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Ein Eroberer von Format

"Diese Biografie ist des Helden würdig", lobte die Sunday Times die Alexanderbiografie von Robin Lane Fox, Jahrgang 1946, Absolvent der Universität Oxford und heute dort Professor für antike Literatur sowie antike und frühe islamische Geschichte. Eigentlich schon 1973 als Dissertation des damals 27-jährigen Fox erschienen, überarbeitete der Autor sein Werk nach fast zwanzig Jahren komplett und brachte es zugleich auf den neuesten Forschungsstand. So konnte es auch als Grundlage des im Dezember 2004 angelaufenen Kinofilms "Alexander der Große" von Regisseur Oliver Stone dienen. Fox war bei den Filmaufnahmen als Berater, Autor und Darsteller mitbeteiligt.

Fox' Alexanderbiografie zeugt von viel Selbstbewusstsein und Emphase, immerhin hat er über 1500 Fachpublikationen und Quellen studiert und kennt weite Teile des antiken Alexanderreichs aus persönlicher Anschauung. Kein Wunder, dass das fesselnd geschriebene Buch trotz seiner über 800 Seiten bei den Lesern weltweit begeistert aufgenommen wurde. In der Wissenschaft hingegen war die Rezeption des Werkes eher uneinheitlich: Die Stimmen reichen von überschwänglichem Lob bis hin zur Einstufung als "historical journalism and historical fiction". Das mag auch an der Tradition der angelsächsischen Biografie liegen, die stets einen Mittelweg zwischen Wissenschaft und anspruchsvoller Unterhaltung anstrebt, und gerade Fox ist nicht nur ein guter Wissenschaftler, sondern auch ein begnadeter Erzähler.

"Mit Alexander beginnt eine neue Epoche der Weltgeschichte." Dieser Satz stammt nicht von Fox, sondern damit leitete 1833 Johann Gustav Droysen (1808 – 1884), der zugleich der Epoche den bis heute gültigen Namen "Hellenismus" gab, die erste moderne Biografie über den makedonischen König (365 – 323 v. Chr.) ein. Seither gibt es gemäß dem Althistoriker Fritz Schachermeyr zwei Forschergruppen: Maximalisten und Minimalisten. Will man über Alexander eine historisch wirklich fehlerfrei verbürgte Biografie schreiben, dann würde ein einziger Satz reichen, wie ihn etwa der Bonner Althistoriker Wolfgang Will formulierte: "Der Makedone Alexander zog in den Osten und starb dort. Vermutlich."

Da macht es doch viel mehr Spaß, sich in Robin Lane Fox' Alexanderbiografie zu vertiefen. Der Autor versucht, in vier Hauptkapiteln den Makedonen möglichst umfassend darzustellen. Er folgt dabei zwar konsequent dem historischen Zeitablauf, doch schafft er dank seiner Fähigkeit zur lebhaft-farbigen Beschreibung ein faszinierendes dreidimensionales Bild der Ereignisse und Personen. Fox verlässt sich nicht nur auf antike Quellen und die Fachliteratur, er erweist sich auch als Fachmann in Logistik und Reiterei – ein Umstand, der sich bei der Beschreibung der ausgedehnten Eroberungszüge Alexanders und der Schlachtenschilderungen positiv bemerkbar macht.

Eigentlich muss Wissenschaft die Spekulation ausblenden. Fox ignoriert diesen Grundsatz gelegentlich. Er liefert dem Leser, was er wissen möchte, und gibt eine Vorstellung davon, was hätte sein können. Und so zeichnet er ein umfassendes Bild Alexanders und seiner Zeit. Dass das Alexanderbild der Moderne in sich sehr widersprüchlich ist, beruht auch auf der Widersprüchlichkeit der Quellen; schließlich galt Alexander bereits unter seinen Zeitgenossen als umstrittene Figur. Diese Widersprüche stören jedoch den Leser kaum, denn einmal angefangen, wird er das Buch von Fox nicht mehr aus der Hand legen. Selbst der Anhang, mit Anmerkungen, einer umfassenden und aktuellen Bibliografie, einem Nachwort von Wolfgang Will, Stammbaum, Zeittafel und Register, liest sich mit Gewinn.

Kurzum: Das Buch von Robin Lane Fox ist mehr als eine Biografie. Es zeigt einerseits den genialsten Feldherrn der Weltgeschichte, andererseits den kultivierten, von Homer begeisterten Mann, der die Grundlagen des Hellenismus schuf. Alexander sah sich als "neuer Achilleus", war rücksichtslos und cholerisch, voller Tatendrang, und er eroberte nicht zuletzt ein riesiges Weltreich. Als er im Alter von nur 34 Jahren starb, hinterließ er ein Reich, das sich weit über die Grenzen der bis dahin bekannten Welt erstreckte, und hatte eine griechisch hellenistische Weltkultur geschaffen, die bis heute nachwirkt.

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