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»Die Verführung der Biene«: Mit den Augen einer Biene

Der Fotograf Craig P. Burrows präsentiert beeindruckende Bilder und gemeinsam mit weltweit führenden Bienenexperten zudem aktuelle Erkenntnisse zur Bienenforschung.
Ein Imker begutachtet seine Bienen

Craig P. Burrows ist Fotograf und hat sich darauf spezialisiert, Pflanzen mit alternativen Lichtquellen zu fotografieren, so etwa mit Hilfe der UV-Fluoreszenzfotografie (UVIVF). Dabei beleuchtet er seine Motive, die Blumen, in dunkler Umgebung mit UV-Licht. Für die Aufnahmen wird dieses UV-Licht dann herausgefiltert und stattdessen die durch das Sonnenlicht erzeugte natürliche Fluoreszenz der Pflanzen dargestellt. Was dann auf den Bildern erscheint, entspricht ungefähr dem, was Bienen sehen.

Burrows und die Autoren der Texte des Buchs – weltweit führende Bienenexperten – erklären den Unterschied zwischen den Facettenaugen von Insekten und dem menschlichen Sehorgan. Demnach sehen Bienen vor allem UV-Licht sowie etwas Grün und Blau. Sie fliegen also nicht deshalb zu bestimmten Blüten, weil die so schön gelb und rot leuchten, sondern weil ihnen die durch das UV-Licht hervorgerufene Fluoreszenz und die dadurch entstehenden Kontraste den direkten Weg zu Pollen und Nektar weisen. Die Doppelseiten, auf denen die Blüten einmal so abgebildet sind, wie wir sie sehen, und einmal so, wie die Bienen sie wahrnehmen, belegen eindrücklich die These, dass Bienen von den leuchtenden Pollenkörnern angezogen werden.

Unterschiedliche Bilder der Welt

Burrows und die Co-Autoren berichten auch über einen Imker, der erstaunt feststellte, dass die zur Orientierung an den Bienenstöcken angebrachte Kontrastbemalung in der UVIVF überhaupt nicht zu sehen ist. Die Bienen scheinen also andere Orientierungspunkte für die Heimkehr in den richtigen Bienenstock zu nutzen. Der Bildband macht auf beeindruckende Weise klar, dass es keine objektive, für alle Lebewesen identische Außenwelt gibt, sondern dass je nach artspezifischem Sinnesorgan ein anderer Filter wirkt und so ein anderes Bild entsteht.

Neben den UVIVF-Aufnahmen wartet das Buch auch mit ein paar wunderschönen Makroaufnahmen von Bienen auf. Besonders faszinierend ist das Porträt der mit Pollen übersäten Arbeitsbiene oder auch das der Biene im Puppenstadium. Außerdem gibt es zahlreiche Illustrationen, die dem Leser die Welt der Bienen anschaulich näherbringen.

Die Begleittexte sind größtenteils sehr informativ. So erfährt man, dass sich Bienen anscheinend elektromagnetisch aufladen, wenn sie fliegen, und bei der Landung auf einer Blüte deren elektromagnetisches Feld verändern. Andere Bestäuber fliegen dann an dieser Blüte vorbei, da ihnen das elektromagnetische Feld verrät, dass es hier nichts mehr zu holen gibt. Die am häufigsten vorkommende Bienenart ist den Experten zufolge übrigens die Westliche Honigbiene (Apis mellifera). Sie ist eine der wenigen von etwa 20 000 Bienenarten, die nicht nur den beim Menschen so beliebten Honig erzeugt, sondern auch noch einige andere gesunde Produkte wie Gelée royale, Propolis, Bienenbrot oder Bienenwachs.

Man erfährt außerdem, wie ein Bienenstock aufgebaut ist, wie sich das Bienenvolk organisiert und dass die Königin zwar am längsten lebt, aber eigentlich nichts weiter leistet, als Eier zu legen; wenn sie ihre Aufgabe nicht mehr gut genug erfüllt, wird sie von den Arbeiterinnen einfach abgesetzt. Der Mythos von »den fleißigen Bienchen« scheint aber zu stimmen: Der Autor berichtet, dass für die Gewinnung von 450 Gramm Honig 500 Bienen 80 000 Kilometer weit fliegen und dabei zwei Millionen Blüten besuchen müssen. Das ist echter Fleiß!

Die hinteren Abschnitte des Buchs widmen sich vor allem den gesundheitlichen Aspekten der verschiedenen Bienenprodukte. Es werden zahlreiche vermeintliche, zum Teil aber auch nachgewiesene Wirkungen von Honig, Gelée royale und Propolis beschrieben. Dazu ziehen die Autoren vor allem Einzelfallberichte, Beobachtungen an kleinen Gruppen oder In-vitro-Ergebnisse heran. Aus medizinischer Sicht sind solche Berichte als Grundlage für Verallgemeinerungen allerdings ungeeignet. Hier wäre ein bisschen mehr Sachlichkeit wünschenswert gewesen – auch wenn der Grund für fehlende, großangelegte klinische Studien finanzieller Natur sein dürfte.

Insbesondere dem Co-Autor Nick Worthington merkt man seine langjährige Tätigkeit als Werbetexter an. Vor allem im dritten Kapitel, »Das Streben nach Unsterblichkeit«, scheint es sich eher um Werbung für Manukahonig zu handeln als um einen Sachtext. Manukahonig wird von Bienen aus dem Nektar blühender Manukapflanzen hergestellt, die in Neuseeland wachsen. Tatsächlich scheint Manukahonig bei der Behandlung chronisch infizierter Wunden wahre Wunder zu vollbringen. Dennoch ist er wohl kaum ein magisches Allheilmittel, das Unsterblichkeit und perfekte Gesundheit verspricht.

Letztlich liegt der Fokus des Buchs jedoch eindeutig auf den überraschend andersfarbigen Blütenbildern, die zeigen, was unseren menschlichen Augen normalerweise verborgen bleibt. Die Fotos lassen die Blüten wie Strukturen von einem anderen Stern erscheinen und die Welt in einem anderen Licht leuchten. Wer sich für die Welt der Bienen interessiert und eine Vorliebe für schöne Fotografien hat, wird an diesem Buch seine Freude haben.

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