Grüne Gentechnik: Meinung: Was wollen wir wirklich?
Eigentlich ist es eine rein ästhetische Frage, wie schnell Champignons braun werden – doch sie könnte der neue Fokus einer längst schon ins Absurde abgeglittenen Gentechnikdebatte werden. Oder aber eine Gelegenheit, vom Krieg um Worte wegzukommen und zu diskutieren, was wir wirklich wollen – von unserer Nahrung und unserer Landwirtschaft.
Die US-Landwirtschaftsbehörde USDA hat jedenfalls erstmals über einen mit CRISPR-Cas veränderten Organismus entschieden – dass sie nichts zu entscheiden hat. Der Champignon, in dem nur ein fehlendes Stück DNA ein Gen außer Gefecht setzt, enthalte kein fremdes Erbgut und sei damit kein genetisch veränderter Organismus im Sinne des Gesetzes. Damit könnte der länger attraktiv aussehende Speisepilz ohne zusätzliche Auflagen angebaut und verkauft werden, trotz seines technischen Erbes.
Damit ist eingetreten, was Fachleute erwartet haben: Gene Editing hebelt die bisherige, an vergleichsweise rabiaten Verfahren orientierte Gentechnikgesetzgebung aus. Zwar wird es noch dauern, bis der Pilz auch hier in den Läden liegt, die Debatte um Gene Editing ist aber schon in Europa angekommen.
Entscheidend ist, was hinten rauskommt
Die Gentechnikrichtlinie der EU orientiert sich an der "Natürlichkeit" einer Veränderung – solange eine bestimmte Genvariante innerhalb der biologischen Möglichkeiten einer Art liegt, gilt diese nicht als gentechnisch veränderter Organismus. Auf diese Weise ließen sich die ebenfalls keineswegs natürlichen Verfahren der konventionellen Pflanzenzucht von den neuen, im engeren Sinne gentechnischen Methoden abgrenzen.
Das ist spätestens mit CRISPR-Cas vorbei. Denn ob eine Mutation in einem Gen zufallsgesteuert durch harte Röntgenstrahlung entsteht oder durch gezielte Manipulation, ist für das Endergebnis nicht nur gleichgültig. Es ist vor allem von außen technisch nicht mehr feststellbar. Nun streiten Fachleute, ob sich das Gentechnikrecht der EU auf das Endergebnis oder auf das Verfahren bezieht, wenn es Natürlichkeit fordert.
Die Fronten sind die bekannten, aber es ist letztendlich ein Streit um bloße Worte, der da mit jeder neuen Technik wieder ausgefochten wird. Die eigentlich interessante Frage aber ist nicht, ob eine Pflanze mit einem bestimmten, gerade eben noch "natürlichen" Verfahren verändert wurde oder nicht, sondern was wir von unserem Essen erwarten. Und da darf es eben nicht um unscharfe metaphysische Kategorien wie "natürlich" gehen, sondern um eine Abwägung von Nutzen und Risiko bestimmter Eigenschaften.
Diskutieren sollte man nicht über Gentechnik und Natürlichkeit, sondern über das, was hinten rauskommen soll: Essen, das nicht krank macht und nachhaltig produziert ist, dessen Hersteller gut leben können und das nicht zuletzt für alle Menschen reicht – nicht nur hier in Europa, sondern weltweit.
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