Evolution: Was Primaten treu macht
Wie sich Monogamie entwickelte, ist seit Langem eine umstrittene Frage der Wissenschaft. Nun untersuchten zwei Forschergruppen unabhängig voneinander, wann und warum sich in einigen Säugetierarten und Primaten im Speziellen Zweierbeziehungen durchsetzen konnten. Eine klare Antwort können die einander widersprechenden Ergebnisse der beiden Gruppen jedoch nicht liefern.
Im Gegensatz zu Vögeln ist treue Partnerbindung unter Säugetieren die Ausnahme. Die Strategie, dass ein Männchen mit vielen Weibchen eine möglichst große Nachkommenschaft zeugt, hat sich beim Großteil der Säugerarten etabliert. Die Aufzucht erledigen anschließend die Mütter allein oder mit Hilfe von verwandten Weibchen. Manche Säuger und rund 27 Prozent aller Primaten leben jedoch in so genannter sozialer Monogamie. Das bedeutet, die Eltern ziehen den Nachwuchs gemeinsam auf, aber sexuelle Kontakte mit anderen Tieren können stattfinden.
Drei Theorien werden als Auslöser für die Entwicklung zur sozial monogamen Lebensgemeinschaft bei Säugetieren diskutiert. Zum einen können zwei Elternteile die Nachkommen besser versorgen als eine alleinerziehende Mutter. Zum anderen können Vater und Mutter die Jungtiere vor Kindstötung durch rivalisierende Männchen schützen. Eine dritte Idee geht davon aus, dass sich soziale Monogamie am ehesten entwickeln kann, wenn die Weibchen in weit entfernten Gebieten leben. Indem sie sich an ein bestimmtes Weibchen binden, hätten schwächere Männchen bessere Chancen, ihr Weibchen gegen überlegene Rivalen abzuschirmen und zu verteidigen.
Anthropologen um Christopher Opie vom University College London fragten, wann und wie sich gerade bei Primaten monogames Verhalten entwickeln konnte. Aus vorangegangenen Studien ist von 230 Primatenarten bekannt, wie sie sich während der Paarung und der Aufzucht verhalten. Diese Daten verknüpften die Forscher mit einem Stammbaum, der Verwandtschaftsverhältnisse wiedergibt und wann die einzelnen Arten entstanden sind.
In einem mathematischen Modell berechneten Opie und Kollegen dann aus den Verhaltens- und Abstammungsdaten, dass vor ungefähr 16 Millionen Jahren die ersten Primaten monogam wurden. Dabei entdeckten sie, dass denjenigen Arten, die Monogamie praktizieren, überzufällig häufig eine Vorgängerart voranging, bei der die Männchen den Nachwuchs ihrer Konkurrenten umzubringen versuchen. Als treibende Kraft für die Entwicklung der Monogamie sehen die Forscher demzufolge vor allem die Kindstötung, während die gemeinsame Jungenaufzucht und die Entfernung einzelner Weibchen zueinander evolutionär nur untergeordnete Rollen spielen.
Glaubt man jedoch der Arbeit von Tim Clutton-Brock und Dieter Lukas von der University of Cambridge, ist der Ursprung der sozialen Monogamie ein anderer. Die Zoologen verglichen nach einem ähnlichen Verfahren wie Opie über 2500 Säugetierarten miteinander, die monogam oder polygam leben. Im Gegensatz zur Forschergruppe aus London kommen sie jedoch zu dem Schluss, dass eine größere Entfernung zwischen Weibchen die günstigste Ausgangslage für treue Partnerschaften bilde. Abneigungen der Weibchen untereinander führe zu großen räumlichen Abständen, die es dem Männchen erschwerten, Nebenbuhler fern zu halten. Nach Meinung von Clutton-Brock und Lukas sind demnach Schutz vor Kindstötung und die verbesserten Aufzuchtsbedingungen die Folge des sozial monogamen Verhalten und nicht dessen Auslöser.
Für die sozial monogamen Primaten könne diese Theorie jedoch nicht zutreffen, wendet Opie ein, da diese häufig in sozialen Gruppen mit mehreren Männchen und Weibchen leben. Warum die Forschergruppen zu widersprüchlichen Aussagen kamen, wollen sie nun gemeinsam erarbeiten. In beiden Fällen warnen die Forscher jedoch davor, die Erkenntnisse auf den Menschen zu übertragen: Dank unserer selbst erschaffenen Kultur würden wir eindeutig eine Sonderstellung unter den Primaten einnehmen. Einfache evolutionäre Erklärungen seien daher schwierig.
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