Kompendium zur Kernenergie
Der Buchtitel verspricht den Lesern die Wahrheit – der Untertitel suggeriert obendrein, das Werk erfasse die Essenz des Themas. Das sind hohe Ansprüche, mit denen sich das Buch auf den ersten Blick an Atomkraftgegner wendet. Bei genauerer Lektüre erweist sich der Band als weniger einseitig als erwartet. Er lässt auch Atomkraftbefürworter zu Wort kommen, manchmal allerdings nicht mit den besten Argumenten. Die etwas marktschreierisch aufgemachte Sammlung von Analysen und Statements, sowohl seitens Betroffener als auch Experten, widmet sich primär der Energiepolitik der Schweiz. Zentrale Texte stammen aus der Feder der Journalisten und Herausgeber Martin Arnold und Urs Fitze.
Natürlich gehen die Autoren ausführlich auf die Geschichte der Kernenergie ein, die Hoffnungen, Enttäuschungen, Katastrophen, den Streit um die Beherrschbarkeit der Technik und die Perspektiven angesichts der Klimadebatte. Dabei erreicht das Buch streckenweise eine überraschende Ausgewogenheit. Unter anderem verdeutlicht es die ungeheuren Schwierigkeiten der Endlagersuche. Welche Gesteinsart eignet sich am besten, wo muss man nicht mit geologischen Verschiebungen rechnen? Aus welchem Material und wie groß sollen die Behälter sein? Soll man sie so lagern, dass man sie auch wieder bergen kann? Sollen Volksabstimmungen über den Ort eines Endlagers entscheiden? Laut Arnold stößt die "Basisdemokratie bei einer Technologie wie der Kernenergie an ihre Grenzen – und umgekehrt".
Vorbild Deutschland?
Thematisiert wird auch, wie man eine CO2-arme, umweltschonende Energieversorgung realisieren kann. In dem Zusammenhang richten die Autoren ihren Blick auf Wind- und Wasserkraftanlagen und widmen sich Energiekosten und Netzstabilität. Dass die Kernenergie in vielen Ländern weiterhin eine wichtige Rolle spielen wird, darin stimmen die meisten Autoren überein. Die Schweiz selbst setzt umfangreich auf Atomstrom und besitzt zahlreiche eigene Meiler. Angepeilt ist dort ein langsamer Ausstieg bis 2050. Eine plötzliche, finale Abkehr, wie sie Deutschland vollzieht, erscheint vor diesem Hintergrund gewagt – und erst recht die Erwartung, andere Länder würden schon noch folgen.
Atomausstieg und Klimaschutz zu vereinen, halten die Autoren nur für möglich, indem der Energieverbrauch massiv gesenkt wird. Was einen fundamentalen kulturellen Wandel voraussetze. Das ist nun nicht gerade eine neue Einsicht, gerät aber in Zeiten wirtschaftlicher Deregulierung bisweilen aus dem Blick. Angesichts der größeren kulturellen Dimension verblasst das Problem der Atomenergie sogar ein wenig.
Unterm Strich präsentiert sich "Die strahlende Wahrheit" als facettenreiches Werk, das zum Nachdenken anregt und in dem sich durchaus auch Kernenergiebefürworter wiederfinden.
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