept«, sagt er. Nicht nur für die Städte, sondern auch für die Peripherie.
Der Geologe Andreas Dahmke von der Universität Kiel würde da gewiss nicht widersprechen. Auch er möchte endlich ein nachhaltiges Wärmemanagement für den Untergrund, allerdings hält er die Vorbehalte der Ökologen für übertrieben. Dahmke erforscht in einem Großprojekt mit Bundesmitteln die möglichen Folgen von so genannten Hochtemperaturspeichern im Untergrund. Dabei handelt es sich um unterirdische, große Anlagen mit heißem Wasser, die zum Heizen genutzt werden. Damit ließe sich, so die Idee, der Wärmebedarf gerade in Großstädten zu einem großen Teil decken. Die Technik könnte klimaschädliche Ölheizungen ersetzen und die Energiewende endlich voranbringen. Es würde gerade viel über den Hambacher Forst diskutiert, sagt Dahmke, aber die nachhaltige und bezahlbare Wärmeversorgung gerade von Ballungsräumen sei immer noch ein blinder Fleck in der Diskussion.
Die Folgen solcher massiven Eingriffe hält Dahmke für beherrschbar, wie er in zahlreichen Laborstudien untersucht hat. Man müsste genügend Schutzzonen ausweisen und solche Hochtemperaturspeicher nur dort in Betrieb nehmen, wo wenig Gefahr droht. In vielen Städten in Norddeutschland gebe es ohnehin kaum noch Tiere im Grundwasser, sagt Dahmke. »Dort, wo viele Menschen leben, müssen wir eben Abstriche in Kauf nehmen.« Es sei schließlich ein großer Irrtum, dass erneuerbare Energien ohne Auswirkungen auf die Umwelt zu haben seien. Irgendwo muss die Wärme ja herkommen.
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