Außerirdisches Leben: Zu Hause auf dem Mars
Ein Werbespot, der in der 90ern Kult wurde: kahle Hügel, weite Flächen und kein Leben, nirgends. Ein Wissenschaftler in der Zentrale auf der Erde gibt den Befehl, den Mars-Rover nach links zu wenden. Es dauert ein paar Umdrehungen, dann erblicken die Forscher enttäuscht auch hier nur rote Einöde – nicht ahnend, dass sich hier Marsmännchen einen Scherz mit ihnen erlauben. Denn in Wirklichkeit halten die grünen Planetenbewohner nur Fotos vor das Objektiv des Rovers, während sich hinter ihnen die Skyline einer futuristischen Stadt erhebt.
Diese Werbung für einen Farbdrucker entspricht eher menschlichem Wunschdenken denn extraterrestrischer Realität. Doch trotz der scheinbar sterilen Einöde der Planetenoberfläche bleibt die Frage offen: Ist Leben auf dem Mars möglich?
Dank Messungen des Mars-Rovers Curiosity, der seit 2012 über den Roten Planeten zockelt und regelmäßig Daten liefert, wissen wir zumindest, dass der Mars schon einmal lebensfreundlicher war und es dort einmal fließendes Wasser gegeben haben muss. Kürzlich überraschte nun die Biologin Nora Noffke mit ihrer Entdeckung: Sie hatte auf Fotos des Rovers Steinformationen auf dem Mars gefunden, die denjenigen ähneln, die auf der Erde von Mikroorganismen geformt wurden. Gab es auf dem Mars also Lebewesen – oder existieren sie vielleicht sogar immer noch?
Weltraumtouristen in der Holzklasse
Einen großen Schritt vorwärts soll die Forschung ein Versuch bringen, der derzeit an der Internationalen Raumstation ISS durchgeführt wird. Das Team um den Exobiologen Jean Pierre de Vera schickte im Juli 2014 im Rahmen des von der ESA unterstützten Forschungsprojekts BIOMEX (Biologie- und Marsexperiment) eine Reihe von Weltraumtouristen ins All, die zuvor schon auf der Erde eingehend getestet worden waren: Flechten, Pilze, Moose, Archaeen, Bakterien und Zyanobakterien. Mehrere hundert Proben dieser Organismen brachten russische Kosmonauten bei einen Außenbordeinsatz auf der Expositionsplattform EXPOSE-R2 an der Außenseite der ISS an, wo sie nun mindestens bis Oktober 2015 der direkten Weltraumstrahlung ausgesetzt sind.
"Uns interessiert vor allem, wie die Bedingungen im Weltraum, also etwa die Strahlung und die dort simulierten Marsbedingungen, die Organismen verändert", erklärt de Vera. "Wie stabil ist die Zellstruktur? Wie verändern sich bestimmte Pigmente?" Zum einen dient das der Grundlagenforschung, zum anderen sollen die Ergebnisse bei der Suche nach Leben auf dem Mars selbst helfen: Die Datensätze können als Biosignatur genutzt werden. "Wenn wir wissen, wonach wir suchen müssen, können wir unsere technischen Instrumente darauf ausrichten", sagt de Vera, "das ist die einzige Möglichkeit, Lebewesen auf dem Mars aufzuspüren." Außerdem könne man damit genauer bestimmen, wo man auf dem Planeten mit der Suche ansetzen muss. Die Mikroorganismen, die nun im Weltall bestrahlt werden, haben sich schon auf der Erde als extrem widerstandsfähig erwiesen, unter anderem etwa Flechten. Diese Mischwesen aus Pilzen und Algen können hohe Temperaturschwankungen überleben und mit wenig Wasser auskommen.
Flechten weisen zudem eine entscheidende Eigenschaft auf: Sie sind fähig zur Fotosynthese. Die Suche nach diesen geeigneten Versuchsobjekten führte Jean Pierre de Vera und seine Kollegen in hochalpine Regionen und in die Eiswüsten der Antarktis – dorthin, wo die Erde dem Mars in Sachen Unwirtlichkeit am nächsten kommt. In 1500 Meter Höhe und bei minus 20 Grad Celsius stießen sie auf die Flechte Pleopsidium chlorophanum. De Vera untersuchte, ob sie auch die ungemütlichen Verhältnisse auf dem Mars überleben würde – mit überraschenden Ergebnissen.
Der Mars beginnt in Berlin
Sterile Flure führen zu seinem Labor im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof, in dem das Herzstück der Experimente steht: die Mars-Simulationskammer. In diesem unscheinbaren stählernen Schrank von der Größe eines Kühlschranks herrschen während der Versuchszeit Bedingungen, die kein Mensch überleben würde: Eiseskälte, immense Strahlung und extrem dünne Luft – Bedingungen eben wie auf dem Mars.
Eine Xenon-Lampe simuliert im Innenraum der Kammer Weltraumstrahlung, und eine Vakuumpumpe erzeugt Druck von acht bis sechs Millibar. "Damit stützen wir uns auf die Daten, die Sonden und Rover vom Mars geliefert haben", erklärt de Vera. Eine Mischbatterie ist für die Nachbildung der Atmosphäre zuständig, die auf dem Mars zu 95 Prozent aus CO2, zu vier Prozent aus Stickstoff und zu geringen Anteilen aus Argon und Sauerstoff besteht. Die Temperaturen orientieren sich an den Verhältnissen der äquatorialen bis mittleren Breiten des Planeten: minus 55 Grad Celsius bei Nacht und maximal 23 Grad tagsüber.
Die Tests erfolgen in Tagesrhythmen: Die Sonne geht auf, via LED-Technik potenziert sich ihre Strahlung am Mars-Mittag bis in den UV-Bereich, und abends geht sie wieder unter. Zugleich nehmen Temperatur und Feuchte den Tageswerten entsprechend zu und ab. Dabei herrscht in der Kammer auch wie auf dem Roten Planeten nachts bis zu 100 Prozent relativer Feuchtigkeit, tagsüber geht sie fast gegen null. Die Mikroorganismen bettet de Vera auf einen marsähnlichen Boden – ein Gemisch aus Vulkanasche und Mineralien.
Gut einen Monat verbrachte auch Pleopsidium chlorophanum in der Marssimulationskammer – und brachte die Forscher zum Staunen: Die Flechte überlebte nicht nur, sie passte sich ihrer Umgebung sogar an: "Über Fluoreszenz konnten wir indirekt Fotosynthese nachweisen", sagt de Vera. Mit der Zeit stieg sogar die fotosynthetische Aktivität. Die Forscher wissen aber noch nicht, wie effizient die Fotosynthese ist und ob dabei Zucker gebildet wird.
Spuren von Sauerstoff reichen aus
Noch erstaunlicher endete das Experiment mit Pilzen, das in Kooperation mit der Universität für Bodenkultur Wien durchgeführt wurde: Nach einer Woche in der Marskammer bildeten sie Proteine. Dabei ist eine der Grundbedingungen für das Wachstum von Pilzen ein hoher Anteil an Sauerstoff – und der ist auf dem Mars nur in Spuren vorhanden. "Dafür haben wir noch keine wirkliche Erklärung", sagt de Vera, "wir können nur vermuten, dass – ähnlich wie die Pflanzen auf der Erde, die mit millionstel Anteilen an CO2 in der Erdatmosphäre leben – auch die Pilze mit den gerade mal 0,15 Prozent Sauerstoff in der dünnen Marsatmosphäre auskommen können." Eine der hier getesteten Arten ist ein Pilz, der seine Herkunft schon im Namen trägt: Cryomyces antarcticus. Auch er befindet sich aktuell auf der Weltraumstation; die Forscher rechnen mit weiteren Überraschungen.
Fest steht: Auf der Oberfläche selbst können Mikroorganismen wegen der direkten Strahlung aus dem Weltraum und wegen der Marswinde nicht dauerhaft bestehen. Sie würden höchstens auf Grund der eisigen Trockenheit in eine Art Winterstarre verfallen. In Nischen, Felsritzen oder tief im Boden unter der Oberfläche jedoch könnten sie auf dem Mars überleben. Außerdem könnten sich an diesen geschützten Orten auch Organismen die letzten 3,5 Milliarden Jahre auf dem Mars weiterentwickelt und angepasst haben, obwohl das Klima auf dem Planeten in dieser Zeit deutlich kälter und trockener geworden ist, mutmaßt de Vera: "Deshalb sollte sich die weitere Forschung auf diese geschützten Orte fokussieren."
Die Zähigkeit dieser winzigen Lebewesen könnte letztlich auch Aufschluss geben über die ganz großen Zusammenhänge: Kann Leben bei einem Transfer von einem Planeten zum anderen überleben? Sind Mikroorganismen etwa durch einen Asteroideneinschlag auf einen anderen Himmelskörper übertragbar? Vielleicht ist auf diese Weise eine neue Evolution auf einem anderen Planeten möglich – und auch die Entstehung der Erde erklärbar. Wahrscheinlich wird es noch Jahrzehnte dauern, bis erstmals Menschen auf dem Mars landen können – und vielleicht dann doch feststellen müssen, dass die Geschichte mit den Marsbewohnern, die sich einen Spaß mit den Fotos erlauben, gar nicht so daneben ist.
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