Anthropozän: Zeitalter des Menschen
Nachdem fast alle Dinosaurier aus dem Naturhistorischen Museum in Washington D. C. abtransportiert sind, wirkt die Fossilienhalle ziemlich leer. Langsam schlendert der Paläobiologe Scott Wing durch den Raum, der mit seinen dunkel gestrichenen Wänden wie eine tiefe Höhle wirkt. Wing arbeitet mit einem ganzen Team an der 45 Millionen Dollar teuren Neugestaltung der Ausstellungsfläche der Smithsonian Institution. Zur Neueröffnung der Räume im Jahr 2019 werden hier nicht nur die vergangenen Erdzeitalter mit den üblichen Exponaten wie Tyrannosaurus rex und Triceratops geboten – ein ganzer Bereich soll dann speziell der Spezies gewidmet sein, die derzeit die Erde beherrscht. "Die Besucher sollen sich ihrer Rolle auf der Welt bewusst werden: Der Mensch verändert sie nämlich stärker, als viele meinen", sagt er.
Die neue, etwas provokante Ausstellung gilt dem Anthropozän, jenem kurzen Abschnitt in der langen Erdgeschichte, in dem der Mensch zur treibenden geologischen Kraft wurde. Allein durch den Bergbau wurden mehr Sedimente verschoben, als alle Flüsse der Erde je geschafft haben. Homo sapiens verursachte die Erderwärmung, ließ die Meeresspiegel ansteigen, zerstörte die Ozonschicht und bewirkte die Versauerung der Ozeane.
Das Deutsche Museum in München zeigt bis zum 16. Januar 2016 eine Sonderausstellung mit dem Thema "Willkommen im Anthropozän".
Angesichts der massiven Veränderungen wird das Anthropozän von vielen Forschern bereits als neue geologische Epoche gesehen. Und das Konzept vom Zeitalter des Menschen wird inzwischen nicht nur von Geowissenschaftlern diskutiert: Archäologen, Historiker wie auch Wissenschaftler der Genderforschung sprechen darüber, und Museen der ganzen Welt zeigen davon inspirierte Werke. Die Medien sind ebenfalls darauf angesprungen und "The Economist" begrüßte sogar schon das Jahr 2011 mit dem Titel: "Willkommen im Anthropozän".
Das war allerdings noch etwas voreilig. Denn auch wenn der Begriff gerade trendy ist, ist er doch noch eine vage, inoffizielle Bezeichnung für eine Epoche, die erst noch als Teil der geologischen Zeitleiste akzeptiert werden muss. Aber das kann sich schnell ändern, denn eine Gruppe von Forschern beschäftigt sich schon mit der Frage, ob das Anthropozän als formale geologische Einheit festgelegt werden soll und was als Startpunkt zu definieren wäre.
Andererseits wird auch Kritik laut, weil durch den ganzen Enthusiasmus, mit dem insbesondere Umweltaktivisten auf die Zerstörungen durch den Menschen aufmerksam machen wollen, gewichtige Gegenargumente unterdrückt werden. Manche Verfechter der Idee vom Anthropozän seien sogar "ähnlich wie bestimmte religiöse Gruppen, die fanatisch für ihre Religion eintreten und jeden nicht ihrer Religion Angehörigen einen Barbaren nennen", mahnt ein Geologe, der nicht genannt werden möchte.
So rückt die bisher eher unbeachtete Arbeit der Geologen über die 4,5 Milliarden Jahre der Erdgeschichte nun in den Fokus. Bisher wurden Fragen zur geologischen Zeitskala nur mittels stratigrafischer Methoden beantwortet, indem Beweise aus Felsen, Meeressedimenten, Eisbohrkernen und anderen Ablagerungen zu Tage gebracht wurden. "Aber die Idee vom Anthropozän ist um Größenordnungen komplizierter als die bloße Auswertung geologischer Daten", weiß Jan Zalasiewicz. Der Geologe forscht an der University of Leicester in Großbritannien und führt in der Internationalen Kommission für Stratigrafie (ICS), sprich geologische Schichtenkunde, den Vorsitz der Arbeitsgruppe zum Anthropozän.
Im Stein verewigt
Für Geowissenschaftler ist die Zeitskala das, was das Periodensystem für Chemiker ist. Es brauchte Jahrhunderte mühsamer Arbeit vieler Stratigrafen, bis die Gesteinsformationen weltweit verglichen und in ein System eingepflegt waren. Diese Zeitskala bildet nun die Basis aller Untersuchungen zur Vergangenheit unseres Planeten. "Die geologische Zeitskala ist in meinen Augen die größte Errungenschaft der Menschheit", sagt der Quartärgeologe Michael Walker von der University of Wales Trinity St. David in Lampeter Campus in Großbritannien.
Walker forscht quasi über das obere Ende der Zeitskala und war mit seiner Gruppe an der Definition des jüngsten Zeitalters der geologischen Erdgeschichte beteiligt, dem Holozän, das gemäß ihrer Definition vor etwa 11 700 Jahren begann.
"Die geologische Zeitskala ist in meinen Augen die größte Errungenschaft der Menschheit"
Die Festlegung der Eckdaten des Holozäns im Jahr 2008 gehörte zu einer der wichtigsten neueren Tätigkeiten des ICS, der Kommission, die über die Zeitskala wacht. Ihre Mitglieder haben die Entwicklung der Erde in eine Reihe verschachtelter Zeitblöcke eingeteilt, ähnlich einem Kalender mit Jahren, Monaten und Tagen. So werden die 66 Millionen Jahre seit dem Aussterben der Dinosaurier als Känozoikum oder Erdneuzeit bezeichnet; die letzten 2,58 Millionen Jahre davon – mit ein paar Dutzend Eiszeiten – gelten als Quartär. Den Hauptteil des Quartärs nimmt das Pleistozän ein, und das Holozän, als bisher letzte Epoche, ist nur eine kurze Zeit seit dem Ende der letzten Eiszeit.
Zur Definition des Holozäns musste Walker mit seiner Gruppe eine geologische Grenze ziehen. In der Regel lässt sich eine solche anhand spezifischer Veränderungen in den Gesteinsschichten erkennen – oft ist es das erste weltweite Auftreten eines Fossils. Das Holozän ist aber geologisch gesehen so jung, dass andere Maßstäbe angelegt werden mussten. Die Forscher wählten klimatische Veränderungen als Maßstab: den letzten Kälteeinbruch am Ende der letzten Eiszeit. In einem Eisbohrkern aus einer Tiefe von 1492,45 Metern unter Zentralgrönland hatten sie eine Art chemischer Signatur als Beweis für die Erderwärmung gefunden. Auch in See- und Meeressedimenten der ganzen Welt fanden sich ähnliche Spuren, anhand derer die Geologen den Beginn des Holozäns ganz genau festlegen konnten.
Aber bereits bei der endgültigen Entscheidung über den Beginn des Holozäns hatte es Diskussionen gegeben, ob diese Epoche nicht eigentlich schon vorbei sei und vom Anthropozän abgelöst wäre. Die Idee vom Zeitalter des Menschen ist somit ein Dauerbrenner. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts beobachteten Geologen den wachsenden Einfluss des Menschen: einige sprachen von der "Anthropozoischen Ära", andere verfolgten dieselbe Idee, nur unter anderem Namen. In den letzten Jahren bekam sie wieder Aufwind, nicht nur wegen der rapiden Umweltveränderungen, sondern auch durch das Zutun des Chemikers Paul Crutzen vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz.
Crutzen hatte schon in den 1970ern und 1980er Jahren gezeigt, wie der Mensch unsere Welt verändert und wie die Luftverschmutzung die Ozonschicht zerstört – wissenschaftliche Erkenntnisse, für die er letztendlich mit dem Nobelpreis geehrt wurde. Er und Eugene Stoermer von der University of Michigan in Ann Arbor diskutierten im Jahr 2000 darüber, wie sehr die Weltbevölkerung unseren Planeten formt und ob die gegenwärtige Epoche als Anthropozän zu bezeichnen sei [1]. Als Atmosphärenchemiker gehörte Crutzen aber nicht jener Gruppe an, die über Änderungen an der geologischen Zeitskala zu entscheiden hatte. Allerdings inspirierte die Idee viele Geologen, neben Zalasiewicz auch andere Mitglieder der Geological Society of London, die im Jahr 2008 dazu aufriefen, die neue Bezeichnung in Betracht zu ziehen.
"Das Ganze wurde inzwischen zum Politikum – was viele auch gut finden"
Die Autoren dieses Grundsatzpapiers waren einflussreich genug, etwas voranzubringen: Zalasiewicz war damals Mitglied der offiziell für Anträge zuständigen Unterkommission Quartär und sein Koautor, der Geologe Phil Gibbard von der University of Cambridge in Großbritannien, führte sogar den Vorsitz. Immer noch etwas skeptisch erinnert sich Gibbard: "Mir war schon klar, wie wichtig der Antrag war und dass wir ihn nicht einfach links liegen lassen konnten." Deshalb beauftragte er im darauf folgenden Jahr Zalasiewicz damit, eine Arbeitsgruppe zum Thema Anthropozän zusammenzustellen.
Neubeginn
Die Arbeitsgruppe war seitdem nicht untätig und verfasste zwei ausführliche Berichte – tonnenschwer laut Zalasiewicz – sowie dutzende Papers. Dabei waren verschiedene Fragen zu klären: Soll das Anthropozän formal als Teil der geologischen Zeitskala ernannt werden, und welchen Beginn und welchen Status sollte es dann in der Hierarchie der Skala erhalten?
Mit dem Begriff Anthropozän schlug Crutzen bewusst eine ganze Epoche vor, die seiner Meinung nach im späten 18. Jahrhundert mit dem Einsetzen der industriellen Revolution begann. Die Menschheit hatte seitdem immerhin ein Loch in der Ozonhülle über der Antarktis verursacht, die Menge an Methan in der Atmosphäre verdoppelt und die CO2-Konzentration um 30 Prozent auf ein Niveau gesteigert, das es in den vergangenen 400 000 Jahren nicht gegeben hatte.
Zu Beginn sammelte die Arbeitsgruppe zunächst eine lange Liste menschengemachter Veränderungen an unserer Erde. Durch Landwirtschaft, Bauvorhaben und Staudämme wurden Sedimente mindestens zehnmal schneller abgetragen als durch die natürlichen Erosionskräfte. An manchen Küsten hat das Einschwemmen von Nährstoffen aus Düngemitteln zu sauerstoffarmen, toten Zonen geführt, und das zusätzliche CO2 aus der Verbrennung fossiler Rohstoffe hat die Versauerung der Meeresoberfläche um 0,1 pH-Punkte bewirkt. Auch hinterließ der Mensch ganz eindeutig bei der Erdtemperatur, bei der Ausrottung verschiedener Spezies und beim Rückgang des arktischen Eises seine Spuren. Deshalb tendierte die ganze Gruppe einschließlich Crutzen erst einmal zur industriellen Revolution als offiziellem Beginn des Anthropozäns. Aber es gab auch andere Vorschläge.
So wurden die Ausbreitung der Landwirtschaft und der Nutztierhaltung vor mehr als 5000 Jahren und der verstärkte Bergbau vor mehr als 3000 Jahren vorgeschlagen. Doch weder die industrielle Revolution noch die Landwirtschaft oder der Bergbau haben sich rund um den Globus zeitgleich in geologischen Schichten niedergeschlagen.
Als neuster Vorschlag wurde gerade in "Nature" die deutlich gesenkte CO2-Konzentration in der Atmosphäre zwischen den Jahren 1570 und 1620 präsentiert. Zwei Forscher konnten diese Veränderung in Eisbohrkernen nachweisen und begründeten sie mit dem Tod von 50 Millionen Ureinwohnern Amerikas bei der Ankunft der Europäer auf ihrem Kontinent. Als Folge überwucherten nämlich Urwälder mehr als 65 Millionen Hektar verlassener Ackerfläche und führten zum Absinken der globalen CO2-Konzentration.
In der Arbeitsgruppe am ICS diskutierten Zalasiewicz und seine Kollegen aber eher den Einfluss des Atomzeitalters als Beginn einer neuen Epoche. Zwischen 1945 und 1963 griff das Moskauer Atomteststoppabkommen, auch als LTBT (Limited Test Ban Treaty) bekannt, weshalb etwa 500 Atombomben nun unterirdisch gezündet wurden. Partikel der Explosionen schwirrten um unseren Globus und bildeten eine eindeutig nachweisbare Schicht radioaktiven Materials in den Sedimenten. Zur selben Zeit hinterließ der so genannte Fortschritt der modernen Welt seine Spuren in den Sedimenten: Plastik begann die Umwelt zu überfluten, dazu Aluminium, künstlicher Dünger, Beton und bleihaltiges Benzin.
Im Januar wurde ein vorläufiger Mehrheitsbeschluss der 37-köpfigen Arbeitsgruppe bekanntgegeben. Zalasiewicz und 25 andere Mitglieder der Arbeitsgruppe waren für die geologischen Hinterlassenschaften aus der Mitte des 20. Jahrhunderts als "optimalen Beginn des Anthropozäns", zumindest aus stratigrafischer Sicht und unabhängig von einer formalen Bezeichnung. Zalasiewicz nannte es "die beste aller schlechten Möglichkeiten einer Grenze". Die Gruppe schlug sogar ein genaues Datum vor, den 16. Juli 1945, der Tag, an dem die erste Atombombe explodierte: Noch in Tausenden von Jahren wäre dieser Zeitpunkt anhand des in den Sedimenten abgelagerten langlebigen Plutoniums der Atombombe oder anhand einer Reihe anderer weltweiter Rückstände erkennbar.
Schwierige Diskussionen
Etliche Stratigrafen sind empört über den Versuch, das Anthropozän formal zu definieren. Im Jahr 2012 wurde in einem Kommentar der Geologischen Gesellschaft Amerikas die Frage gestellt, ob es "tatsächlich etwas mit Stratigrafie zu tun habe oder nicht eher mit Popkultur". Laut anderer hätte die Arbeitsgruppe nur den enormen Zuwachs an Publicity genutzt. "Ich bin einfach enttäuscht – sobald sie nur irgendetwas tun, gibt es gleich einen Zeitungsartikel darüber", beklagt sich Stan Finney. Der Schichtenpaläontologe von der California State University in Long Beach hält den Vorsitz der ICS, die letztendlich über jeden der Vorschläge der Arbeitsgruppe abzustimmen hat. "Das Ganze wurde inzwischen zum Politikum – was viele auch gut finden."
Finney legte seine Bedenken 2007 in einem Beitrag dar. Die Hauptfrage sei doch, ob sich wirklich weltweit mittels Stratigrafie eindeutige Beweise für ein neues Zeitalter erkennen lassen. Sedimentablagerungen in der Tiefsee aus den letzten 70 Jahren seien nur weniger als einen Millimeter dick. Wichtiger wäre seiner Meinung nach die Frage, ob wir einem Zeitalter, das hauptsächlich in der Gegenwart und in der Zukunft der geologischen Zeitskala existiert, überhaupt schon einen Namen geben können.
Manche finden es viel zu früh für eine Entscheidung, weil es noch Jahrhunderte oder länger dauern würde, bis ein nachhaltiger Einfluss des Menschen auf die Erde wirklich nachweisbar sei. Erle Ellis arbeitet als Geograf an der University of Maryland in Baltimore County und ist ebenfalls Mitglied der Arbeitsgruppe, wo er schon den Aufschub des Projekts zur Sprache brachte. "Wir sollten einen Zeitraum festlegen, vielleicht 1000 Jahre von jetzt an, innerhalb dessen wir offiziell der Frage nachgehen. Heute schon eine Entscheidung zu treffen, wäre einfach voreilig." Aber zu einem Aufschub wird es wohl nicht kommen, denn die Arbeitsgruppe will schon 2016 erste Empfehlungen abgeben.
So manche Wissenschaftler haben sich inzwischen von der Diskussion zurückgezogen. Walker ist nicht allein mit der Ansicht, dass die Aktivitäten des Menschen ohnehin schon in der geologischen Zeitskala vertreten seien. So sei der einzige Unterschied zwischen der momentanen Warmzeit, dem Holozän, und den ganzen Zwischenwarmzeiten des Pleistozäns nur die Anwesenheit der modernen menschlichen Gesellschaft. "Die Karte Mensch wurde schon bei der Definition des Holozäns gezogen. Die kann schlecht noch einmal gespielt werden", kommentiert er.
Nachdem ihm klar wurde, dass er nur wenig zur Diskussion beitragen konnte, schied Walker vor einem Jahr aus der Gruppe aus. Er respektiert natürlich die Meinung der Mitglieder, weiß aber auch von Bedenken, dass alles viel zu schnell ginge. "Irgendwie scheint sich die Diskussion zu verselbstständigen und die Geologen – besonders die Stratigrafen – werden langsam unruhig", kommentiert er von außen.
Zalasiewicz versucht mit allen Mitteln klar zu machen, dass die Arbeitsgruppe ihre endgültige Entscheidung noch nicht getroffen hat. "Wir müssen uns noch mit dem Nutzen einer formalen Abgrenzung des Anthropozäns befassen: wem würde sie nützen und wem eher schaden?", fragt er sich. "Da gibt es noch vieles zu klären."
Jeder Vorschlag der Gruppe hat auch noch einige Hürden innerhalb der ICS zu nehmen. Als Erstes muss er die Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit, also 60 Prozent der Stimmen in der Subkommission Quartär erhalten. Dann muss er dasselbe im Führungsgremium der ICS erreichen, in dem die einzelnen Vorsitzenden der Hauptarbeitsgruppen abstimmen. Zum Schluss erfordert das Ganze noch die Zustimmung des Exekutivkomitees der Internationalen Geologischen Gesellschaft.
Auf jeder dieser Stufen werden viele Anträge erst einmal zur Nachbesserung aufgefordert und manchmal auch gleich komplett abgelehnt. Das Verfahren ist althergebracht, findet Martin Head, der als Meeresstratigraf an der Brock University in St. Catharines in Kanada arbeitet und derzeit den Vorsitz der Subkommission Quartär führt. "Da geht es um eine Zeitskala, die von Millionen Leuten der ganzen Welt genutzt wird. Wenn man da etwas ändern will, dann muss das schon auf sehr große Zustimmung stoßen."
Einige stimmberechtigte Mitglieder der Subkommission sind von den bisherigen Argumenten für das Anthropozän keineswegs überzeugt, was sie gegenüber dem Magazin "Nature" auch äußerten. Gibbard ist mit Zalasiewicz befreundet, sieht aber in der Einführung einer neuen Epoche keinen Vorteil für die Mehrzahl der Quartärgeologen; insbesondere die Holozän-Forscher würden nämlich gar nicht mit Material der letzten paar Jahrzehnte oder Jahrhunderte arbeiten. "Ich will aber kein Spielverderber sein. Viele gute Ideen kommen erst in Gang, wenn sich jemand einmal gründlich mit der Materie befasst", fügt er noch hinzu.
Wenn der Vorschlag für das Anthropozän von der Kommission nicht akzeptiert wird, kann der Begriff immer noch informell benutzt werden, so ähnlich wie die neolithische Ära oder die Bronzezeit. Unabhängig vom Ausgang der Diskussion führt das Anthropozän sowieso schon ein Eigenleben. In den letzten zwei Jahren kamen zwei neue Zeitschriften auf den Markt und die Zahl der Studien stieg steil an – im Jahr 2014 waren es schon 200 Veröffentlichungen.
Bei der Neueröffnung der bisherigen Fossilienhalle des Naturhistorischen Museums der Smithsonian Institution im Jahr 2019 wird sich zeigen, ob dort eine offizielle Zeitskala mit dem Anthropozän als Epoche präsentiert wird oder nicht. Wing ist Mitglied der Arbeitsgruppe und möchte nicht, dass die Stratigrafie-Diskussion die Veränderungen durch den Menschen überschattet. "Rein wissenschaftlich gesehen, ist der Einfluss des Menschen auf die Erde enorm interessant."
Während Wing so durch die geschlossenen Räume der Abteilung für Paläontologie wandert, erzählt er auch von der Arbeit, die Ausstellungsstücke neu zu präsentieren und überhaupt das ganze Museum zu modernisieren. Es ist immerhin schon mehr als ein Jahrhundert alt – eine Zeit, in der sich die Weltbevölkerung verdreifacht hat. Wing möchte, dass die Museumsbesucher zumindest kurz über die Macht der Menschen über ihren Planeten nachdenken und sich überlegen, wie sich das alles in die Geschichte unserer Erde einfügt. "Wenn man sich zehn Millionen Jahre zurückversetzt und in die Zukunft blickt, dann wird einem erst klar, was wir heute eigentlich so treiben."
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