Krieger-Gene gibt es nicht
Für den englischen Philosophen und Staatstheoretiker Thomas Hobbes (1588 – 1679), war die Evolution von Anfang an ein "Krieg aller gegen alle", in dem "der Mensch […] dem Menschen ein Wolf" sei. Diese Ansicht teilt Althistoriker Armin Eich im vorliegenden Buch nicht. Schlachtenschilderungen oder Studien über große Feldherren sucht man in seinem Werk vergebens. Eich, der an der Bergischen Universität Wuppertal lehrt, geht es vielmehr darum, "die Umstände und Dynamik nachzuvollziehen, die im Laufe einiger Jahrtausende den Krieg zu einem den Alltag der Menschen dominierenden Phänomen machten".
Der Autor geht von der These aus, Krieg wohne der menschlichen Natur nicht etwa genuin inne, sondern sei historisch erst relativ spät als soziales Verhalten entstanden. Vor diesem Hintergrund untersucht er verschiedene Formen menschlicher Gewalt vom Neolithikum bis in die Spätantike (6. Jahrtausend v. Chr. bis 1. Jahrtausend n. Chr.). Dabei unterscheidet er zwischen spontaner Aggressivität in prähistorischen Gesellschaften und geplantem Krieg in den Staaten der klassischen Antike. Letzteren versteht er als organisierte, mit Waffen ausgetragene kollektive Gewaltanwendung zwischen Staaten beziehungsweise zwischen sozialen Gruppen.
Erstmals nur für den Kampf hergestellt
Nach Eichs Definition gibt es für die frühen Jahrtausende keine Nachweise für "regelrechte Kriege". Dennoch stelle diese Ära, vor allem die Bronzezeit (2200 – 800 v. Chr.), eine wichtige Vorlaufphase dar, in der sich die entfesselte Gewalt späterer Zeiten sowohl ökonomisch als auch technologisch anbahnte. In der Antike dann wurde der Krieg zum "Vater aller Dinge" und dominierte das gesellschaftliche Leben. Fundiert erläutert der Autor die einschlägigen Forschungsergebnisse, beschreibt die Auswirkungen verbesserter Waffentechnik und Strategie in der Bronzezeit. Dabei spürt er jenen Triebkräften nach, die die Entwicklung militärischer Gewalt wesentlich vorantrieben und die kriegerische Dynamik forcierten.
Die ältesten Belege für eine Schlacht in Mitteleuropa datiert er auf 1300 bis 1250 v. Chr.: Im Tollensetal in Mecklenburg-Vorpommern (Landkreis Demmin) haben Archäologen die Knochen von mehr als 1000 Personen gefunden, die Spuren von Hieb- und Stichwaffen aufweisen. Die Verletzungen stammen mit großer Wahrscheinlichkeit von Schwertern, den ersten Waffen also, die (seit dem 2. Jahrtausend v. Chr.) ausschließlich zu Kampfzwecken hergestellt wurden.
Scharfsinnig und kompetent untersucht Eich die Zusammenhänge zwischen dem sich entwickelnden Rohstoffhandel, der frühen Staatlichkeit und der Monetarisierung des Kriegsgeschehens in klassischer Zeit. Er zeigt Ursachen für die intensiver werdende Gewalt in den militaristischen Staaten der Antike auf und erläutert am Beispiel unterschiedlicher Kampfesweisen die zunehmende Professionalisierung des Krieges.
Hopliten, Pezhetairen, Legionäre
Von den Streitwagenarmeen der späten Bronzezeit geht der Autor auf die schwerbewaffnete, kompakte Hoplitenphalanx über, eine Kampfformation, die seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. überall in der griechischen Poliswelt dominierte. Eine kriegstaktische Neuerung war der "dynamisierte Infanteriekrieg in nachklassischer Zeit", Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. erstmals unter dem Makedonenkönig Philipp II. praktiziert. Er zeichnete sich durch kombinierten Einsatz verschiedener Waffengattungen aus. Noch mehr Schlagkraft und Disziplin erreichten die Römer im 2. Jahrhundert v. Chr., indem sie flexible Kampfverbände (Manipel) innerhalb von Legionen einführten (Manipulartaktik) und Torsionsgeschütze wie Belagerungsmaschinen einsetzten. Schließlich befasst sich der Autor mit den traumatisierenden Verhältnissen eines dauerhaften, entgrenzten Kriegszustands, der organisierte Gewalt in der Antike zu einem omnipräsenten Phänomen machte.
In einer Zeit, in der laut Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri weltweit Kriege und militärische Aufrüstung zunehme, ist Eichs spannendes Buch, das auf der Höhe der wissenschaftlichen Forschung steht, äußerst aktuell.
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