Klimawandel: Das Netzwerk der Leugner
Eigentlich ist ein Spenden-TÜV eine feine Sache: Wer Geld für wohltätige Zwecke gibt, bekommt von einer öffentlichen Institution bestätigt, dass die Empfänger es effektiv verwenden. Genau dies allerdings dürfte den Sponsoren der US-amerikanischen Klimaschutzgegner gar nicht recht sein. Schließlich belegen zwei Studien des Soziologen Justin Farrell von der Yale University, welch großen Einfluss manche Firmen mit ihrem Geld auf die Öffentlichkeit, die Presse und sogar die Reden der US-Präsidenten hatten.
Es gebe ein regelrechtes "Ökosystem der Einflussnahme", sagt Farrell. Ein Konglomerat von Dutzenden Lobbyorganisationen und so genannten Thinktanks verbreitet in den USA Desinformation und Zweifel über etablierte Erkenntnisse der Klimaforschung. "Die Methoden waren so effektiv, dass normale Amerikaner nicht mehr wissen, wem sie noch trauen können", zitiert ihn die "Washington Post". Das sei nun der wissenschaftliche Beweis, dass Firmen das Wissen der Öffentlichkeit über den Klimawandel verzerrt hätten, schrieb die Website ThinkProgress.org. Und "Scientific American" sprach sogar schon von "dark money", also undurchsichtigen Geldströmen, mit denen die Szene finanziert werde. Der Begriff wird in den USA sonst benutzt, wenn Firmen die Regeln der Wahlkampfspenden umgehen. Kein Wunder, dass die Politik in den USA bislang kaum effektive Maßnahmen zum Klimaschutz beschlossen hat.
Farrell hat eine große Menge von Texten aus der Lobbyistenszene aus dem Internet heruntergeladen und seinen Computer darin nach Mustern suchen lassen. Die knapp 41 000 Dokumente stammen aus den Jahren 1993 bis 2003 und kommen von etwa 160 Organisationen und 4500 Amerikanern in deren Dunstfeld; zu den wichtigsten und bekanntesten Gruppen gehören das American Enterprise Institute, das Heartland Institute und die Heritage Foundation, alle mit Sitz in Washington. "Die drei standen auch hier im Zentrum", sagt Farrell. Ihre Strategie ist es, Streit zu säen; das Geld von Konzernen hat sie darin bestärkt. Der Yale-Soziologe beschreibt es so: "Polarisation ist eine effektive Strategie, um Kontroversen zu erzeugen und politischen Fortschritt zu verzögern."
Hoher finanzieller Aufwand
Dafür sind enorme Summen geflossen. Allein zwischen 2003 und 2010 haben konservative Stiftungen etwa 550 Millionen US-Dollar an das Netzwerk der Lobbyisten verteilt, rechnete vor knapp zwei Jahren Farrells Kollege Robert Brulle von der Drexel University in Philadelphia vor. Seine Zahlen stammen unter anderem aus Steuerunterlagen der als gemeinnützig eingestuften Gruppen. "Dieses Geld diente beinahe ausschließlich dazu, den politischen Prozess zu bremsen", sagte er dem US-Sender PBS.
Allein die Brüder Charles und David Koch, die mit Kohle und Öl Milliarden verdient haben, überwiesen der Studie zufolge über diverse Familienstiftungen 26 Millionen. Der Ölkonzern ExxonMobil hat nach Zahlen von Greenpeace zwischen 1998 und 2007 etwa 31 Millionen Dollar in die Lobbyorganisationen investiert. Dabei wusste die Firma, wie vor einigen Wochen herauskam, seit den späten 1970er Jahren von eigenen Wissenschaftlern, dass der Klimawandel von Treibhausgasen befördert wird. Im Netz wird das seither unter #ExxonKnew diskutiert. Nun ermittelt die New Yorker Staatsanwaltschaft, ob der Konzern Öffentlichkeit und Investoren belogen hat. Anfang November haben die Strafverfolger interne Unterlagen beschlagnahmt.
ExxonMobil hatte schon 2007 aufgehört, Klimaschutzgegner direkt zu alimentieren. Auch von den Koch-Brüdern sind inzwischen kaum noch direkte Spenden nachzuweisen. Das liegt vermutlich daran, so Brulle, dass sich die Zahlungen inzwischen verschleiern lassen. In den USA sind Organisationen wie Donors Trust zu den größten Einzelfinanziers der Lobbyisten aufgestiegen. Sie agieren als Mittelsmänner und verteilen das Geld der Firmen weiter, ohne dass eine direkte Spur zu erkennen ist. "Wenn Ihnen nicht gefällt, was zum Beispiel die Heritage-Foundation macht, und Sie deren Geldgeber ansprechen wollen, dann finden Sie sie nicht", sagt Brulle.
Was der Soziologe aus Philadelphia für den Fluss des Geldes vorgemacht hat, vollzieht Farrell nun für die Verbreitung der Slogans nach. "Das zeigt noch einmal ganz deutlich, wie die Desinformationskampagne funktioniert", kommentiert Brulle. Farrells Computer hat zunächst selbsttätig in den 41 000 Dokumenten nach den Themen gesucht, die sie behandeln. Dann hat der Soziologe die Urheber der Schriften mit der Liste von Firmenspenden unter anderem aus Brulles Arbeit abgeglichen, zunächst für ExxonMobil und die Koch-Brüder. Dabei ergab sich ein eindeutiger Trend: Die Aufsätze von gesponserten Organisationen waren deutlich polarisierender formuliert als die Texte von Gruppen ohne solche Unterstützung. Und sie handelten von etwas anderen Themen. Die bezahlten Lobbyisten verbreiteten gerade in jüngsten Jahren viel häufiger, der Klimawandel habe auch viele Vorteile, die Erwärmung resultiere aus langfristigen natürlichen Zyklen und nicht aus dem Ausstoß von Treibhausgasen – und überhaupt sei die Erde ja seit 1998 praktisch nicht mehr wärmer geworden. Diese Behauptungen hat die Klimaforschung längst überzeugend widerlegt.
Argumente gleichen sich an
In seiner zweiten Studie blickt Farrell nun auf den Einfluss, den die Lobbyisten errungen haben. Zunächst hat die Computeranalyse erkannt, dass die gesponserten Organisationen, insbesondere die drei Thinktanks mit den patriotischen Namen, das argumentative Zentrum der Bewegung gegen Klimaschutz bilden. Auch Gruppen ohne Firmenfinanzierung orientierten sich immer mehr an ihnen. Und nicht nur diese: Der Soziologe aus Yale hat auch knapp 15 000 Zeitungsartikel, fast 2000 Äußerungen der Präsidenten Clinton, Bush und Obama und annähend 8000 Redebeiträge im US-Kongress in seinen Computer eingelesen. Eine semantische Analyse ergab dann, dass sie alle – bei großen individuellen Schwankungen – den Äußerungen der Lobbyisten im Lauf der Jahre tendenziell immer ähnlicher wurden.
Die Klimaschutzgegner erreichen ihr Ziel nicht erst, wenn sie ihre Version der wissenschaftlichen Fakten durchsetzen. Es genügt ihnen, den Anschein einer Kontroverse zu erzeugen, über die die Medien dann berichten und in die sich Politiker einmischen. Der jüngste Fall betrifft Wissenschaftler von der US-Behörde für Ozean und Atmosphäre NOAA. Ein Kongressabgeordneter, der Republikaner Lamar Smith aus Texas, verdächtigt sie der Manipulation von Daten und verlangt, ihre gesamte E-Mail-Korrespondenz zu sehen. Diese Methode der Einschüchterung ist seit dem Kalten Krieg und Joe McCarthy eine beliebte Strategie. Die Mitarbeiter der NOAA, um die es geht, pflegen einen der wichtigsten Langzeitdatensätze der Welt: Sie berechnen jeden Monat die Durchschnittstemperatur der Erde. Viele ihrer Daten stammen von Schiffen, auf denen sich die Messmethode immer mal wieder verändert hat, was nicht eben zur Verlässlichkeit beitrug. Das Team um Thomas Karl, den Direktor des NOAA-Zentrums für Umweltinformation, hatte im Sommer dieses Jahres in "Science" eine neue Eichung dieser Daten vorgeschlagen. Sie hat zur Folge, dass die Temperaturstatistik nach 1998 praktisch keinerlei verzögerte Erwärmung mehr zeigt.
Diese Art von Datenpflege ist guter Usus in der Wissenschaft, und das Ergebnis entspricht mehreren anderen Analysen, wonach die so genannte Pause eigentlich überhaupt keine war. Aber die Klimaschutzgegner wollen sich ein lang gepflegtes Argument nicht so ohne Weiteres aus der Hand nehmen lassen und feuern aus allen Rohren gegen Karl. Dessen Behörde hat sich schützend vor ihn gestellt, und andere Abgeordnete werfen Lamar Smith inzwischen Amtsmissbrauch vor.
In der Logik der Soziologen, die das Netzwerk der Lobbyisten analysiert haben, ist Smith dabei nur ein Schauspieler. "Wie ein Broadway-Stück hat die Gegenbewegung einige Stars im Rampenlicht", sagte Robert Brulle gegenüber "Scientific American". "Aber dahinter steht eine Organisation mit Regisseuren, Drehbuchschreibern und Produzenten."
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